CH Bundesbrief

Alles über die Geschichte. Von der Antike bis zur Neuzeit

Moderatoren: troupier suisse, Hagelhans

CH Bundesbrief

Beitragvon Christoffel am So 08 Nov, 2009 12:04

Liebe Forumsbesucher

Ich möchte anregen das Bundesbriefarchiv von Schwyz nach Rapperswil zu verlegen.
Folgendes Schreiben habe ich an die Obersee-Nachrichten geschickt, das ist eine Zeitung für dier Region Zürichsee.
man ist momentan dabei, das Innenleben des Schlosses Rapperswil neu zu gestalten. Es befindet sich darin seit 50 Jahren ein Museum für polnische Geschichte.

Aus den neuesten Erkenntnissen der Mittelalterforschung (Quelle: Prof Roger Sablonier, Zug: „Gründungszeit ohne
Eidgenossen“, p 170ff, Verlag „hier und jetzt“ 2008) lässt sich ableiten, dass der Bundesbrief eigentlich ins Schloss Rapperswil gehört, den Sitz Wernhers von Homberg. Dieser war als Reichsvogt in den Waldstätten der Adressat dieses
höchstwahrscheinlich 1309 nachgefertigten Dokumentes. Ein Irrtum in der Datierung oder Adresse liegt nicht vor, ich meine schon dasselbe Pergament wie Sie, wenn ich Bundesbrief sage. Die Schwyzer könnten ja statt dessen im Bundesbriefarchiv das Dokument „Privileg Kaiser Friedrichs II. für die Leute von Schwyz“ von 1240 ausstellen, das wäre ja sogar noch älter und „echter“. Es befindet sich momentan im Staatsarchiv Schwyz und gehört ihnen also bereits. Es ist halt nicht so gross (ca A5), aber das gibt auch was her.


Der Jounalist hat angebissen und will es bringen, das haben wir bei einem Kaffee besprochen. Da werden einige Leute sich die Augen reiben, denke ich. Zuerst findet man heraus, dass weder Arnold Winkelried noch Willhelm Tell reale Gestalten waren, und nun hat der Rütischwur -der vermeintliche Gründungsakt der Eidgenossenschaft- gar nicht stattgefunden. na sowas!

Christoffel

Christoffel vom Hengstacker ist profesioneller Minnesänger / Rampensau
und Reenactor für 1340 und 1470

http://www.minnesang.ch/

http://www.christoffeltrio.ch/
[youtube][http://www.youtube.com/watch?v=Xp8OsO6O6_M]
Benutzeravatar
Christoffel
Rekrut


Beiträge: 13
Registriert: Mo 02 Nov, 2009 14:00
Wohnort: CH-Galgenen SZ

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Hagelhans am So 08 Nov, 2009 13:23

Dies wäre der Erste Schritt. aber wie wills Du es auch noch schaffen, den Unterwaldnern klar zu machen dass mit aller höchster Wahrscheinlichkeit die im Bundesbrief genannten unteren Talschaften das Urserental ist und sie erst einige Jahre später zur Eidgenossenschaft gestossen sind?

Arnold von Winkelried ist übrigens durchaus eine reale Gestalt der Geschichte. Nur Ort und Zeit seiner Heldentaten überschneiden sich leider nicht mit dem datum der Schlacht bei Sempach.

Meines erachtens sollte die Schweiz ohnehin ihre Gründung revidieren und auf das Stanservorkommniss 1481 verlegen.
Danach waren wir erst wirklich so etwas wie eine Nation im weitesten Sinne und der Anlass ist doch irgendwie wesentlich "Schweizerischer" als ein vermeindlicher Bauernaufstand.
Es gab zwar immer wieder Bauernaufstände, diese wurden aber auch immer von der offiziellen Eidgenossenschaft blutig unterdrückt.
"Wir sind alle Anerkennungsjunkies - Affen in Anzügen, die um Applaus betteln." -Jake Green.
Benutzeravatar
Hagelhans
Moderator


Beiträge: 4684
Registriert: Sa 10 Sep, 2005 13:56
Wohnort: Niederhasli Schweizerische Eidgenossenschaft

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon dustoff am So 08 Nov, 2009 17:17

Hmm .... dann können wir ja die Schweiz gleich teilen und an unsere NAchbarländer verkaufen! Wäre doch das praktischte! :-s :smt002
Gruss
Danielle


Dove c'e' da Rievocare noi Rievochiamo - Dove e' da Ricostruire noi Ricostruiamo
Benutzeravatar
dustoff
Vietnam


Beiträge: 1173
Registriert: Fr 02 Jun, 2006 19:06

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Hagelhans am So 08 Nov, 2009 20:24

muss ich jetzt schon wieder meine theorie bringen????

rechtlic h gesehen ist nicht die eidgenossenschaft aus dem reich ausgetreten sondern das reich aus sich. 1499 kämpften die eidgenossen für die erhaltung des ottonisch-stauffischen Reichsgedankens. Die Eidgenossen waren somit das richtige hlg. Deutsche Reich, wen auch ohne Kaiser. dieser hatte sich mit seinem neu eingeführten Reichskammergericht vom ursprünglichen Reichsgedanken getrent.
"Wir sind alle Anerkennungsjunkies - Affen in Anzügen, die um Applaus betteln." -Jake Green.
Benutzeravatar
Hagelhans
Moderator


Beiträge: 4684
Registriert: Sa 10 Sep, 2005 13:56
Wohnort: Niederhasli Schweizerische Eidgenossenschaft

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Seegras am Mo 09 Nov, 2009 12:37

Hagelhans hat geschrieben:Arnold von Winkelried ist übrigens durchaus eine reale Gestalt der Geschichte. Nur Ort und Zeit seiner Heldentaten überschneiden sich leider nicht mit dem datum der Schlacht bei Sempach.


Er ist 1522 bei Mailand, http://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Bicocca gestorben.

Was den von 1386 betrifft.
"Wer hats erfunden?"
"Die Schweizer"
"Wer genau?"
"Aegidius Tschudi"
Honi soit qui mal y pense
Benutzeravatar
Seegras
Living Historian


Beiträge: 1419
Registriert: Do 29 Dez, 2005 20:05

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Christoffel am So 20 Dez, 2009 22:18

Christoffel:
Liebe Forumsbesucher!
Ich darf Euch die Stellungnahme von Prof. Roger Sablonier nicht vorenthalten, er ist der Autor des Buches, aus dem ich meine Argumente hatte.
Folgendes Mail erhielt ich von ihm:


Prof. Sablonier:
Lieber Herr Mächler
vorab einmal ein grosses Kompliment für Ihre Musik! Und natürlich freue ich mich über Ihr Interesse an meinem Buch. Zu Ihrem Schreiben:

Ich wäre der Letzte, der nicht für einen hintergründigen Scherz - der Bundesbrief nach Rapperswil -, ja sogar für eine Schnapsidee zu haben wäre. Es gibt aber, in der Realität, ein ziemlich entscheidendes Hindernis: Es ist ganz unwahrscheinlich, dass Werner von Homberg jemals auf (Neu-)Rapperswil sozusagen residiert hat . Selbst wenn also der sogenannte Bundesbrief von 1291 (den man ja wohl besser als Landfriedensbrief bezeichnen würde) gewissermassen zu seinen Handen fabriziert wurde - was durchaus plausibel wäre -, kann nicht geklärt werden, wo er sich ursprünglich befand. Immerhin: Dass er sich später im Schwyzer Archiv befand (sicher erst 1724) und dorthin möglicherweise durch eine der führenden Schwyzer Familien (Redinge, Ab Iberg etc.;hier vielleicht aus den Unterlagen der Maria von Baden, Witwe des Werner, die ja nach 1340 schrittweise ihren Besitz in der Gegend liquidierte) oder auch aus dem 1415 in Baden von den Eidgenossen geplünderten dortigen habsbugischen Archiv gekommen ist, im Original bzw. in einer weiteren originalen Ausfertigung aber weder in Stans (hier nur eine spätere Übersetzung)/Sarnen noch in Altdorf (hier allerdings das Archiv 1799 abgebrannt) vorhanden ist, könnte schon auf den ursprünglichen Besitz beim Rapperswiler Erben, also bei Werner von Homberg, dessen Herrschaftsansprüche ja sozusagen das Alte Land Schwyz geerbt hat, hindeuten.


Soweit die Realität -- sie geniessen aber selbstverständlich alle künstlerischen Freiheiten, daraus etwas mehr zu machen als die dünne und trockene Faktenlage es eigentlich zulässt. Tatsächlich wäre ja möglich, dass Werner von Homberg in einer (nicht-überlieferten) früheren Fassung auch dabei war. Und dass er es war, der den Brief der kaiserlichen Kanzlei - Heinrich VII. hielt sich 1309/1310 vorübergehend in Zürich und Konstanz auf - in der Region vorlegte. Der Homberger war ja auch - als Erbe eben der Rapperswiler Herrschaftsansprüche - am ehesten in der Lage, Uri und Schwyz zusammenzubringen, sogar mit dem dritten Vertragspartner, ob es nun Nidwalden, Unterwalden oder Urseren gewesen ist. Und vor dem Kaiser musste ER beweisen, dass er in der Lage war, Frieden und Ordnung zu sichern.

Das ist eigentlich schon alles, was ich dazu sagen kann; es ist reichlich kompliziert, aber niemand wird Ihne verargen,wenn Sie halt die Dinge etwas vereinfachen (sofern Sie klar machen, dass Ihre Version von den Fachhistorikern nicht "abgesegnet" ist). Und es ist ja nicht verboten, Werbung für Ihr Projekt zu machen.

Mit den besten Grüssen und allen guten Wünschen, auch für das gute Gelingen Ihres Projekts, auf dessen Realisierung ich mich sehr freue.

Roger Sablonier

Christoffel vom Hengstacker ist profesioneller Minnesänger / Rampensau
und Reenactor für 1340 und 1470

http://www.minnesang.ch/

http://www.christoffeltrio.ch/
[youtube][http://www.youtube.com/watch?v=Xp8OsO6O6_M]
Benutzeravatar
Christoffel
Rekrut


Beiträge: 13
Registriert: Mo 02 Nov, 2009 14:00
Wohnort: CH-Galgenen SZ

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Parabellum am Fr 25 Dez, 2009 17:39

Seegras hat geschrieben:Was den von 1386 betrifft.
"Wer hats erfunden?"
"Die Schweizer"
"Wer genau?"
"Aegidius Tschudi"


Aegidius Tschudi war der erste Historiker der alten Eidgenossenschaft und hat die bestehenden Überlieferungen gesammelt und zu einem Gesamtwerk verdichtet (Chronicon Helveticum). Einer seiner wichtigsten Quellen war das weisse Buch von Sarnen: http://www.ow.ch/dl.php/de/200802010801 ... s+Buch.pdf
Tschudi war nicht nur Historiker, sondern auch Staatsmann. So stand als Gedanke hinter seiner Geschichtsschreibung, dass Einheit und Gedeihen der eidgenössischen Staatengemeinschaft befördert werde. Auch heute stehen handfeste Interessen hinter der aktuellen Geschichtsschreibung und in einer ferneren Zukunft wird man wohl mit einigem Erstaunen auf die Historiker im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert ("Jahrtausendwende" #-o ) zurückblicken und sich über die tendenziösen Standpunkte wundern. Wie auch immer man Aegidius Tschudi heute betrachtet, sein Werk hat fast 500 Jahre gestrahlt und massgeblich zur Staatenwerdung der Eidgenossenschaft beigetragen. Ohne Tschudi hätte auch Schiller seinen Tell nie geschrieben! Womit wir wieder bei der Literatur und Kunst gelandet wären.
Si vis pacem, para bellum!
Benutzeravatar
Parabellum
Moderator


Beiträge: 762
Registriert: Sa 03 Mär, 2007 21:00
Wohnort: CH

Re: CH Bundesbrief

Beitragvon Seegras am Sa 26 Dez, 2009 15:23

Ahum.. Also was deine Lobpreisung von Aegidius Tschudi betrifft... Ich muss das etwas relativieren. Der "erste Historiker" ist er ganz bestimmt nicht, da waren Jahrhunderte vorher schon Schilling oder Tschachtlan tätig (Obwohl man die auch "Chronisten" nennen kann -- aber was ist ein Chronist der Dinge niederschreibt die lange vor seiner Zeit passiert sind?), Was nichts daran ändert dass er _massgeblich_ die Geschichte der Schweiz geschrieben hat. Vorallem die die nachher kam...

- Er führt als erster den Verdacht auf dass Willhelm Tell eine komplette Erfindung ist.
- Umgekehrterweise erfindet er selber die Winkelried-Sage.
- Und schlussendlich fälscht er sich selber Stammbäume die ihm adelige Abstammung belegen.

Also durchaus eine sehr interessante Figur, aber sicher nicht eine die über jeden Zweifel erhaben ist.
Honi soit qui mal y pense
Benutzeravatar
Seegras
Living Historian


Beiträge: 1419
Registriert: Do 29 Dez, 2005 20:05


Zurück zu Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: ichiro [Crawler] und 2 Gäste

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Style by Webdesign www, książki księgarnia internetowa podręczniki