Während der Flugtage in Kestenholz unternahm ich am Samstag dem 22. August 2009 einen kleinen Spaziergang nach dem Abendessen und mir das kleine Gotteshaus näher anzusehen, dass unweit des Camps aus den Bäumen ragte. Da einige Leute der 207 Squadron am Sonntag ebenfalls Interesse an der Kirche zeigten, aber nicht dorthin kommen konnten weil die gesperrte Flugbahn den Weg verlegte, habe ich einige Fakten zusammengetragen und in Worte gefasst.
Kapelle St.Peter - Sankt-Peter-Strasse 4703 Kestenholz
Die Kapelle Peter und Paul bei Kestenholz liegt umgeben von Bäumen und einer Hecke am Rand des ehemaligen Militärflugfeldes. Schon wenn man sich dem Gotteshaus von Kestenholz her nähert, fällt auch dass es irgendwie unvollendet wirkt. Das Dach mit dem barock anmutenden Dachreiter wirkt irritierend kurz. Das vermeintliche Langhaus endet auf der Seite des Kirchenportals mit einem geradezu monströsen weit heruntergezogenen Walmdach.
Was ferner auffällt ist das Beinhaus, wo weiss ausgebleichte Schädel und Röhrenknochen hinter einem vergitterten und verglasten Fenster als Memento mori aufgestapelt sind. Ein Beinhaus in der Mitte des Schiffes, gleich um die Ecke des Portals, ist eine achitektonische Kuriosität. Das schmucklose Portal unter dem Walmdach wirkt ebenso sonderbar wie die zwei Wangenmauern an den Langhausseiten, die über die Eingangsfassade herausragen und mit dem Dach eine Vorhalle bilden.
Der sehr spezielle Gesamteindruck erklärt sich, wenn man mehr von der Geschichte weiss. Die Kapelle ist der verstümmelte Rest einer sehr alten Dorfkirche, und das was auf den ersten Blick als Langhaus erscheint ist der frühere Chor. Doch beginnen wir am Anfang. Das Dorf Kestenholz ist aus den beiden mittelalterlichen Siedlungen "Im Kestenholtz" und "ze obern Kappellon" (13.-14.Jahrhundert) hervorgegangen.
Wurzeln im frühen Mittelalter
Grabfunde deuten auf eine alemannische Besiedlung im 7. Jahrhundert hin. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahundert kam Kestenholz mit der Landgrafschaft Buchsgau zum Herrschaftgebiet des Bischofs von Basel. Unsere Kapelle ist St.Peter und Paul geweiht. Die indirekte Nennung "ze obern Kappellon" belegt ihre Existenz für 1323. Das Patrozinium der Kapelle lässt indes auf ein weit höheres Alter schliessen.
Der fränkische König Chlodwig I. aus dem Gesschlecht der Merowinger liess in Paris eine Basilika erbauen, die dem Apostel Petrus geweiht wurde. Nach seinem Tod am November des Jahres 511 wurde er nach byzantinischem Vorbild in dieser Kirche bestattet. Danach wurden Gotteshäuser zu Ehren des Patrons St.Peter (wie auch St.Peter und Paul) im Merowingerreich und über seine Grenzen hinaus vor allem als Begräbniskirche sehr populär.
Im benachbarten Baselbiet finden sich eine ganze Reihe von Peter und Paul-Kirche, die auf das 8. Jahrhundert zurückgehen. Die Vermutung liegt nahe, dass auch St.Peter und Paul mindestens auf diese Zeit zurückgehen könnte. Mutmassungen eines Ursprungs im 5. Jahrundert muten etwas kühn an und bedürfen noch der Untermauerung. Es scheint nachvollziehbar, dass die Urform der Kirche im ausgehenden ersten Jahrtausend als Gotteshaus der beiden bereits genannten Siedlungen diente.
Verstümmelung im 17.Jh und spätere Nutzung
Die heutigen Überreste der Kapelle zeugen von einem Um/Neubau um 1510. Wenn man erst einmal weiss, dass das vermeintliche Langschiff eigentlich damals der Chor war, wird auch der Standort des Beinhauses plausibel. Die Kapelle bekam ist heutiges Aussehen als man im 17. Jahrhundert im Dorfkern von Kestenholz eine Kirche baute, und das einen halben Kilometer entfernte Gotterhaus auf dem Feld nicht mehr benötigte. Daher wurde 1642/43 das Langhaus von St.Peter und Paul abgerissen.
Nur der Chor mit Chorbogen und Beinhaus blieb stehen. Schliesslich diente das Areal um die Kapelle lange als Bestattungsplatz, so dass das verstümmelte Gotteshaus wenigstens als Friedhofskapelle dienen konnte. 1776 wurde der Chorbogen vermauert und mit einer Pforte versehen, die von zwei Fenstern flankiert ist. Die beiden Wangenmauern sind Reste des Langhauses und wurden damals genutzt um mit dem Walmdach eine Vorhalle zu schaffen. Der grüne Vorplatz, von der Hecke umrahmt, lässt noch die einstigen Ausmasse der Kirche erahnen.
Heute laden moderne geschwungene Metallsitzbänke zum Verweilen ein. Ein Relikt des 17. Jahrhunderts sei auch die mächtige Linde, die sich wenige Schritte vor der Vorhalle erhebt. Eine weitere Besonderheit ist ein autonom von der Kapelle stehender Zusatzbau, der anmutet wie ein grosser Bildstock. Er ist geschmückt mit einer Darstellung der Muttergottes so wie zwei Heiligen (eventuell Peter und Paul). Der Zusatzbau steht in der Linie der Kirche, und bildet trotz des Abstands zum Hauptbau eine Art Chor, der den zum Langhaus gewordenen alten Chor ergänzt.
Als direkt am Militärflugfeld gelegenes festes Gebäude, wollte die Armee während des Aktivdienstes 1939-45 gemäss Aussagen von Anwohnern die Kapelle St.Peter und Paul als Munitionsdepot benutzten. Das unsensible Vorhaben wurde vom zuständigen Geistlichen jedoch verhindert.
Konzertplatz im Sonnenuntergang
Nach einer Renovation 1937 wurde St.Peter und Paul bei Kestenholz dem Schutz der Eidgenossenschaft unterstellt. Heute wird das Areal um die Kapelle als stimmungsvolle Kulisse für Konzerte unter dem Label "St.Peter at Sunset" ( www.stpeteratsunset.ch ) genutzt. Die Veranstalter rühmen sich, die schönsten Freiluftkonzerte im Mittelland anzubieten. Bezüglich der Kulisse mit der historischen Kapelle könnte dies durchaus nicht gelogern sein.
Dort gaben im vergangenen Juli 2009 Barclay James Harvest (2.Juli) und die Pepe Lienhard Big Band (3.Juli) Konzerte. Wer auf einem der Sitzbänke den Sonnenuntergang am Massiv über Oensingen gesehen hat, mit der erleuchteten Neu-Bechburg und ihren markanten Rundtrum auf der Felsenrippe, weiss wie eindrücklich der Sunset bei St.Peter sein kann.
Surftipp:
Auf dieser Website sieht man, nebst Aufnahmen anderer Kirchen der Region Olten, wenn man runterskrollt vier Aufnahmen von St.Peter und Paul bei Kestenholz:
>> http://kpo.ch/52378.html