Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

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Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon troupier suisse am Sa 12 Sep, 2009 17:14

Während der Flugtage in Kestenholz unternahm ich am Samstag dem 22. August 2009 einen kleinen Spaziergang nach dem Abendessen und mir das kleine Gotteshaus näher anzusehen, dass unweit des Camps aus den Bäumen ragte. Da einige Leute der 207 Squadron am Sonntag ebenfalls Interesse an der Kirche zeigten, aber nicht dorthin kommen konnten weil die gesperrte Flugbahn den Weg verlegte, habe ich einige Fakten zusammengetragen und in Worte gefasst.

Kapelle St.Peter - Sankt-Peter-Strasse 4703 Kestenholz

Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz liegt umgeben von Bäumen und einer Hecke am Rand des ehemaligen Militärflugfeldes. Schon wenn man sich dem Gotteshaus von Kestenholz her nähert, fällt auch dass es irgendwie unvollendet wirkt. Das Dach mit dem barock anmutenden Dachreiter wirkt irritierend kurz. Das vermeintliche Langhaus endet auf der Seite des Kirchenportals mit einem geradezu monströsen weit heruntergezogenen Walmdach.

Was ferner auffällt ist das Beinhaus, wo weiss ausgebleichte Schädel und Röhrenknochen hinter einem vergitterten und verglasten Fenster als Memento mori aufgestapelt sind. Ein Beinhaus in der Mitte des Schiffes, gleich um die Ecke des Portals, ist eine achitektonische Kuriosität. Das schmucklose Portal unter dem Walmdach wirkt ebenso sonderbar wie die zwei Wangenmauern an den Langhausseiten, die über die Eingangsfassade herausragen und mit dem Dach eine Vorhalle bilden.

Der sehr spezielle Gesamteindruck erklärt sich, wenn man mehr von der Geschichte weiss. Die Kapelle ist der verstümmelte Rest einer sehr alten Dorfkirche, und das was auf den ersten Blick als Langhaus erscheint ist der frühere Chor. Doch beginnen wir am Anfang. Das Dorf Kestenholz ist aus den beiden mittelalterlichen Siedlungen "Im Kestenholtz" und "ze obern Kappellon" (13.-14.Jahrhundert) hervorgegangen.

Wurzeln im frühen Mittelalter

Grabfunde deuten auf eine alemannische Besiedlung im 7. Jahrhundert hin. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahundert kam Kestenholz mit der Landgrafschaft Buchsgau zum Herrschaftgebiet des Bischofs von Basel. Unsere Kapelle ist St.Peter und Paul geweiht. Die indirekte Nennung "ze obern Kappellon" belegt ihre Existenz für 1323. Das Patrozinium der Kapelle lässt indes auf ein weit höheres Alter schliessen.

Der fränkische König Chlodwig I. aus dem Gesschlecht der Merowinger liess in Paris eine Basilika erbauen, die dem Apostel Petrus geweiht wurde. Nach seinem Tod am November des Jahres 511 wurde er nach byzantinischem Vorbild in dieser Kirche bestattet. Danach wurden Gotteshäuser zu Ehren des Patrons St.Peter (wie auch St.Peter und Paul) im Merowingerreich und über seine Grenzen hinaus vor allem als Begräbniskirche sehr populär.

Im benachbarten Baselbiet finden sich eine ganze Reihe von Peter und Paul-Kirche, die auf das 8. Jahrhundert zurückgehen. Die Vermutung liegt nahe, dass auch St.Peter und Paul mindestens auf diese Zeit zurückgehen könnte. Mutmassungen eines Ursprungs im 5. Jahrundert muten etwas kühn an und bedürfen noch der Untermauerung. Es scheint nachvollziehbar, dass die Urform der Kirche im ausgehenden ersten Jahrtausend als Gotteshaus der beiden bereits genannten Siedlungen diente.

Verstümmelung im 17.Jh und spätere Nutzung

Die heutigen Überreste der Kapelle zeugen von einem Um/Neubau um 1510. Wenn man erst einmal weiss, dass das vermeintliche Langschiff eigentlich damals der Chor war, wird auch der Standort des Beinhauses plausibel. Die Kapelle bekam ist heutiges Aussehen als man im 17. Jahrhundert im Dorfkern von Kestenholz eine Kirche baute, und das einen halben Kilometer entfernte Gotterhaus auf dem Feld nicht mehr benötigte. Daher wurde 1642/43 das Langhaus von St.Peter und Paul abgerissen.

Nur der Chor mit Chorbogen und Beinhaus blieb stehen. Schliesslich diente das Areal um die Kapelle lange als Bestattungsplatz, so dass das verstümmelte Gotteshaus wenigstens als Friedhofskapelle dienen konnte. 1776 wurde der Chorbogen vermauert und mit einer Pforte versehen, die von zwei Fenstern flankiert ist. Die beiden Wangenmauern sind Reste des Langhauses und wurden damals genutzt um mit dem Walmdach eine Vorhalle zu schaffen. Der grüne Vorplatz, von der Hecke umrahmt, lässt noch die einstigen Ausmasse der Kirche erahnen.

Heute laden moderne geschwungene Metallsitzbänke zum Verweilen ein. Ein Relikt des 17. Jahrhunderts sei auch die mächtige Linde, die sich wenige Schritte vor der Vorhalle erhebt. Eine weitere Besonderheit ist ein autonom von der Kapelle stehender Zusatzbau, der anmutet wie ein grosser Bildstock. Er ist geschmückt mit einer Darstellung der Muttergottes so wie zwei Heiligen (eventuell Peter und Paul). Der Zusatzbau steht in der Linie der Kirche, und bildet trotz des Abstands zum Hauptbau eine Art Chor, der den zum Langhaus gewordenen alten Chor ergänzt.

Als direkt am Militärflugfeld gelegenes festes Gebäude, wollte die Armee während des Aktivdienstes 1939-45 gemäss Aussagen von Anwohnern die Kapelle St.Peter und Paul als Munitionsdepot benutzten. Das unsensible Vorhaben wurde vom zuständigen Geistlichen jedoch verhindert.


Konzertplatz im Sonnenuntergang

Nach einer Renovation 1937 wurde St.Peter und Paul bei Kestenholz dem Schutz der Eidgenossenschaft unterstellt. Heute wird das Areal um die Kapelle als stimmungsvolle Kulisse für Konzerte unter dem Label "St.Peter at Sunset" ( www.stpeteratsunset.ch ) genutzt. Die Veranstalter rühmen sich, die schönsten Freiluftkonzerte im Mittelland anzubieten. Bezüglich der Kulisse mit der historischen Kapelle könnte dies durchaus nicht gelogern sein.

Dort gaben im vergangenen Juli 2009 Barclay James Harvest (2.Juli) und die Pepe Lienhard Big Band (3.Juli) Konzerte. Wer auf einem der Sitzbänke den Sonnenuntergang am Massiv über Oensingen gesehen hat, mit der erleuchteten Neu-Bechburg und ihren markanten Rundtrum auf der Felsenrippe, weiss wie eindrücklich der Sunset bei St.Peter sein kann.


Surftipp:

Auf dieser Website sieht man, nebst Aufnahmen anderer Kirchen der Region Olten, wenn man runterskrollt vier Aufnahmen von St.Peter und Paul bei Kestenholz:

>> http://kpo.ch/52378.html
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Re: Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon SOS_Denkmal am Mo 10 Jan, 2011 14:52

Leider wurde dieses historische Kulturdenkmal im Jahre 2010 mit einer "modernen" Glasfront verschandelt!!

Der Kirchgemeinderat und die Römisch Katholischen Kirchgemeinde von Kestenholz haben bei den umfangreichen Baumassnahmen im Jahr 2010 an der denkmalgeschützten Kapelle St. Peter und Paul in Kestenholz ein Sakrileg begangen.

Bei den als Restaurationsarbeiten getarnten Umbauten an dem denkmalgeschützten Gebäude, wurde die historische Front der Kapelle mit der Türöffnung und den beiden Fensterchen herausgebrochen und durch eine „zeitgeistige“ Glasfront ersetzt.

Diese im Jahre 1771 in den Bogen des noch erhaltenen Chores eingefügte Mauer mit Türe und Fenster, machte die Ruine der alten Pfarrkirche St. Peter und Paul erst zu dem was sie von da an war – eine Kapelle – unser „Sankt Peter-Kapäueli“!

Diese Mauer mit den markanten drei Öffnungen für die Türe und die Fensterchen haben der Kapelle über fast zweieinhalb Jahrhunderte hinweg ihr bestimmendes Gesicht gegeben.
Nun ist diese historische Front der geschützten Kapelle dem heutigen Zeitgeist geopfert und durch eine „moderne“ Verglasung ersetzt worden.

Ein denkmalschützerischer Sündenfall ohne Gleichen!!

Weil wir gewöhnlich Sterblichen eigentlich so wenig über unsere Vergangenheit wissen, müssten involvierte Fachgremien wie des kantonalen Amt für Denkmalpflege und Archäologie darum besorgt sein, dass solche Geschichtszeugnisse wie unsere St. Peter-Kapelle nicht so verschandelt werden können.

Nicht wenige Einwohner von Kestenholz sind der Ansicht, dass mit dieser zeitgemässen Verglasung der Kapelle das „Gesicht“ genommen und durch eine „Loch“ ersetzt worden ist und dass in zwei oder drei Generationen die Menschen möglicherweise das Bedürfnis haben, dem „Sankt Peter-Kapäueli“ sein historisches Äusseres wieder zurück zu geben.

Die Portal- und Fenstergewände der alten Kapellentüre und der beiden Fensterchen sind jetzt in einem Depot des kantonalen Amts für Denkmalpflege und Archäologie von Solothurn eingelagert.
Da warten sie auf die Einsicht des Kirchgemeinderates und der Römisch Katholischen Kirchgemeinde von Kestenholz, dass erst durch diese Türe und die beiden Fensterchen die Ruine der alten Dorfkirchen St. Peter und Paul zu einer Kapelle wurde!!

Die heute lebenden Menschen werden die Wiederherstellung unseres „Sankt Peter-Kapäueli“ leider kaum mehr erleben dürfen.
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Re: Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon Hitomi am Di 11 Jan, 2011 10:17

Erstens mal: Willkommen im Forum. Magst Du Dich noch hier vorstellen?
viewforum.php?f=23

Zweitens: Ich mag nun recht bös sein - aber muss Kestenholz solche Bauprojekte nicht auch publizieren? In Olten und Wangen wird das so gehandhabt - und man kann Einspruch erheben...

Drittens: Was sagt die Kantonale Denkmalpflege? Wurde dort bereits vorgesprochen?
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Re: Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon SOS_Denkmal am Di 11 Jan, 2011 14:19

Hallo Hitomi
Das Bauprojekt wurde auch publiziert und es gab auch ein Einsprache – diese wurde jedoch von einem Sachbearbeiter des Bau- und Justizdepartement vom Kanton Solothurn mit der standardmässigen Begründung „nicht legitimiert“ einfach abgeschrieben.

Der Denkmalschutz ist involviert und auf Anfrage hin wurde auch bestätigt, dass die herausgerissenen Portal- und Fenstergewände der alten Kapellentüre und der beiden Fensterchen in einem Depot des kantonalen Amts für Denkmalpflege und Archäologie von Solothurn eingelagert werden.

Wenn das kein Schildbürgerstreich ist:

zuerst wird die Front der Kapelle herausgebrochen und das historische Erscheinungsbild der geschützten St. Peter Kapelle zerstört

das zuständige Amt zu Solothurn gibt dazu sogar noch seinen Segen

die herausgerissenen Portal- und Fenstergewände die das historische Erscheinungsbild massgeblich bestimmten werden jetzt halt einmal in einem Depot gelagert!!

Geh mal hin, schau es Dir an – Du wirst das begangene Sakrileg an unserem „Kapäueli“ erkennen!!
Aber eben – es entspricht halt jetzt dem Zeitgeist und der verlangt Glas, Glas und nochmal Glas!!

Denn sie erkennen nicht was sie tun (taten)!!
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Re: Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon Hitomi am Di 11 Jan, 2011 20:47

Böse Frage nun meinerseits - was soll das Herumgeschrei hier auf dem Forum? Keiner von uns ist von der Denkmalpflege des Kantons Solothurn.
Ich verstehe die Entrüstung, aber was das hier bringen soll, ist mir ein Rätsel.

Ansonsten - die Denkmalpflege des Kantons Solothurn findest Du hier:
http://www.so.ch/departemente/bau-und-j ... flege.html

Die Kulturdenkmälerverordnung hier:
http://www.so.ch/fileadmin/internet/bjd ... adp/11.pdf

Den Heimatschutz hat zuweilen noch etwas mehr Gewicht als einzelne Bürger:
http://www.heimatschutz-so.ch

Wurde die Kapelle in das Inventar der schützenswerten Bauten aufgenommen? Wenn nein, dann hat der Eigentümer beinahe jede Möglichkeit, und wenn er beschliesst, dass das Kulturgut im Depot besser geschützt ist, als am Originalplatz, dann wird es schwierig.

Jedenfalls ist es müssig, über zerbrochene Eier oder verunstaltete Kapellen zu jammern - die meisten Leute gehen von "Erkennen" direkt zu "Verzweifeln" über, ohne dazwischen was zu tun.
Aber hier herumzuschreien bringt leider leider nichts - wir sind keine Denkmalpfleger, sondern Geschichtsdarsteller und Museumsleute - setzt die Energie lieber auf den Schutz anderer gefährdeter Bauten um - beispielsweise mit einer Regionalgruppe für die Wiederherstellung Eurer Kapelle.

P.S.: Hier noch die Seite zur Renovation - inkl. Bildern und der Zuständigen Person bei der Denkmalpflege
http://wwbarch.ch/index.php?id=5&lang=de&fid=32&oid=73
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Re: Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz

Beitragvon SOS_Denkmal am Mi 12 Jan, 2011 08:10

Hallo Hitomi

ich habe bereits festgestellt , dass ich mich in Euer Forum "verlaufen" und den Titel desselben offensichtlich missgedeutet habe.

Danke für Deine Ratschläge und nützlichen Hinweise.

Gruss
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