Ulrich Zwinglis Tod bei Kappel 1531
Im Dezember kamen mir drei Bändchen von Karl Buxtorf-Falkeisen mit dem Titel "Baslerische Stadt- und Landgeschichten aus dem sechzehnten Jahrhundert" in die Hand. Darin sind diverse Auszüge aus Druck- und Handschriften zusammengefasst, was interessante Einblicke gibt. Im ersten Heft (publizert 1863) wird die Zeit von 1500 bis 1531 behandelt.
Da der Tod des Zürcher Reformators Ulrich Zwingli (1484-1531) in der Schlacht von Kappel seinen Basler Mitstreiter Johannes Oekolampad (1482-1531) tief bewegte, ist ihm ein eigener Abschnitt als "Zwingli's Endschicksal, als Vorwort zu Oekolampad's Brief über seinen Tod" gewidmet. Darin schildert der Reformator Heinrich Bullinger (1504-1575), der als Geistlicher am Grossmünster Zwinglis Nachfolge antreten sollte, dessen Ende in der Schlacht von Kappel, bei der die evangelischen Truppen jenen der katholischen fünf Orte unterlagen. Die Schilderung hat Buxtorf offenbar Bullingers 1564 publizierten Reformationsgeschichte entnommen.
Wenn der Text aus bewegten Zeiten auch mit einer gewissen Vorsicht bezüglich Propagandaelementen zu geniessen ist, so will ich ihn dennoch dem Forum nicht vorenthalten. Ich habe ihn mit einigen Anmerkungen in Eckklammern zum besseren Verständnis versehen:
Sinen Todt hatte M. Ulrich Zwyngli an der Cantzel offentlich und heymlich sinen Fründen vorgesagt. Dann dises Jars, alls der Krieg ward, hat er an der Canzel gesagt, die Pensiöner müssind in er (eher) tödten, dann sine Herren werden. Und es sye ein Kettin gemacht, die werde imm den Hals abziehen.
Als ein gemeinsamer Commet im Augusten erschien gägen der Nacht, und Herr Jörg Müller v. Baden, als Apt zu Wettingen, Zwynglin uff dem Kylchhoff zum grossen Münster, als man den Commeten sach, vraget: Lieber M. Ulrych [M. = Magister], was meinend ir, daz diser Stern bedüte? - antwort er und runet das dem Apt in's Oor: Herr v. Wettingen, diser Stern zündet mir und manchem Eerenmann und gutem redlichen Gesellen und Christen, die es gern recht und gut in der Eydgnossenschafft sehend, uss, alls die schwee lyden müssend. So aber die Ruten Gotts am Huss Gotts anhept, so wee und aber wee den Widerwertigen des h. Evangeliums! Es wirt Gott sin Sach nüt des minder erhallten; ob's schon dahin kumpt, das man meynen wirt, es werde Alles zu Grund gan.
Als die Paner von Zürich usszog [Auszug der Zürcher in den zweiten Kappelerkrieg], reyt M. Ulrich ouch mitt, nach dem alten Bruch, noch dem man zur Paner alle Zyt ein fürnemmen Diener der Kylchen genommen hat. Dorum man ouch jetzt siner ernstlich begärt hett; ouch von desswegen, daz er raten kondt, darzu in grossem Ansähen und Gunst by dem Volcke was, was er mit Vermanen und Trösten leyten kondt. Als er dann mitt uffzog, redt er dermossen mitt sinen vertruwten Fründen, das man wol marckt, dass er sich nitt me heym schatzt.
Hans Maler, der Statt Winterthur Uberruter, sagt, wie er imm uff der Straass gen Cappel, durch den Guntenbach, etwan wyt nachgeritten sye, habe Zwyngli insonders ynbrünstig mitt imm selbs Gott angerufft, imm sin Seel und Lyb, insonders aber sin Kylchen bevohlen. Und wie uff der Wallstatt zu Schüren by Cappel nitt unlang vor dem Angriff Lienh. Burckhart, Pfister, zu imm sprach: "M. Ulrich, wie ist imm ietz? Wie gefallt üch dise Sach? Sind die Rieben gesalltzen? Wer will's ussessen?" - antwortt Zwyngli:"Ich und mench Biderman, der hie stadt in Gotts Hans, dess wir läbendig und tod sind." -
Uff der Wallstatt nit wyt von dem Angriff lag ouch unter den Todten und Wunden M. Ulrich. Wie man plündert, was er noch läbend, lag an dem Ruggen und hatt sine beide Händ zamen gethan wie die Battenden, sach mitt sinen Ougen ob sich in Hymel. Do lüffend ettlic [der siegreichen Katholiken] zu und vragend, diewyl er noch so schwach und dem Todt noch were, ob man imm nitt söllte bringen ein Priester, der inn Bycht hörte. Doruff schüttlet er sin Houpt, redt nüt und sach über sich in Hymel. Wyter sagend sy zue imm, wöllte er aber und könnte doch nitt me reden, söllte er doch die Muter Gotts imm Herzen hand und die lieben Heiligen anruffen. Schüttlet Zwyngli widerum sin Houpt und verharret mitt siner Gesicht ze stuunen am Hymel.
Des wurdent die Fünförtischen ungedultig, fluchend imm, sagend, er were ouch der stetigen, kybigen Kätzern einer, und wertt, dass man imm den Lon gäbe. Und kam hierzu Houptman Finkinger von Unterwalden, ward erzürnt und nam sind Schwert und gab Zwynglin ein Wunden, daz er bald verschied. Also vilgedachter M. Ulr. Zwyngli, der Kylch Zürych Pfarrer und Diener, was unter sinen Scheflinen (by denen er biss in Todt bliben ist) wund uff der Wallstatt funden; aber von wegen des Bekantnus des waren Glaubens in Christum, von einem Houptman und Pensiöner (wider die er alle Zyt zum strengisten geprediget hat) ertödt worden. [Pensiöner = Reisläufer, die in fremden Diensten gestanden hatten, oder Männer die sonstige Pensionen aus solcher Hand empfingen]
Am Morgen des folgenden Donstags ward by den Todten durch die Gefangenen erfraget, wer diser und jäner were. Da ward gespürt die höchst Fröud, do Zwyngli unter den Todten funden ward. Da war ein wundergross Zulauffen den ganzen Morgen, jedermann welt den Zwynglin sehen. Und ist nitt zebeschryben, was Gespeys und schmächlicher Worten wider inn von Vilen geprucht ward. M. Bartlime Stocker von Zug, ein Kaplon daselbst, sagt mir nach dem Krieg, das er ouch zu dem Zwyngli hinzu getrungen were. Da sye er in sinem Angesicht in Farw und Gestalt nitt einem Todten, sunder Läbenden glych xin; das er sich an imm verwunderet.
Und M. Hans Schönbrunner, der Chorherr xin und von Zyrich gen Zug gezogen was, und inn ouch besähen, habe sich Weynens nitt entheben mögen und gesprochen: "Wie du joch Gloubens halben xin, so weiss ich, das zu ein redlicher Eydgnoss xin bist. Gott verzye die din Sünd!" Sye hiemitt wider hinab gen Zug gangen, doher er allein kummen was, den Zwynglin und die Wallstatt zu besehen.
Hernach besammelend sich vil der frächen Gesellen, Pensiöner, Kriegslüt und denen der Zwyngli zum Höchsten verhasset war. Die radtschlagetend, , ob sy inn hättend in fünf Stuck zerhowen und in jedes der fünf Orten ein Stuck geschickt. Dargägen Aber sagend, was sy den Kätzer also wöltin herum krätzen; man sölle inn verbrennen, als ein Kätzer. Darzu kamend nun ettliche der Houptlüten, als der Schuldheyss Golder, der Amman Dooss u. sagend, sy söltend den Todten ruwen lassen. Es sye noch nitt da, da sy meynind, sy söllind bescheiden sin. Man bedörfe noch vil Glücks.
Die fräch Rott aber antwortet, sy hätten sich redlich gehalten, das wölle sy noch, dorum sölle man sy mitt dem Ungericht fürfaren lassen. Und wie die Houptlüt sahend, daz wenig da ze erhalten was, giengend sy hinwäg. Die Rott aber liess umschlahen [Bekanntmachen, Austrommeln] in dem Läger: wer sähen wöllte den Kätzer und Verräter an einer frommen Eydgnossenschaft, den Zwyngli, richten, der sölle uff die Walstadt kummen. Da besatzend sy über den Zwyngli ein Ungericht, verurteilend inn zu vierteilen und darnach die Stuck mit Füwr zu verbrönnen.
Welches Alls der Nachrichter von Lutzern mit vil schandlichen Worten volstrackt, und under anderem, wie er im sin Lyb uffschneid, sprach: "Es habend Ettlich den Zwyngli zügen, er sye Feldsiech; ich aber hab nitt gesunderen Lyb gesähen." In das Für ward ouch Unrats von Schwynen, die sie gemetziget hattend in der Nacht, geworfen; damit die so die Eschen ufläsen wöltend, Suwäschen mitt Zwynglis Aeschen ufläsind. Und beschach das näben der Lantstrass vor an der Büntten gägen dem alten Käller auf aller Höhy.
Anmerkung von Karl Buxtorf-Falkeisen:
Dass, wie die Sage geht, Th.Plater das Herz Zwingli's aus den Flammen erhascht und nach Zürich gebracht, Myconius aber dasselbe, um es nicht zu einem Gegenstande des Reliquiendienstes werden zu lassen, in Basel in den Rhein geworfen habe, ist nirgends in Th. Platers ausführlicher Lebensbeschreibung, und in Myconius (de vita et obitu Zw.) bloss in folgender Art darüber zu lesen: "Als nach dem Abzug der Feinde Zwingli's Freunde am dritten Tag nach der Schlacht herbeikamen, um nach den Gefallenen zu spähen, siehe - wunderbar zu sagen! - lag sein Herz ganz und gar unverletzt in der Asche. Sie staunten und begriffen das Wunder nicht. Da kam bald einer meiner besten Freunde zu mir, ob ich nicht ein Stück (portio) vom gefundenen Herzen, das er in einem Beutelchen bei sich trage, sehen wolle. Ein Schauder ergriff mich ob dieser so unerwarteten Frage, und ich wies das Anerbieten zurück; sonst hätte ich auch ein Augenzeuge von dieser Sache sein können." - Demnach ist die Geschichte nicht verbürgt.
Darstellung von Zwinglis Tod 1893 durch den Muttenzer Maler Karl Jauslin. Das Werk illustriert die legendenhafte Verklärung die bereits in Bullingers Schilderung erkennbar ist. Von dessen Bericht weicht Jauslins Darstellung erheblich ab. Hier sind die Sieger um den sterbenden Zwingli versammelt, um ihn zu verhöhnen, ihm das Marienbanner vorzuhalten und ihm mit der Faust zu drohen. Schliesslich schickt sich ein Halbartier an, Zwingli den Todesstoss von Hinten (was Feigheit manifestieren soll) zu versetzen. Obschon Bullinger schreibt, dass Zwingli erst am nächsten Tag, nach seinem Tod idendifiziert worden sei, ist er auf Jauslins Bild als Lebender erkannt und vom viel spottendem Volk umringt. Dabei sei er nach Bullinger zuerst offenbar für einen Sterbenden alten Glaubens gehalten worden, den man trösten wollte und dem man die Beichte und Anrufung der Heiligen empfahl. Übrigens wird genau dieser Umstand später als zusätzliche Verspottung gedeutet, die man Zwingli angetan habe.
Dazu noch ein Surftipp. Unter dem folgenden Link findet sich ein kurzer Beitrag zu den mutmasslichen Waffen Zwinglis aus der Schlacht von Kappel, und dem Kult um sie >> http://zh.ref.ch/content/e3/e1939/e1091 ... x_ger.html