von Altmann am Di 19 Jan, 2010 09:58
Ich habe das Buch von Kossert nicht gelesen, aus einem Diskussionsforum mit ihm weiss ich, dass er Beispiele dafür bringt, auf wie viel Ablehnung Vertriebene in den Aufnahmegebieten Restdeutschlands gestoßen sind.
Bei den vielen Millionen Vertriebenen kann man sicher einige tausend finden, denen es schlecht erging. Das ist nicht zu entschuldigen, aber vielleicht kann man es verstehen, wenn man an die Verhältnisse im damaligen Deutschland denkt, woran Dietrich erinnert: Wenig von Bomben verschonter Wohnraum, zu wenig zu essen, nichts zu kaufen, nichts zu brennen . Und wer will sich etwas von seiner gerade erreichten Bequemlichkeit nehmen lassen.
Mit solchen Darstellungen kann man aber auch leicht ein verzerrtes Gesamtbild erhalten. Ich selbst habe die Zeit erlebt und habe in meiner Heimatstadt Wiesbaden Freunde und Bekannte unter Vertriebenen aus Schlesien gehabt. Dabei habe ich nie etwas von Ausgrenzung von Vertriebenen gehört oder gemerkt. Wir litten gemeinsam unter den Verhältnissen, s.o. Wenn man daran denkt, dass hier katholische Menschen in rein evangelische Gegenden kamen - zu einer Zeit, als die Bindungen an die Kirche noch viel stärker waren als heute - , Menschen mit einem fremden Dialekt, mit anderen Sitten, da können ja auch leicht Konflikte entstehen. Die saturierten und vom Fernsehen "homogenisierten" Menschen von heute können sich das überhaupt nicht vorstellen.
Die rudimentären deutschen Behörden, die ab 1945 entstanden, versuchten zu helfen so gut sie konnten. Behörden stellten Flüchtlinge ein. Als nach der Währungsreform wieder gebaut wurde, bekamen zunächst einmal Flüchtlinge und Ausgebombte die neuen Wohnungen. Keine 100 m von meiner Wohung wurde ein neuer Häuserblock errichtet, in den zog gleich ein junges Paar aus Schlesien ein, das ich kannte und das in einer hessischen Behörde arbeitete. Betriebe wurden verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz Kriegsversehrte und Vertriebene einzustellen. Und schließlich kam später der Lastenausgleich hinzu, bei dem einheimische Betriebe über viele Jahre eine Sonderabgabe zu Gunsten der Vertriebenen einzahlen mussten und aus dem Vertriebene Kapital für einen Neuanfang bekamen.
Dass das alles nicht ohne Konflikte ablief - so traurig sie für den Einzelnen auch waren - damit konnte doch niemand rechnen. Immerhin wurden 15 % der Bevölkerung umgepflanzt ! Bis Herr Kossert mit seinem Buch kam, galt die Eingliederung der Vertriebenen in der Welt als vorbildlich. Ich finde, bei der jüngeren bis mittleren Generation der deutschen Intellektuellen ist zu viel Selbsthass und Selbstzerfleischung verbreitet.