Vetriebene in Deutschland

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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon gijoe am Sa 16 Jan, 2010 07:53

Dietrich bringt es auf den Punkt ! Es ist zwar hart aber alles andere ist Utopia. Die grossen Worte von Solidarität in guten Zeiten verlieren schnell an Bedeutung wen es wirklich hart auf hart geht. Dazu braucht es nicht einmal einen Krieg, das ist auch im Alltag so, so ist der Mensch.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Dietrich am Sa 16 Jan, 2010 10:41

Stimmt, dazu braucht es nicht einmal einen Krieg.

Was, glaubt ihr, würde passieren, wenn morgen jemand kommt und sagt:
"Übrigens, wir müssen den gesamten französischsprachigen Teil der Schweiz an Frankreich abtreten. Und die Einwohner dieses Teils auf die Restschweiz verteilen."

Wann hattet ihr euern letzten Bürgerkrieg? 8-[
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Hagelhans am Sa 16 Jan, 2010 11:33

Dietrich hat geschrieben:
Wann hattet ihr euern letzten Bürgerkrieg? 8-[


Kurtz an des Kriegsschwelle waren wir in den 1960er jahren bis 1979. Dan wurde der Jura von Bern abgetrent und ein neuer Kanton gegründet.
Einige Berner hätten das Gebiet sicher gerne behalten aber die Bewohner nach Frankreich abgeschoben aber ob die Franzosen..... :smt047

Abstossend finde ich vorallen wie sich deutsche Parteien über die Jahrzente hindurch die Volksvertriebenen immer wieder als Wählerschaft gesucht haben um dan nach einem Erfolg an der Urne diese wieder fallen zu lassen ohne ihnen auch nur ein Zugeständniss zu geben was ihnen vor den wahlen versprochen wurde.
heute sind haben viele resigniert oder sind soweit radikalisiert dass sie nur noch in Kreisen wie DVU und NPD akzeptiert werden.
Als Pferdefreund denke ich oft an Trakehnen.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Voltigeur am Sa 16 Jan, 2010 12:16

Die Vertiebenen sind heute kein Problem mehr in Deutschland, die sind voll eingebürgert und viele sind bereits tot oder uralt.
Heute erlebt man aber dasselbe mit den Menschen der Ex- DDR.
Die Ossis wie sie genannt werden, sind im Westen nicht immer willkommen.
Es ist nicht das erstemal das ich gehört habe " Die sollen doch drüben bleiben, was wollen die bei uns "
Mein Nachbar in Deutschland hatte grösste probleme eine Wohnung oder ein Haus zu finden, nur weil die Familie aus Dresden kommt.
Da hört man alles mögliche, wie " Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg " usw.

Am Ende immer dasselbe : Niemand ist wirklich auf Dauer willkommen.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Brundelinchen am Sa 16 Jan, 2010 13:18

Das geht noch viel kleiner:

Oberschwaben, ein kleines Dorf, du bist leider dorthin gezogen weil das Haus lange leerstand und du es günstig kaufen konntest... das Dorf eine eingeschworene Gemeinschaft, die der Meinung sind: Lieber das Haus leer als so ein Neigschmeckte (Zugezogener) darin.....

Tolleranz und Akzeptanz, das wäre schon was Schönes oder auch

den Gleichmut zu besitzen Neues anzunehmen und die Achtsamkeit selbst aus dem Kreislauf der Unfreundlichkeit zu entrinnen.....
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Altmann am Di 19 Jan, 2010 09:58

Ich habe das Buch von Kossert nicht gelesen, aus einem Diskussionsforum mit ihm weiss ich, dass er Beispiele dafür bringt, auf wie viel Ablehnung Vertriebene in den Aufnahmegebieten Restdeutschlands gestoßen sind.

Bei den vielen Millionen Vertriebenen kann man sicher einige tausend finden, denen es schlecht erging. Das ist nicht zu entschuldigen, aber vielleicht kann man es verstehen, wenn man an die Verhältnisse im damaligen Deutschland denkt, woran Dietrich erinnert: Wenig von Bomben verschonter Wohnraum, zu wenig zu essen, nichts zu kaufen, nichts zu brennen . Und wer will sich etwas von seiner gerade erreichten Bequemlichkeit nehmen lassen.

Mit solchen Darstellungen kann man aber auch leicht ein verzerrtes Gesamtbild erhalten. Ich selbst habe die Zeit erlebt und habe in meiner Heimatstadt Wiesbaden Freunde und Bekannte unter Vertriebenen aus Schlesien gehabt. Dabei habe ich nie etwas von Ausgrenzung von Vertriebenen gehört oder gemerkt. Wir litten gemeinsam unter den Verhältnissen, s.o. Wenn man daran denkt, dass hier katholische Menschen in rein evangelische Gegenden kamen - zu einer Zeit, als die Bindungen an die Kirche noch viel stärker waren als heute - , Menschen mit einem fremden Dialekt, mit anderen Sitten, da können ja auch leicht Konflikte entstehen. Die saturierten und vom Fernsehen "homogenisierten" Menschen von heute können sich das überhaupt nicht vorstellen.

Die rudimentären deutschen Behörden, die ab 1945 entstanden, versuchten zu helfen so gut sie konnten. Behörden stellten Flüchtlinge ein. Als nach der Währungsreform wieder gebaut wurde, bekamen zunächst einmal Flüchtlinge und Ausgebombte die neuen Wohnungen. Keine 100 m von meiner Wohung wurde ein neuer Häuserblock errichtet, in den zog gleich ein junges Paar aus Schlesien ein, das ich kannte und das in einer hessischen Behörde arbeitete. Betriebe wurden verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz Kriegsversehrte und Vertriebene einzustellen. Und schließlich kam später der Lastenausgleich hinzu, bei dem einheimische Betriebe über viele Jahre eine Sonderabgabe zu Gunsten der Vertriebenen einzahlen mussten und aus dem Vertriebene Kapital für einen Neuanfang bekamen.

Dass das alles nicht ohne Konflikte ablief - so traurig sie für den Einzelnen auch waren - damit konnte doch niemand rechnen. Immerhin wurden 15 % der Bevölkerung umgepflanzt ! Bis Herr Kossert mit seinem Buch kam, galt die Eingliederung der Vertriebenen in der Welt als vorbildlich. Ich finde, bei der jüngeren bis mittleren Generation der deutschen Intellektuellen ist zu viel Selbsthass und Selbstzerfleischung verbreitet.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Andrej Pfeiffer-Perkuhn am Di 19 Jan, 2010 22:49

Hagelhans hat geschrieben:
Dietrich hat geschrieben:Abstossend finde ich vorallen wie sich deutsche Parteien über die Jahrzente hindurch die Volksvertriebenen immer wieder als Wählerschaft gesucht haben um dan nach einem Erfolg an der Urne diese wieder fallen zu lassen ohne ihnen auch nur ein Zugeständniss zu geben was ihnen vor den wahlen versprochen wurde.


Was denn geben? Pommern heim ins Reich holen? Du unterschätzt zudem die Macht die die Vertriebenenverbände hierzulande bis in die 80er hinein hatten. Die waren weit von Stimmvieh entfernt das man einfach fallen lassen konnte.

Ergänzend zu Dietrichs erklärung sei noch angemerkt das den Bewohnern der Ostgebiete auch noch mehr Schuld an der Situation gegeben wurde. Wegen ihnen sei ja das ganze angefangen worden, sie hätte dort in Saus und Braus von den Zwangsarbeitern gelebt usw. Das vergiftet das Klime natürlich zusätzlich.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon zellerin am Mi 20 Jan, 2010 11:10

Die Zwangsarbeiter gab es auch hier in den kleinsten Schwarzwalddörfern mussten junge polnische Mädchen aushelfen. Ich habe zwei Geschichten von meiner Großmutter gehört die mich sehr erschüttert haben. Ein junges polnisches Mädchen, im Alter meiner Großmutter damals um die 17, war besonders hübsch mit langen schwarzen Haaren und einem Sonntagskleid mit großen roten Blumen in welchem sie anscheinend noch schöner aussah. Diese Frau musste bei dem Dorfwirt, einem verschrobenen Menschen, aber besonders getreuen Nazi arbeiten. Der Dorfwirt hat sie so schikaniert, dass sie sich erhängt hat. Die Schikanen fanden zum Teil vor den Augen der Dorfbevölkerung statt, aber keiner hat sich getraut etwas zu sagen. Nach Aussage meiner Großmutter wurde der jungen Frau ab und zu heimlich etwas zu essen zugesteckt, mehr wurde nicht getan. Die Briefe aus der Heimat wurden ihr von dem Wirt vorenthalten und als sie die Briefträgerin (eine Schulfreundin meiner Großmutter) fragte, ob sie die Briefe nicht direkt haben könne, wurde ihr von dieser gesagt, dass das verboten und nicht möglich sei.

Dem zweiten polnischen Mädchen ging es anscheinend besser, sie war auf einem von Deutschen besetzten Bauernhof im Elsass untergekommen. Der Bäuerin fiel auf, dass das Bett immer unbenutzt war, darauf angesprochen kam heraus, dass das Mädchen aus Angst etwas schmutzig zu machen immer auf dem Boden geschlafen hatte.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Seegras am Fr 05 Feb, 2010 11:36

Dietrich hat geschrieben:Wann hattet ihr euern letzten Bürgerkrieg? 8-[


So richtig? 1847. Den hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Sonderbundskrieg

Aber vergleichen mit anderen Kriegen kann man den nicht wirklich, zwar waren mehr als 100'000 Soldaten daran beteiligt, aber er dauerte nur 27 Tage, und der General Dufour hatte extremst durchgesetzt dass humanitäre Grundsätze eingehalten wurden, obwohl die Disziplin ansonsten offenbar sehr schlecht war. Entsprechend gab es sozusagen keine zivilen Kriegsopfer (4 scheinbar), keine Vertriebenen und nur ganz wenige Plünderungen.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Dietrich am Mi 10 Feb, 2010 14:51

Hm, ich habe mich wohl mißverständlich ausgedrückt.
Wann der letzte Bürgerkrieg in der Schweiz war, weiß ich; die Frage war mehr als Provokation gedacht, so nach dem Motto "wenn es zu einer wie der beschriebenen Situation käme, würde daraus gewiß ein Bürgerkrieg entstehen".
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