Eingemauerte schuhe!?

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Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Peter am Di 13 Apr, 2010 08:15

hier ein bericht über im wänden und decken eingmauerte schuhe in verschiedenen gebäuden...

http://science.orf.at/stories/1644648/

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Re: Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Hagelhans am Di 13 Apr, 2010 13:50

seltsam....von so etwas habe ich bis jetzt auch noch nie gehört oder gelesen. da der Brauch anscheinend bis ins 19. Jh. hinein praktiziert wurde, müsste doch Jacob Grimm mal wind davon bekommen haben. zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich sein grosses werk "Deutsche Mythologie" noch nie ganz durchgelesen habe.
möglicherweise steht die Lösung sogar dort drinn?
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Re: Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Maja am Di 13 Apr, 2010 16:02

Aus archäologischen Untersuchungen sind sogenannte Bauopfer bekannt: im Mittelalter wurden oft Tiere (Katzen, Hunde) in die Mauern eingepackt, ein Brauch, der noch viel älter ist und aus dem mesopotamischen Raum zu stammen scheint. Dort wurden allerdings Menschenopfer gebracht (oder Verstorbene eingemauert). Vielleicht wurde nun mit der Zeit das Opfer immer "harmloser"... Vielleicht müsste man mal nachforschen, wofür denn Schuhe symbolisch stehen.
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Re: Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Brundelinchen am Di 13 Apr, 2010 16:21

Bei uns pack man in den Grundstein immer Dinge des Zeitgeschehens, das können auch schon mal (bei einer jungen Familie) Kinderschuhe, ein Schnuller, aber auch die Tageszeitung, ein Liebesbrief, ect. .. sein.
Ich hab damals beim Hausbau meiner Mutter eine Locke lassen dürfen/müssen und meine Mutter hat einen Ring mit dazu rein...mal schauen was die Archäologen da in 200 Jahren rein interpretieren :-)
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Re: Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Sutoris am Fr 14 Mai, 2010 03:43

Ich wohne im Saarland und habe zufällig von diesem Brauch erfahren. Ich hatte Kontakt zu einem Museumsleiter eines kleinen Heimatmuseums, der eine wissenschaftliche Abhandlung zu dem Thema geschrieben hat. Der hatte mir eine Kopie davon zukommen lassen. Ich werde mich mal auf die Suche begeben.

Im Saarland beschränken sich bislang die Funde auf die Zeit des 17. bis 19. Jhdt. und man fand sehr häufig Kinderschuhe. Das liegt vermutlich auch daran, dass es hier im Saarland so gut wie keine Häuser mehr aus dem Mittelalter gibt. Anfangs ging man sogar von einem Verbrechen aus. Wie in dem Bericht schon geschrieben handelt es sich hierbei wohl um einen heidnischen Brauch, der die bösen Geister daran hindern soll, ins Haus zu gelangen.

Dann werde ich mich mal unser Haus untersuchen, vielleicht finde ich ja ein Paar Mittelalterschuhe in meiner Größe. \:D/
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Re: Eingemauerte schuhe!?

Beitragvon Sutoris am Di 18 Mai, 2010 07:52

Hallo zusammen,

ich kann jetzt endlich auch mit weiterführender Literatur dienen:

Zeitschrift Saargeschichte|n, Ausgabe 1-2009, ISSN 1866-573x

darin sind u.a.mehrere Funde beschrieben:
Hier einige Auszüge:
"Der erste im Saarland registrierte Schuhfund scheint aus Illingen zu stammen. Bei Umbauarbeiten fiel er ...aus der Küchendecke. Es handelte sich dabei ...um einen Kinderschuh. Er sollte, so der damalige Pfarrer von Illingen, den Bewohnern garantieren, dass sie "viele gesunde Kinder bekommen"...Jedoch lässt sich in der volkskundlichen Literatur keine Bestätigung für diese Erklärung finden.

Ilse Fingerlin schrieb anlässlich des 17. Mediävistischen Kolloquiums des Zentrums für Mittelalterstudien der Uni Bamberg: "Wir haben es offensichtlich mit einem Opferfund zu tun; wegen der Vermauerung in einem Gebäude mit einem Bauopfer. Typisch dafür sind Tierknochen anstelle lebender Tiere, keine menschlichen Skelettteile, aber stellvertretend für Menschen sind die Schuhopfer. der Schuh als Ersatz und Symbol für den Menschen..."

"Die Grundlage der Bauopfer bilden magische Praktiken. Sie tauchen in solchen Häusern in besonderer Weise auf, die keinen Grundstein kennen. Dies deutet darauf hin, dass die Absichten des Grundsteinsetzens und des magischen Verbergen von symbolhaften Alltagsgegenständen, Tieren, Teilen von diesen und Teilen von Menschen übereinstimmen. Dem Gebäude soll nicht nur eine statische Sicherheit, sondern auch ein zauberischer Halt gegeben werden."

"Fundorte für eingemauerte Schuhe sind in der Regel:
- der Dachboden, besonders im Lüftungsbereich der Traufen
- Decken, z.B. in der Küche
- Mauerwerk, besonders in der Nähe von Gebäudeöffnungen wie Fenster und Türen"

"Da in den vergangenen Jahrhunderten Kinder beliebte Bauopfer waren und Schuhe symbolisch an die Stelle der Lebendopfer traten, erklärt sich von alleine, dass Kinderschuhe auffallend häufig unter den eingemauerten Schuhen zu finden sind. Die oben erwähnte Erklärung des Illinger Pfarrers zu den Kinderschuhen trifft also nicht zu....Dem Volksglauben nach sollte der Verstorbene (dessen Bauopfer sich im Haus befanden) den Schutz des Hauses übernehmen.
...Eine weitere Besonderheit: Alle gefundenen Schuhe wurden stehend in ihrem Versteck entdeckt."

..."Eine Ausstellung von eingemauerten und abgelegten Opfern aus alten saarländischen Häusern war im Museum für dörfliche Alltagskultur für das Jahr 2009 vorgesehen. In der Hoffnung, dass mit jüngsten Veröffentlichungen weitere Funde bekannt werden, wird die Ausstellung voraussichtlich erst im Jahr 2012 erfolgen."

Gruß Sutoris
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