Basler Kantonstrennung 3. August 1833

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Beitragvon troupier suisse am Mo 04 Aug, 2008 20:44

Bin zwar einen Tag zu spät dran, aber am 3. August 1833, also vor 175, fand die Basler Kantonstrennung zwischen Stadt und Land in einem kläglichen Feldzug der Truppen der Stadt ihren blutigen Höhepunkt.

Bild

Und auch wenn in beiden Basel immer wieder von der Hülftenschanze die Rede ist, so wurde an jenem 3. August gar nicht dort gekämpft. Vielmehr war die Schanze Greingrube vor Frenkendorf Schauplatz mehrfacher Sturmangriffe der Basler Standeskompanie, die von den Baselbieter immer wieder zurückgeschlagen wurden. Mehr dazu gibt es unter:

http://www.altbasel.ch/dossier/huelften ... intro.html
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Beitragvon Hagelhans am Di 05 Aug, 2008 17:43

Nach einer genauen Durcharbeitung Deines Berichtes zu den Vorgänge a 3.August 1833 bleibt mir nur zu sage: Glücklich die Stadt, die solch einen Historiker hat!
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Beitragvon troupier suisse am Di 05 Aug, 2008 18:10

Meine Güte, Du hast alles gelesen? Man reiche dem Mann ein Glas Cognac und eine Zigarre. Das Zusammentragen der Chronologie und das Verarbeiten hat etwa drei Jahre beansprucht. Aber die Tatsache dass einer meiner Vorfahren direkt involviert war (der Prattler Fassbinder der in dem Moment aus dem Taglicht seines Hauses sah, als eine Muskenkugel dort reinzischte) war zusätzlich motivierend. Nach Deinem überaus positiven Feedback werde ich mir nie mehr die Augen waschen, mit denen ich es gelesen habe.
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Beitragvon Napoleon am Di 05 Aug, 2008 19:05

Tja, so ist er halt. Zumindest ist das ganze Politisch gesehen auch neutral genung, anders als die Herren von Links bis Rechts.
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Beitragvon Hagelhans am Di 05 Aug, 2008 21:51

Dies ist wohl eine der geauesten Beschreibungen einer Schlacht auf Schweizer Boden in neuerer Zeit die ich je gelesen habe. Um es durchzulesen brauchte ich fast so lange wie die tatsächlichen begebenheiten. Die ganzen Lagepläne und Fotos. Die Hintergrund Informationen zu den beteiligten Personen. Grandios!

Du solltest dies in Broschürenform herausgeben. Die Stadt und die Landgemeinden müssen doch solche Arbeit zu würdigen wissen und z.B. in den Gemeindekanzleien zum kauf anbieten.
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Beitragvon troupier suisse am Mi 06 Aug, 2008 07:16

Nochmals danke für das Feedback. Ich habe mich von Cornelius Ryan inspirieren lassen, dessen militärhistorische Darstellungen (zB "Der längste Tag", der später verfilmt wurde) das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln zeigt. Im Moment steht der Gedanken im Raum, das ganze in ein runterladbares pdf zu fassen oder eine powerpoint-dokumentation davon zu machen.

Ein echtes Problem bei der Thematik ist die Befangenheit die heute auch noch nach 175 Jahren herrscht. Man hat etwa in meiner Baselbieter Heimatgemeinde (auf dem Land) die Objektivität meiner Darstellung schon angezweifelt, weil der älteste Bruder meines Urururgrosssvaters 1833 dort Gemeindepräsident von Gnaden Basels war, und ich daher sowieso ebenfalls automatisch parteiisch zugunsten der Stadt wäre, umsomehr da ich in der Stadt wohne. Da sind immer noch Ressentiments am Leben.
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Beitragvon Hagelhans am Mi 06 Aug, 2008 07:34

Dan liegt der Eindruck, dass es sich bei Deiner Arbeit um ein Werk äusserst obiektiver Neutralität handelt nur in der Tatsache, dass ich dies aus dem Blickwinkel eine seit zwei generationen in Zürich lebenden Bernerers betrachte.
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Beitragvon Napoleon am Mi 06 Aug, 2008 07:57

Da das ganze eine Grössere Diskusion wurde, habe ich diese abgetrennt.
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Beitragvon Parabellum am Mi 06 Aug, 2008 10:07

Die ganze unselige Geschichte geht ja eigentlich noch weiter zurück. Wie alles in der schweizer Historie hat es seinen Ursprung bei Napoleon .... mindestens teilweise:
Nach dem Wiener Kongress wurden ja einige der vorrevolutionären Verhältnisse wieder hergestellt. Aber gewisse Verhältnisse waren halt in einem Ausmass nicht mehr zeitgemäss, dass man sich doch an neue Gebebenheit anpassen musste. In der Nordwestschweiz war es das Fricktal und das Fürstbistum Basel, die einer neuen politischen Ordnung zugeführt werden mussten. Basel war schon 1789 aufgefordert worden das Fricktal an sich zu nehmen. Aber man weigerte sich erfolgreich, da man in dem homogenen reformierten Basler Volkskörper die alt-habsburgischen Katholiken nicht als Fremdkörper aufnehmen wollte. So kam das Fricktal als Fremdkörper zum Aargau und ist dort auch heute noch ein Exotenbezirk nördlich des Jura. Schwieriger wurde es mit dem Bistum Basel. Der Grossteil wurde dem Kanton Bern zugeschlagen. Dies als Kompensation für die Waadt, welche selbständig geworden war. Die Aufnahme der katholischen Bezirke des Jura durch Bern war ein Fehler, so hatte man sich Aerger eingehandelt, der dann in den 60er und 70er Jahren im Jurakonflikt gipfelte.

Nun zu Basel: Ihm wurde nun angetragen, die Teile des Bistums, die nördlich von Angenstein lagen aufzunehmen. Man wand sich und sträubte sich, um schliesslich wiederwilligst doch einzulenken. Das war ein übles Verhängnis. Denn diese Gebiete waren rein katholisch und die Konsequenz war, dass schon bald eine Agitation einsetzte, die sich der städtischen Verwaltung entgegensetzte wo es nur ging. So waren denn auch bei den Unruhen, die der Kantonstrennung vorangingen ein Grossteil der Rädelsführer aus dem unteren Kantonsteil stammende Katholiken, wie die Gutzwiller und Blarer. Im damals sich anbahnenden Kulturkampf war nämlich deren Hoffnung, dass die konservativen Landschäftler die fortschrittlichen Städter dominieren sollten und damit ganz Basel vom freisinnigen Lager ins Lager derer schwenken sollten, die dann später den Sonderbund bildeten.

Diese Rechnung ging aber überhaupt nicht auf.
1. Konnte die Landschaft nicht wie von dieser erhofft die Stadt dominieren. Es war nämlich der Stadtteil, der den Antrag zur Trennung an die Tagsatzung stellte (und nicht wie heute meist fälschlich angenommen die Landschaft). Damit entzog sich die damals einwohnermässig kleinere Stadt der Unterjochung durch die zahlreichere Landbevölkerung.
(Die Trennung wurde übrigens von der Tagsatzung ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt der Wiedervereinigung ausgesprochen - inzwischen kann man davon ausgehen, dass sich Nord- und Südkorea sowie China und Taiwan noch lange vor der basler Stadt und Landschaft wiedervereinen werden....)

2. Die Landschaft wurde dann innerhalb der schweizerischen Polit-Landschaft aber nicht ein katholisch-konservativ dominierter Kanton, sondern ein freisinnig-fortschrittlicher, was die Birsecker Katholiken fürchterlich mopste.

3. Die Stadt, die vor 1833 innerhalb der Schweiz am fortschrittlich liberalen Spektrum politisiert hatte, hoffte beim Konflikt mit der Landbevölkerung auf die Unterstützung der freisinnigen Kräfte. Zu ihrer Enttschäuschung unterstüzten diese aber die Landschäftler. Als Konsequenz davon und aus Verbitterung kapselte sich Basel ab und schwenkte auf die konservative Seite. Dies zeigte sich im Sonderbundskonflikt, bei dem die Basler erhebliche Sympathien für die Sonderbündler hatten und sich an dem Feldzug nur so schleppend beteiligten, dass ihre Artillerie-Halb-Batterie als einzige Unterstützung im Heerlager eintraf, als der Krieg schon vorbei war.

Das wirklich erstaunliche in der Rückschau ist, dass im Baselbiet heute der obere Kantonsteil völlig ablehnend gegenüber der Stadt eingestellt ist, während in den Trennungswirren diese Gemeinden in den Abstimmungen mehrheitlich für Stadt gestimmt hatten. Diese Stimmung ist aber erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts aufgekommen und rührte vor allem daher, dass der Kanton Basel-Landschaft bis in die Mitte des 20. Jahrunderts ein ausgesprochen ärmlicher Kanton war, aus dem man mit Neid auf die Stadt schaute, die sich wirtschaftlich trotz der Trennung sehr erfolgreich entwickelte. Erst als im Verlauf der demographischen Wanderungen viele frühere Stadtbewohner ins untere Baselbiet zogen änderte sich das grundlegend. Der Bezirk Arlesheim wurde zum Vorortgürtel der Stadt und zwischen oberem und unterem Kantonsteil geht eine mentale Trennungslinie, die sich bei Wahlen und Abstimmungen deutlich manifestiert. Das ehedem freisinnige Hinterland ist eine Hochburg der SVP geworden und der untere Kantonsteil ist politisch zwischen grün-rot und farblos-bürgerlich fragmentiert.

Aber eben um nochmals auf meine ursprüngliche These zurückzukommen, wenn sich Basel erfolgreich geweigert hätte, das Birseck aus der Konkursmasse des Fürstbistums anzunehmen und dieses z.B. bei Solothurn gelandet wäre, dann wäre es wohl kaum zur Kantonstrennung gekommen.
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Beitragvon troupier suisse am Mi 06 Aug, 2008 11:38

Das wirklich erstaunliche in der Rückschau ist, dass im Baselbiet heute der obere Kantonsteil völlig ablehnend gegenüber der Stadt eingestellt ist, während in den Trennungswirren diese Gemeinden in den Abstimmungen mehrheitlich für Stadt gestimmt hatten.


Die Bindung einer ganzen Reihe von Gemeinden im Oberbaselbiet rührte übrigens damals auch daher, dass dort der Anteil jener Haushalte die zum Broterwerb in die Posameterei im Dienste von städtischen Seidenbandherren ziemlich hoch war. Die existenzielle Abhängigkeit dürfte ein wichtiger Grund (wenn auch nicht der einzige) für die Stadttreue der dortigen Bevölkerung gewesen sein. Nach 1833 liessen viele Basler Seidenbandherren auf Stadtboden Fabriken errichten und dort produzieren.


Dies zeigte sich im Sonderbundskonflikt, bei dem die Basler erhebliche Sympathien für die Sonderbündler hatten und sich an dem Feldzug nur so schleppend beteiligten, dass ihre Artillerie-Halb-Batterie als einzige Unterstützung im Heerlager eintraf, als der Krieg schon vorbei war.


Das späte Eintreffen war übrigens nicht die Schuld der Basler Batterie. Sie wurde der II. Division zugeteilt, und diese kam im Rahmen des Feldzugs schlicht nicht zum Kampfeinsatz sondern agierte eher als Manöviermasse. Der Kommandant dieser Division war übrigens der Basler Johannes Burckhardt, der am 3. August 1833 die Basler Standeskompanie führte und an der Schanze Griengrube verwundet wurde. Unter seinem Kommando standen 1847 zwei Jäger-Kompanien von Baselland unter Major Karl Kloss. Das war eben jener Pole der 1833 bei der Baselbieter Batterie an der Hülftenschanze dabei war, und einem Basler Soldaten beim Roten Haus das Leben rettete.

Ironie der Geschichte. 1847 marschierten jene Männer in der Schweiz gemeinsam in den Krieg, die sich 1833 noch als Feinde im Kampf gegenüber standen. Währenddessen kämpften 1847 in den USA noch jene Männer gemeinsam im Krieg in Mexiko, die sich 1861 als Feinde im Sezessionskrieg gegenüber stehen sollten.

Die Basler Artillerie war 1847 übrigens ein Hort des liberalen Denkens (man fand sogar Radikale unter den Kanonieren). Die Basler 12pfünder Batterie 14 drängte bei General Dufour darauf, zum Krieg aufgeboten zu werden, obwohl die Basler Regierung alles tat um keine Truppen senden zu müssen. Als die Basler Batterie ins Feld zog, wurde sie in Liestal durch Baselbieter Train ergänzt.

Ein bis heute ein oft ignorierter Fakt bei den leidenschaftlich angeheizten Diskussionen zur Hülftenschanze in Stadt und Land, ist der Umstand dass unter den Gefallenen der Truppen der Stadt nur ein kleiner Teil effektiv Bürger der Stadt Basel waren. Zum einen finden sich da sehr viele Männer aus der ganzen Schweiz, die überwiegend Berufssoldaten in der Standeskompanie von Basel waren. Zum anderen stösst man aber auch auf eine ganze Riehe von Leuten von der Basler Landschaft; also Männer vom Land die in der Stadt arbeiteten und lebten und mit der Basler Miliz gegen ihre eigenen Landsleute ins Feld zogen. Der effektive Anteil an Basler Bürgern unter den Toten der Stadt liegt bei weniger als 20%:

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