Wenn ich solche Artikel lese muss ich immer ein wenig schmunzeln. Haben wir wegen unserer kriegerischen Vergangenheit wirklich ein unterschwelliges Gewaltpotential..? Ich glaube nein. Natürlich tönt es spektakulär wenn man schreibt wir Saubermänner mit der langen humanitären Tradition seien ja eigentlich Nachfahren von blutrünstigen Kriegsgurgeln. Wenn man dann auch noch Details von plündernden Söldnerbanden erwähnt, die Leichen fleddern und Frauen belästigen, grenzt das schon fast an sensationsgeilen Voyeurismus.
Seit Menschengedenken gibt es Krieg. Söldner hat es immer gegeben und wird es immer geben, bis sie von Robotern abgelöst werden. Diese Tatsache wird oft verdrängt und der Krieg wird verurteilt und verabscheut - hauptsächlich dank der Situation, dass die Schweiz seit fast 200 Jahren keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr gesehen hat. Wir sind einfach nicht mehr gewohnt, dass Krieg und Gewalt zum Alltag gehören können. Man darf den Krieg nicht glorifizieren, aber geben wird es ihn immer. Dazu braucht es aber Bauern, Springer und Türme, die auf dem Schachbrett die Arbeit tun. Lange Zeit waren es die Schweizer. Clausewitz sagt, Krieg sei der verlängerte Arm der Politik. Die Schweizer waren halt lange das ausführende Instrument dazu. Müssen wir uns deswegen schämen? Ich glaube nicht. Genauso wenig schäme ich mich, wenn sich ein paar Fussballidioten Schlägereien liefern - denen gehört das Maul gestopft, fertig. Das hat aber nichts mit vererbtem Gewaltpotential zu tun.
Auf die Frage wer denn alles die vielen Reisläufer waren, hat mir Herr Dr. Valentin Gröbner geantwortet, dass die Quellenlage sehr schwierig und lückenhaft sei. Erst ab dem 17. Jh. sind die Quellen etwas ergiebiger. So findet man z.B. Berichte über Gerichtsurteile zum Kriegsdienst gegen die Türken (wegen Straftaten oder zur Tilgung von Schulden). Auch zweifelhafte Methoden der Anwerbung in Wirtshäusern werden erwähnt - vor allem natürlich die unterste Schicht von jungen, perspektivlosen Männern betreffend. Soviel zum Thema Freiheit und Freiwilligkeit (wie auch schon von Napoleon erwähnt).
Auch die polemische Darstellung der "Urschweizer" Söldner, die sich aufführten wie Barbaren und somit allesamt Menschenmetzger sein mussten, ist zum lachen. Die grossen Kontingente der eidg. Heere, z.B. während der Mailänderkriege, wurden durch die Stadtpanner rekrutiert. Man stelle sich ein Heer im frühen 16. Jh. von 20'000 Mann (ohne Tross) vor, nur aus Urschweizern. Da wären die Urkantone ja ausgestorben gewesen.
Also nicht nur die hinterwäldlerischen und archaischen Innerschweizer waren Söldner, sondern auch viele "Städter". Abgesehen davon gibt es auch Beispiele von "Städtern", die negativ aufgefallen sind - denken wir nur einamal z.B. an Hans Waldmann von Zürich oder den Künstler Urs Graf, der auch kein unbeschriebenes Blatt war.
Anstatt einer Darstellung von Hass und Blutdurst sollten man viel mehr versuchen, die Geschichte zu erzählen wie sie war. Auch in den Schulen. Es wäre wünschenswert wenn unsere Schüler lernen würden, dass auch wir dunkle Kapitel in der Geschichte haben. Dass aber die damalige wirtschaftliche Situation, sowie das politische System, viele Männer dazu getrieben hat, die Schaufel mit dem Spiess zu tauschen.
Was die "modernen" fremden Dienste betrifft, so hat Napoleon natürlich absolut recht wenn er schreibt, dass die Einzelfälle unterschiedlich gewertet wurden und werden. Macht man bei einem einzelnen Mann, der für Blackwater im Irak war, einen Riesenaufstand, so gilt der Dienst bei der französischen Fremdenlegion immer noch als Kavaliersdelikt (eben: ...pour les alsaciens, les suisses et les lorrains...). Wieviele Male wurde solchen Leuten pro forma ein Prozess gemacht (Strafen auf Bewährung), damit sie anschliessend möglichst schnell ins Instruktionskorps unserer Armee eingegliedert werden konnten. Ein prominentes Beispiel: Albert von Tscharner schloss sich 1916 als Hauptmann der Schweizer Armee der Legion an. Er verblieb bis 1933 in französischen Diensten und erreichte den Grad eines Oberstleutnants. Mit diesem Grad wurde er 1939 nicht zuletzt auf Wunsch von General Henri Guisan wieder in die Schweizr Armee aufgenommen und dem Armeestab zugeteilt. Überhaupt war Gen. Guisan der Legion sehr angetan. Sein Rat an Landsleute in der Legion: "Absolviere deine vertragliche Dienstzeit und stelle dich nach der Rückkehr den schweizer Behörden..."
Wie heissts doch so schön - dessen Brot ich fress', dessen Lied ich sing' - oder so. Heute einfach nicht mehr im gleichen Ausmass wie früher...
Willtu glück und wolfeile han, so must von diner bosheit lan.
Bit gott das Er dir das ferzych, so wirstu glück han Ewiglich.
Min lieber junger, das pitten Ich dich.