Arthur Bloch Juden Mord Payerne

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Arthur Bloch Juden Mord Payerne

Beitragvon panzerschreck am Sa 17 Jan, 2009 01:59

Quelle TA

Dunkle Vergangenheit: Schweizer Nazis ermordeten Juden

Der berühmte Westschweizer Autor Jacques Chessex bringt seine Vaterstadt in Verlegenheit. Sein neustes Buch handelt von der Ermordung eines Juden in Payerne.

Die Stadtoberen von Payerne sind besorgt um den guten Ruf ihres schmucken Landstädtchens und seiner 85 000 Einwohner. Denn in den welschen Medien macht der Waadtländer Ort derzeit nicht wegen der Erweiterung des Militärflugplatzes zu einer Drehscheibe für Businessjets von sich reden, wie dies Stadtpräsident Michel Roulin erhofft hat. In den Schlagzeilen ist Payerne vielmehr wegen einer «alten Geschichte», die ausgerechnet ein berühmter Sohn der Stadt ausgegraben hat.

Jacques Chessex - Träger des Prix Goncourt, der höchsten literarischen Auszeichnung im französischen Sprachraum - hat den Mord am jüdischen Viehhändler Arthur Bloch als Vorlage für seinen neuesten Roman* gewählt. Die Tat geschah am 16. April 1942 in Payerne. Fünf einheimische Verehrer Hitlers und des Nazi-Reiches lockten den Viehhändler aus Bern in einen Hinterhalt. Dort brachten sie den 60-Jährigen kaltblütig um und zerstückelten seine Leiche - «nur 500 Meter von der Abteikirche entfernt», wie Chessex präzise festhält. Die Leichenteile warfen die Täter in Milchkannen, die sie darauf im Neuenburgersee versenkten.

Das Verbrechen hatte den damals achtjährigen Chessex derart aufgewühlt, dass ihn die Tat und vor allem deren Umstände ein Leben lang «nicht mehr in Ruhe liessen». Sein Vater war Schuldirektor in Payerne. Im protestantischen Elternhaus war man mit jüdischen Familien befreundet. Und der Junge kannte sowohl die Täter als auch das Opfer, das regelmässig auf dem Marktplatz Vieh kaufte und verkaufte. Der Anführer der Nazi-Bande, ein Garagist mit grosser Klappe, hatte der Familie Chessex ein Auto verkauft und den Vater fahren gelehrt.

Der Garagist und seine Mörderkumpanen waren nur kleine Fische in der Nationalen Bewegung der Schweiz, dem Sammelbecken der Fröntler, die den Anschluss der Eidgenossenschaft an das Dritte Reich forderten. Aber sie waren gefährlich als willfährige Helfer von Rechtsextremen wie dem Genfer Georges Oltramare und dem Waadtländer Nazi und Judenhasser Philippe Lugrin. Der ehemalige Pfarrer Lugrin stiftete den Garagisten dazu an, mit dem Mord an einem Juden ein Exempel zu statuieren.

«Uno Juif pour l’exemple» heisst denn auch Chessex’ Buch. Auf nur 100 Seiten ruft er in einer dichten Sprache und in messerscharfen Sätzen den Judenmord in Erinnerung und rechnet mit der damaligen Bürgerschaft seiner Heimatstadt ab. Wohl litt Payerne im Krieg unter hoher Arbeitslosigkeit. Aber Chessex erregt noch heute, dass seine Mitbürger damals keinen «Widerstandswillen» gegen die Hitler-Anhänger zeigten und den Mord am Juden nicht verhinderten. Stattdessen überwogen Anpassertum und Selbstzufriedenheit unter den Payernois.

Möglichst schnell verdrängen

Stadtarchivar Michel Vauthey hat alle Bücher von Chessex gelesen und liebt den Stil des 75-jährigen Schriftstellers, der in der Deutschschweiz durch sein saftig und bissig geschriebenes Porträt der Waadtländer bekannt wurde. Aber Sätze, die er im neuen Roman über die Eigenart der Payernois las, taten ihm weh. Gegenüber der Zeitung «24 heures» widersprach der ehemalige Lehrer dem Bild, das Chessex vom Klima im Städtchen zeichnet. «Payerne ist eine offenherzige Stadt, wo es sich gut lebt.»

Als der Stadtarchivar vom Buchprojekt erfuhr, durchforstete er selbst Dokumente aus jener Zeit. Dabei kam Vauthey zum Befund, dass es in Payerne nicht mehr Nazi-Anhänger gab als in vergleichbaren Orten der Schweiz. Allerdings stiess er dabei auf Verdrängungsmechanismen, die damals wie heute spielen. 1942 berichteten die beiden Lokalzeitungen nur auf einer Spaltenlänge über den Mord am jüdischen Viehhändler. Am Ende der Artikel hiess es: «Je weniger man über diese Ungeheuerlichkeit spricht, desto besser ist es.»

Von Richard Diethelm, Lausanne.
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Beitragvon Hagelhans am Sa 17 Jan, 2009 06:16

Dass müssen ja ausgesprochen schwer verwirrte Irre gewesen sein die diesen Mord begangen haben. Für solch eine Tat wären sie auch in Deutschland gehängt worden.
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Beitragvon panzerschreck am Sa 17 Jan, 2009 12:02

Denke eher nicht.. Zu diese Zeitpunkt wäre sogar für Nazi Deutschland "legal" gewesen.

Schlimm find ich diese Pfarrer Lugdrin als Anstifter .
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Beitragvon Voltigeur am Sa 17 Jan, 2009 12:30

Nun ja,


Es wird wiedermal viel Staub für eine längst vergessene und auch gerichtlich verhandelte Geschichte aufgewirbelt.
Das Jacques Chessex das Buch nur schrieb um an den Mord von Arthur Bloch zu erinnern kann ich mir beim bessten Willen nicht ganz vorstellen.
Gratis bekommt man es jedenfalls nicht.

Es ist auch logisch das die Stadt Payerne an solcher Reklame nicht interessiert ist, mit oder ohne Flughafen.

Derartiges und schlimmeres passierten zu der Zeit in ganz Europa, doch da spricht man kaum davon, daher verstehe ich nicht ganz was es für einen Sinn hat heute diese alte Geschichte wieder aufzuwärmen.
Was möchte der Autor damit bezwecken, sein Buch gut verkaufen, Tote wiedererwecken, der Stadt schaden und sie in einen schlechten Ruf bringen ?
Es ist ja nicht so das die Sache bis jetzt geheim war, jeder der sich dafür interessierte konnte sich darüber informieren.

Auch heute geschehen täglich Morde und es stehen oft nicht mehr als zwei Zeilen in den Zeitungen, da hat sich nicht viel geändert.

Grüsse vom Voltigeur
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Beitragvon troupier suisse am Sa 17 Jan, 2009 13:32

Ich denke dass der Fall von einem gewissen Interesse ist, weil es in jener Epoche der einzige Fall in der Schweiz war, bei dem ein jüdischer Bürger einzig wegen seiner religionszugehörigkeit ermordet wurde. Natürlich sucht sich ein Schriftsteller einen Stoff aus der ihm eine gewisse Aufmerksamkeit garantiert, also wird das Buch kaum aus selbstlosen Motiven geschrieben worden sein (ausserdem liebt jeder Autor Skandale um seine Werke, denn das fördert den Absatz). Und natürlich hat eine Ortschaft in der solches Geschehen konnte kein Interesse daran, dass man solch schmutzige Wäsche wieder aus dem Keller holt. Aber ich denke da ist Payerne nicht alleine. Jenseits der Schweizer Grenzen gibt es vermutlich noch sehr viele Keller mit viel schmutziger Wäsche, über die man heute nicht mehr gerne spricht.

Drei der Beteiligten wurden 1943 zu lebenslänglich Zuchthaus verurteilt, ein minderjähriger Mittäter und ein Helfer wurden zu 20 und zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Pfarrer konnte (mit deutscher Hilfe) fliehen, wurde aber 1947 für seine Rolle in diesem Fall zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Täter wurde Ihrer Strafe zugeführt. Was bleibt ist der bittere Geschmack einer abscheulichen Tat aus verwerflichen Motiven. Sie mahnt dazu wachsam zu bleiben, denn es gibt noch heute genug Wirrköpfe die andere Menschen umbringen möchten, bloss weil sie anders sind.

Auch heute geschehen täglich Morde und es stehen oft nicht mehr als zwei Zeilen in den Zeitungen, da hat sich nicht viel geändert.


In der Tat geschen auch heute täglich Morde, aber nicht in der Schweiz und nicht aus derartigen Motiven. Doch ich gebe Voltigeur insofern recht, dass es nichts neues ist. Wen es interessiert hat, konnte die Fakten schon vor Jahrzehnten in Erfahrung bringen. Mir war der Fall schon lange bekannt, weil er in seiner widerwärtigen Art einzigartig ist. Der Schriftsteller hat nichts zu Papier gebracht was mich überrascht. Dies umsomehr weil ich kein Freund von Romanen bin. Ein Roman ist heute ein populärer Weg um Fiktion und Fakten vermixt und profitabel zu publizieren. Ich halte mich da an Sachbücher. Aber de gustibus non est disputandum...
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Beitragvon Seegras am Sa 17 Jan, 2009 16:44

Ich seh nicht was das Problem ist. Ich sehe nicht ein warum man da dem Autor irgendwas unterstellen sollte. Ist doch ein spannendes Thema; und in dem Fall eines das den Autor auch noch selbst betroffen hat.

Im übrigen gibts auch schon einen Roman der vor dem Hintergrund der Judenpogrome von 1348 in Basel spielt.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... smuller-21
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Beitragvon elias am So 18 Jan, 2009 06:29

Die Publikaktion hat eben schon eine gewisse Wichtigkeit für unser Geschichtsvertändnis.

Einerseits macht es auch Nicht-Sachbuchverständigen den Umstand klar, dass diese Tat bei uns vor der Haustüre geschehen konnte. Andererseits ist in diesem Zusammenhang auch sehr interessant, dass dies in der Schweiz eben ein Einzelfall gewesen ist.

Beide Tatsachen sollte man sich in Erinnerung rufen.
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Beitragvon gijoe am So 18 Jan, 2009 07:00

Zum Glück lehnte das Schweizer Volk faschistische und nationalsozialistische Ideen ab und die Fröntler blieben immer eine unbedeutende Minderheit .
Zum anderen würde ich gerne " Panzeschrecks" Meinung dazu hören !!
Als Darsteller einer, nach 1943 politisierten Truppe, die für viele Morde in der eigenen Bevölkerung verantwortlich ist, hat er diesen Artikel sicherlich nicht grundlos eingestellt. Vermutlich soll es aussagen das politisch motivierte Morde auch in der Schweiz stattfanden. Glücklicherweise war das Morden hierzulande nie staatlich organisiert.
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Beitragvon troupier suisse am So 18 Jan, 2009 08:17

Als Darsteller einer, nach 1943 politisierten Truppe, die für viele Morde in der eigenen Bevölkerung verantwortlich ist, hat er diesen Artikel sicherlich nicht grundlos eingestellt. Vermutlich soll es aussagen das politisch motivierte Morde auch in der Schweiz stattfanden.


Das kann sein, oder auch nicht. Du verwendest den Terminus "vermutlich" weil es sich um eine Vermutung Deinerseits handelt und nicht um ein belegbares Faktum. Und solange nichts zu beweisen ist, gilt die Unschuldsvermutung. Panzerschreck hat hier einen Beitrag eingestellt, dessen Thema von zeitgeschichtlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung für die Schweiz ist. Er hat zweifellos Mühe in die Recherche investieren müssen, da damals dergleichen geartete Exzesse in der Schweiz eine grosse Seltenheit waren.

Aber auch dieser Einzelfall verlangt danach aufmerksam betrachtet zu werden, weil die finsteren Abgründe dahinter uns bis heute im Gedächnis bleiben sollten. Für den grossen Teil des Forums ist es absolut egal wieso Panzerschreck den Thread eingestellt hat, denn das Thema an sich ist für die meisten der wesentliche Faktor.

Selbst wenn hinter dem Posting dieses Threads eine Absicht im angedeuteten Sinne stecken sollte, so würde diese Message sowieso nur einen sehr begrenzten Kreis von Leuten hier überhaupt ansprechen, und beim Rest der Mitglieder kläglich verpuffen weil das Wissen um die angebliche tiefere Absicht fehlte.

Daher würde ich es begrüssen, wenn dieser Thread sich auf seine eigentliche Thematik beschränkt, und nicht in persönliche Anfeindungen mündet. Die Geschehnisse sind nämlich real und es wert angemessen ernsthaft diskutiert zu werden.
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Beitragvon gijoe am So 18 Jan, 2009 10:43

Wenn jemand einen fremden Beitrag zitiert und den ohne eigene Aussage stehen lässt , wirft sich für mich die Frage auf was die Person damit sagen will.
Auch wenn die Absicht vermutlich beim Rest er Mitglieder im Raume vepufft gibt es einen kleinen, mit den Fakten vertrauten Keis der an der persönlichen Meinung eines Darstellers eines politischen Verbandes zu einem solchen Thema interessiert ist .
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