Damit nicht untergeht dass der 6.Juni 1944 auch anderorten stattfand, habe ich hier einen Tagebuchbericht von einem Grenadier der Wehrmacht ausgegraben, der damals an der Italienfront mit einem Granatwerferzug im Rückzugskampf im Einsatz war:
6.Juni 1944: Noch in der Nacht sind wir weitergefahren. Da das Rasseln der Gleisketten und das Motorengeräusch stets wie ein Schlafmittel auf mich wirken, bin ich bald nach der Abfahrt eingepennt, denn die Natur hat mir die Gabe gegeben, in allen Körperstellungen einzuschlafen. Doch dann werde ich wach. Es ist noch dunkel. Mich friert am Kopf. Gewohnheitsmässig hatte ich den Kinnriemen über den Schirm meines Stahlhelms geschoben. Als ich einnickte ist mein Kopf nach vorn gefallen und wieder einmal ist mein Stahlhelm futsch. Wenn das unser Führer wüsste!
Als ich wieder wach werde, ist heller Tag. Major Ecker steht mitten auf der Strasse und weist die Kampfgruppe ein. Es heisst der Gegner wäre durchgebrochen. Man muss es dem Knochen-Ecker schon lassen, der lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er ist in der Lage innerhalb kürzester Zeit eine Verteidigung zu improvieren. Der ist auch in den brenzligsten Situationen vorn in der HKL (Hauptkampflinie) und hat seine Truppe stets im Griff.
Major Ecker geniert sich auch nicht, die Landser, wenn sie stiften gehen, mit dem Krückstock drohend und : "Wollt ihr wohl!" rufend nach vorn zu treiben. Die Retirierer haben vor ihm mehr Schiss als vor dem angreifenden Gegner. Allerdings hat er oft das Glück, dass er, wenn der Tanz dann bei uns losgeht, mit seinem Kettenkrad schon wieder über alle Berge ist, hin zu einem anderen Gefahrenpunkt im Regimentsabschnitt. Ich kann ihn ganz gut leiden, feige ist er jedenfalls nicht, sondern einer von den Offizieren auf die man sich verlassen kann. Schliesslich sind nicht alle so.
Wir müssen mächtig schindern. In kürzester Zeit werden die Löcher ausgehoben, die Werfer in Stellung gebracht, eingerichtet und getarnt. Jeden Augenblick kann der Angriff erfolgen. Wider erwarten bleibt aber alles ruhig und so legen wir uns in einen leeren Schafstall und pennen, denn müde sind wir eigentlich immer. Nach einer Stunde werden wir hochgescheucht - unsere Schussentfernung reicht nicht aus, und nun müssen wir am hellen Tag in einem deckungslosen Gelände Stellungswechsel machen. Im Schutz der vor uns liegenden Hecke bauen wir das Gerät ab.
Als wir aufsitzen hängt die lahme Ente (alliierter Beobachtungsflieger) am klaren blauen Himmel. Na dann Prost Mahlzeit! Das kann ja mal wieder lustig werden. Kaum sind wir auf der Strasse, kommen schon die ersten Koffer angerauscht. Es wird ein gewaltiger Feuerzauber. Die decken uns mal wieder standesgemäss ein. Wenn sie uns das Feuerwerk, dass sie hier für die paar Mann veranstalten, in Bar ausbezahlen würden, wären wir saniert! Ich springe zusammen mit einigen anderen während der Knallerei von der fahrenden Zugmaschine, denn ich sitze, wenn die Granaten krepieren, nicht gern so hoch, denn in diesen Winkelbereich gehen zu viele Splitter hin.
Zu Fuss hat man immer die Möglichkeit auf dem Boden schnell irgendwo in Deckung zu gehen, ist allerdings länger im Feuerbereich als auf dem Fahrzeug. Jeder hat sein Erfolgrezept zum Überleben. Dümmler, stur wie ein Panzer, fährt mit Krenz auf der Zugmaschine weiter. Bei einer Häusergruppe treffen wir in einem Bunker Paul Geissler. Er schickt mich gleich los, ich soll die Zugmaschine ranholen. Die Jungens müssen ja irgendwo stecken. Noch immer liegt schweres Arifeuer auf der Strasse. Schliesslich stöbere ich unsere beiden Leute mit der Zugmaschine auf. In dem Haus ist auch ein Leutnant von den Panzern.
Als ich die Casa betrete, haut im selben Moment auf der Strasse eine schwere Granate ein, und der Leutnant, der in Deckung springen will, rutscht auf dem glatten Kopfsteinpflaster aus und fällt, so lang wie er ist, auf die Schnauze. Na der hat nicht schlecht geflucht. Noch am gleichen Nachmittag setzen wir uns, ohne dass ein Feindangriff erfolgte, aus dieser eisenhaltigen Gegend ab. Als wir einige Kilometer gefahren sind, steht Otto Sekura, zusammen mit einigen Männern der Pi-Kompanie, am Strassenrand und winkt mir mit einer Salami in der Hand zu. Es sind grösstenteils alles Kameraden des ehemaligen Pionierzugs unserer 8. Kompanie.
Jeder von ihnen hat einige Würste in den Taschen oder in den Händen. Da ich mit Otto schon immer auf gutem Fuss stand, verehrt er mir ein Stück Wurst, und erzählt mir, dass zwei Kilometer weiter zurück, in einer italienischen Wurstfabrik, die für die Deutsche Wehrmacht gearbeitet hat, ganze Haufen Wurst herrenlos herumliegen. Da Oberfeldwebel Geissler bei uns auf der Zugmaschine sitzt, der auch gern isst, bedarf es keiner grossen Überredungskunst - und die Aktion läuft an. Als unsere Kampfgruppe anfährt, winken wir die Fahrzeuge vorbei und fahren zur Wurstfabrik.
Flak-Soldaten sollten diese Wurstvorräte, die nicht mehr abtransportiert werden konnten, ungeniessbar machen und haben zwar schon den grössten Teil der nahrhaften Kostbarkeiten mit Benzin übergossen, aber wir finden noch eine ganze Zeltbahn brauchbarer Würste. Ich habe in den Taschen der Tarnjacke allein acht lange Würste. Horst Krenz drückt anständig auf die Tube und als Einzelfahrzeug haben wir die Kolonne bald eingeholt. Alles ist am Prepeln. Wir essen Wurst und dazu süsse Kekse, eine ungewöhnliche Zusammenstellung, macht aber satt!
Einen Stahlhelm habe ich auch wieder, es liegt genug Zeug rum in diesen Tagen. Wir fahren an diesem Tag noch eine beachtliche Strecke und ständig wimmelt es am Himmel von feindlichen Jabos (Jagdbomber). Zuckmantel schreit dauernd "Tiefflieger!", er leidet anscheinend unter Halluzinationen und wir von den Hartgesottenen ziehen ihn deshalb ganz schön durch den Kakao. Uli ist eben ein Studierter, und Intelligente haben oft eine stärkere Vorstellungskraft von dem, was ihnen hier zustossen könnte - was in unserer Situation nicht immer von Vorteil ist - und sind deshalb manchmal vorsichtiger als die breite Masse.