Vetriebene in Deutschland

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Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Napoleon am Mo 11 Jan, 2010 14:05

Habe gestren per Zufall auf ZDF "history" die Doku Kalte Heimat - Vertriebene in Deutschland gesehen.
http://history.zdf.de/ZDFde/inhalt/26/0 ... .html?dr=1

War sehr eindrücklich. Ich finde, dass leider dieser und alle Geschehenisse, die nach dem Mai 45, die uns WW2 Darsteller doch so interessieren, nur so am Rand oder gar nicht betrachtet werden.

Es gibt unzählige Geschichten, die Europa bis heute geprägt haben.

Wer weiss schon, dass das letzte Flüchtlingslager mit Deutschen vertriebenen erst 1966 aufgelöst wurde.


Häufig sind die Vertriebenen nicht willkommen. Sie werden als "Polacken" und "Rucksackdeutsche" diffamiert und müssen oft in ärmlichen Notunterkünften wohnen. Erst nach Jahren verschaffen sie sich Respekt durch ihren Aufbauwillen und ihre Leistungsbereitschaft.

"Ich bin froh, hier zu sein"

Julia Neigel - heute eine bekannte Rocksängerin - ist fünf Jahre alt, als sie mit ihren Eltern im Dezember 1971 aus der Sowjetunion nach Deutschland kommt. Ihre Familie war im Krieg getrennt worden und wird erst nach 30 Jahren wieder zusammen finden. Julia Neigels Großmutter stirbt in Stalins Gulag, ihre eigene Mutter überlebt. Dreizehn Jahre stellt die Familie Ausreiseanträge, bis sie endlich nach Ludwigshafen ausreisen darf, wo Julias Großvater, der schon vorher fliehen konnte, sie erwartet.

Julia Neigel und ihre Mutter sehen sich Fotos an. Quelle: ZDF
ZDF
Julia Neigel und ihre Mutter
Infobox
Buchtipp

Andreas Kossert: Kalte Heimat - Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. Siedler Verlag, ISBN: 3886808610

Julias Start in ihrer neuen deutschen Schule ist schlecht. Sie wird ausgegrenzt und gedemütigt. Früher in Russland das Nazi-Kind, jetzt in Deutschland "die böse Russin". Immer wieder wird sie von den Nachbarsjungen verprügelt. Als Julia Neigel vor einigen Jahren zurück reist nach Barnaul in Sibirien, wo sie geboren wurde, sei das ein Schock gewesen, sagt sie. Die Armut der Menschen habe ihr fast das Herz gebrochen, doch ihre Herzlichkeit habe vieles geheilt. Zurück bleibt vor allem das Gefühl von Dankbarkeit: "Ich habe das Hierherkommen und das Hierleben immer als ein Riesenglück und als Riesenfreiheit empfunden, und ich bin sehr froh hier zu sein."
Buchcover "Kalte Heimat".
Buchcover "Kalte Heimat"
Verbotene Liebe

In Westfalen, in der britischen Besatzungszone, liegt der Hof der Familie Landwehrmann. Sie sind die wohlhabendsten Bauern in der Gegend um Bielefeld. Nach Kriegsende findet Erich Kroll, Flüchtling aus Ostpreußen, bei den reichen Bauern Arbeit. Erichs Familie hatte in Ostpreußen einen eigenen Hof. Bei den Landwehrmanns muss er als Pferdeknecht arbeiten.

Dabei kommen er und die jüngste Tochter sich näher. Hanna Landwehrmann verliebt sich in den armen Flüchtling. Als ihre Eltern von der Liebe erfahren, wollen sie die Verbindung mit allen Mitteln verhindern. Hannas Mutter schmiedet sogar Pläne, das junge Liebespaar zu vergiften, damit die jüngste Tochter keine Schande über die Familie bringt. Zum Äußersten kommt es nicht, aber am Ende muss Hanna hinnehmen, dass sie der Vater für ihre Wahl enterbt.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Brundelinchen am Mo 11 Jan, 2010 16:51

Bei mir sind die Hälfte der Verwandten Vertriebene aus den unterschiedlichsten REgionen... wenn du Erfahrungsberichte aus erster Hand haben möchtest.... ich kann dir gerne Kontakte verschaffen.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Voltigeur am Mo 11 Jan, 2010 21:31

Mein Name ist Reisewitz ! ! !


Grüsse vom Voltigeur
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Steve am Di 12 Jan, 2010 08:38

Wenn du mehr darüber lesen willst wie freundlich die Vertriebenen hier im Restdeutschland aufgenommen wurden empfehle ich dir das Buch "Mitleid war von niemand zu erwarten" von Ulrich Völklein oder wende dich an das Bundesarchiv für Lastenausgleich in Bayreuth dort gibt es jede Menge Erlebnissberichte.

Gruß
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Napoleon am Di 12 Jan, 2010 08:55

Habt mich wahrscheinlich falsch verstanden. Danke trotzdem.
Ich kenne diese Geschichten, resp. diesen Teil schon, ich wollte hier eigentlich eine Diskusion darüber anstreben, resp. ich denke dass viele darüber nur sehr wenig wissen.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Brundelinchen am Di 12 Jan, 2010 10:01

alle die betroffen sind wissen sehr viel, da die Geschichten ständig präsent sind und oft im Familienkreis wiederholt werden, die die nicht betroffen sind geht das verständlicher weise meist am A---- vorbei. Jetzt könnte man über Ignoranz und Intolleranz diskutieren, aber das ist eine Sache,...... naja, vielleicht nicht wünschenswert,.... oder doch?
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon dustoff am Di 12 Jan, 2010 14:55

Ich befasse mich zurzeit mit der Geschichte der Frauen in Deutschland (und die die ausserhalb Deutschlands waren), während und nach dem Krieg. Auch Frauen die gedient haben in der WH, LW ,SS etc sind interessante Sachen zu lesen. Gewisse Dinge sind wirklich hammerhart zu lesen. Aber man begreift dann besser die Situation in denen sie sich befanden.
Gruss
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Glam am Di 12 Jan, 2010 18:20

Gibt es in Deutschland überhaupt Familien ohne Vertriebene? ;) Meine Uroma wurde als Hugenottin vertrieben. Eltern Väterlicherseits aus Donauschwaben, ab ins Lager in Österreich, wo mein Vater geboren ist. Er sagt Heute noch er dachte es sei die Hölle ;) Eltern Mütterlicherseits als unter 10 jährige vertrieben aus Ostpreussen. Bei der Donauüberquerung die halbe Familie gestorben, weil das Eis zerbomt wurde. Bei uns zu Hause wurden die Geschichten immer erzählt auch an Freunde. Aber nur mal als Beispiel, als ich in der Schule im Geschichtsunterricht den Lehrer gefragt habe, ob wir nicht auch mal über die vertriebenen Deutschen reden können, wurde ich von meiner Lehrerin vor die Tür gesetzt :-/
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Napoleon am Di 12 Jan, 2010 21:19

Gute Frage.

Die Alliierten waren mehr als Überrascht, als die vertriebenen aus Preussen, Schlesien, Pommern und anderen Gebieten jenseitz der Oder und Neisse, bei ihrer Ankunft in Deutschland von niemandem aufgenommen werden sollte. Man dachte, dass die Solidarität grösser sei und vor allem wurde unter den Nationalszialisten der Grosse zusammengehörigkeit gepredigt und gelebt.

Man rechnet mit ca. 12 Millionen Vertriebenen von 1945 bis 1949 und einer Sterblichkeitsrate wegen Mangel an Verpflegung und Krankheiten von 4%.
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Re: Vetriebene in Deutschland

Beitragvon Dietrich am Mi 13 Jan, 2010 11:37

Ich habe mal vorsichtig nachgefragt, warum die Vertriebenen so ungern gesehen wurden, und meine Verwandtschaft hat es mir erklärt.

Stellt euch mal vor, die Schweiz wäre mehrere Jahre abgeschnitten und liefe versorgungstechnisch schon auf Reserve. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen, der Nachschub an Nahrung und Versorgungsgütern bestenfalls fraglich. Außerdem wäre ein großer Teil des Wohnraums in den Städten zerstört, und fast die Hälfte der Bewohner auf das Land verteilt und in den Dörfern und auf den Bauernhöfen untergebracht.
Und dann kommen innerhalb weniger Wochen und Monate nochmal 1,5 Millionen zusätzlicher Menschen dazu, die alle untergebracht und ernährt werden wollen und müssen.....
Wie begeistert und aufnahmewillig wäre wohl die Schweizer Landbevölkerung?

Natürlich wünscht man sich mehr Solidarität und Hilfsbereitschaft, aber in Notzeiten denkt jeder erst einmal an sich und die Seinen. Wenn ein Familienvater (oder, wie damals häufig, die Mutter) nicht weiß, ob sie am nächsten Tag genug Nahrung und Unterkunft für ihre eigene Sippe und die Verwandschaft aus der Stadt hat, dann ist sie wenig aufgeschlossen gegenüber der Idee, noch ein, zwei oder mehr Personen zusätzlich mit versorgen zu müssen.
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