Paul Bäumer - Die reale Person hinter der Romanfigur
Der Zahnarzt des Schriftstellers
Der Roman "Im Westen nichts neues" gehört zur gepflegten Allgemeinbildung, und wer ihn gelesen hat kennt der Hauptprotagonisten Paul Bäumer, der 1916 mit kaum 18 Jahren von der Schulbank weg an die Front kommt um schliesslich kurz vor Kriegsende zu fallen. Aber weniger in der Allgemeinbildung bewegt sich die reale Figur die Erich Maria Remarque im Sinn hatte als er seinen Romanhelden mit einem Namen bedachte.
Remarque (eigentlich Remark) hatte einen Zahnarzt, und der hatte vor dem Krieg seine Ausbildung zum Zahntechniker eben erst beendet. Geboren wurde der Mann am 11.Mai 1896 in Meidrich (seit 1905 der Stadt Duisburg einverleibt). Er interessierte sich sehr für die Luftfahrt und war im Besitz des Pilotenscheins als er sich 1914 als Kriegsfreiwilliger meldete und die ersten Jahre des Weltkriegs bei der Infanterie verbrachte.
Unser Zahnarzt war also gleich alt wie Remarques Hauptprotagonist als er sich freiwillig meldete, und wie dieser kannte er den Grabenkrieg an der Westfront. Aber dies mag Zufall sein und dürfte sich tausendfach wiederholt haben. Kein Zufall ist aber der Name des Zahnarztes; er hiess nämlich Paul Bäumer (genauer Paul Wilhelm Bäumer). Remarque setzte seinem Dentisten ein kleines Denkmal indem er seiner Romanfigur dessen Namen gab.
Die reale Person Paul Bäumer
Der echte Paul Bäumer diente im rheinischen Infanterie Regiment 70, welches zur 31. Division gehörte. Seine ersten Fronteinsätze führten ihn nach Lothringen und an die Somme, wo das Regiment lag bis es im Januar 1915 in den Osten verlegt wurde. Dort focht das Regiment unter anderem bei der Winterschlacht in Masuren. An der Ostfront wurde Bäumer am linken Arm verwundet. Nach seiner Genesung kam er im Oktober 1916 als Instruktor zum Flugpark I.
Als "Im Westen nichts Neues" im November 1928 publiziert wurde, war der echte Paul Bäumer schon über ein Jahr tot. Den Krieg hatte er im Gegensatz zu seinem namentlichen Alter ego überlebt, aber sein Hobby sollte ihn schliesslich das Leben kosten. Dabei hatte es ein Jahrzehnt zuvor dazu beigetragen ihn aus den Schützengräben aufs Flugfeld zu führen. Im Februar 1917 zum Gefreiten befördert, kam Bäumer Ende März selben Jahres zur Fliegerabteilung 7.
Albatros-Pilot bei den Jastas 5 und 2
Wenig später erfolgte Bäumers Beförderung zum Unteroffizier. Am 15.Mai erhielt er das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen. Nach seiner Gefechtspilotenausbildung wurde er mit einem Schlag zu den Assen seiner Tage gesteckt, er kam zur Jagdstaffel 2 von der noch die Rede sein wird. Der Ruhm war kurz, denn nur zwei Tage später wurde Bäumer zur Jasta 5 umgeteilt. Dort musste er sich seine Sporen mit einer Albatros D V. abverdienen.
Computeranimation der Albatros D III. mit diversen Beispielen der individuellen Bemalungen verschiedener Albatros-Asse:
http://www.youtube.com/watch?v=odCccQaM ... re=related
In der Jasta 5 flog Bäumer zusammen mit Werner Voss, der im selben Monat zur Staffel gestossen war und zuvor der legendären Jasta 2 angehört hatte, die bis zu dessen Tod im Oktober 1916 von Oswald Boelcke geführt, und später nach ihm benannt wurde. Schon im Juli erhielt Voss das Kommando über eine andere Jasta, und im selben Monat erzielte Bäumer seine ersten Abschüsse. Am 12.Juli schickte er um 10.10 Uhr über Nurlu einen Beobachtungsballon in Flammen zu Boden.
Zwei weitere Ballonabschüsse am 13. und am 15.Juli folgten über St.Quentin. Bäumer bemalte seine Albatros mit einem Edelweissmotiv, was ihm den Spitznamen Blumenheinrich (nach einem bekannten Blumenhändler) einbrachte. Nicht zu Verwechseln mit dem Edelweiss auf der schwarzen Albatros von Otto Kissenberth, Jasta 23b. Bäumers Maschine hatte dagegen ein grünes Heck, einen roten Rumpf und ab der Kanzel eine gelbe Spitze.
Paul Bäumers erster Ballonabschuss, gut zu sehen die Bemalung seiner Maschine
Von der Albatros zum Fokker-Dreidecker
Nach seinen drei ersten Erfolgen in kurzer Zeit wurde Bäumer zur Jasta 2 umgeteilt, wo schon sein Kamerad Voss gedient hatte, und in der auch Manfred von Richthofen gefolgen war, bis er im Januar 1917 die Jasta 11 übernommen hatte. Am 9.September 1917 schoss Paul Bäumer über Mannessvaere mit einem zweisitzigen britischen Bomber R.E.8 seine erste feindliche Maschine ab. Elf Tage später folgte der erste feindliche Jäger.
Über Ramskapelle schoss Paul Bäumer am 20.September um 15.10 Uhr eine britische Sopwith Camel mit Nummer B3906 der 9th Squadron ab. Insgesamt flog Bäumer bei der Jasta 5 als auch bei der Jasta 2 drei Albatros-Maschinen mit den Nummern 4409/17, 4430/17 und 5410/17. Mit ihnen erzielte er total 18 Abschüsse. Danach wechselte er zur berühmten Fokker DR.I, dem Dreidecker mit dem auch Manfred von Richthofen seine Triumphe in der Luft feierte.
Seine Fokker mit der Seriennummer 204/17 war am 12.Januar 1918 ausgeliefert worden, in einem wechselnden Grünton bemalt und hatte ein schwarzes-weisses Heck und schwarze Flügelspitzen. Paul Bäumer bekleidete mittlerweile den Rang eines Vizefeldwebels und schoss am 9.März 1918 seine erste Feindmaschine mit dem Dreidecker ab, eine britische Sopwith Camel der 65th Squadron. Bäumer bevorzugte den Kampf nah am Gegner, und dazu war seine Fokker ideal.
An jenem 9.März griffen Bäumer und vier seiner Staffelkameraden eine Gruppe Sopwiths über Becelaere in einer Höhe von 6000 Fuss an. Im folgenden Luftkampf fielen die Kampfmaschinen auf eine Höhe von 4500 Fuss, wo Bäumer schliesslich gegen zehn nach Elf eine der gegnerischen Maschinen abschoss. Wenige Wochen danach errang er seinen 20. Luftsieg der zugleich der 200. Abschuss der Jasta 2 war. Paul Bäumer war mittlerweile zum Leutnant befördert worden.
Vom Fallschirm gerettet
Neben dem Dreidecker 204/17 flog Bäumer in jenen Tagen auch einen anderen mit der Nummer 209/17 und es ist nicht auszuschliessen dass er manchmal wieder die gewohnte Albatros flog. Am 29.Mai wurde seine Fokker 204/17 im Kampf schwer beschädigt und er verletzt. Nach der Fokker flog Bäumer eine Pfalz D VIII, mit der er schliesslich im Kampf abgeschossen wurde. Bäumer konnte sich mit dem Fallschirm retten, und gehörte zu den ersten damit.
Obschon er einer der ersten Piloten war die vom Fallschirm profitieren konnte, kam er nicht ohne erneute Verwundung davon. Mit der Pfalz errang er keinen Luftsieg. Erst im September konnte er seinen Dienst wieder aufnehmen und flog seine weiteren Einsätze mit einem Doppeldecker Fokker D VII. Vom 5.September (R.E.8 südlich Dounai) bis 9.Oktober (Bristol F.2b über Presau) schoss Paul Bäumer 21 weitere Feindmaschinen ab.
Als kleine Dreingabe ist unter diesem Link ein ausdruckbarer Bastelbogen einer Fokker D VII. von Fiddlersgreen zu finden:
http://www.aerofile.info/fokkerd7/d7html/pprmodel.htm
Die leistungsstarke Fokker D VII. wurde übrigens als einziges Flugzeug konkret in den Waffenstillstandsbedingungen von 1918 genannt - alle Modelle dieses Typs sollten den Alliierten ausgeliefert werden. Einige Exemplare gingen sogar in die Schweiz wo sie während der 20er und frühen 30er Jahre Dienst bei der Flugwaffe taten.
Nach dem Krieg von der Schweizer Flugwaffe übernommene Fokker D VII
Insgesamt brachte es Paul Bäumer auf 43 Abschüsse und rangierte damit unter den deutschen Piloten an 9. Stelle hinter Manfred von Richthofen. Man gab Bäumer den Beinamen "Eiserner Adler". Als Vizefeldwebel erhielt er am 12.Februar 1918 das Goldene Militärverdienstkreuz verliehen, und nur neun Tage vor Kriegsende wurde er als Leutnant mit dem Pour le Merite, dem berühmten "Blauen Max" ausgezeichnet. Nur fünf deutsche Kampfflieger wurden im Ersten Weltkrieg Träger beider Auszeichnungen.
Nach dem Krieg
Als der Krieg vorbei war, arbeitete Paul Bäumer als Zahnarzt, aber auch eine Weile bei Blom & Voss. Die Liebe zur Luftfahrt liess ihn aber nicht mehr los, so gründete er im November 1922 in Hamburg die Firma Bäumer Aero GmbH. Ein erfolgreiches Produkt seines Unternehmens was der zweisitzige Tiefdecker Sausewind, dessen Konstruktion auf hohe Geschwindigkeit ausgelegt war. Bäumer war auch Fluglehrer von Thea Rasche.
Da Bäumers Firma knapp bei Kasse war, befand sich das Flugzeug mit dem Thea Rasche ihre Pfürfungsstrecke fliegen musste in schlechtem Zustand. Bei einer Zwischenlandung musste sie die Benzinpumpe und die Verkabelung reparieren. Und obwohl auch noch schlechtes Wetter war, bewältigte sie die praktische Prüfung und erhielt im November 1925 ihren Pilotenschein. Gleich darauf machte sie als erste deutsche Frau den Kunstflugschein.
Bäumers Tod
Für die dänische Filiale der Berliner Rohrbach-Werke machte Paul Bäumer im Juli 1927 Testflüge mit einer Maschine Typ Rofix auf dem Flughafen Kastrup bei Kopenhagen. Nach einem Motorausfall stürzte die Rofix mit so hoher Geschwindigkeit in den nahen Öresund, dass sie sich mehrere Meter unter dem Wasserspiegel in den Sundgrund bohrte, wobei Bäumer ertrank. Sogar in den USA berichteten die Zeitungen "German Ace Dies in Stunt Flight".
Nachruf von Thea Rasche (nicht "Theo" wie dort geschrieben):
http://www.histaviation.com/Baumer_Aero_GmbH.html
Unter grosse Anteilnahme wurde der "Eiserne Adler" auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf beigesetzt, wo man heute sein Grab H6/188 noch finden kann. Tausende folgten seinem Sarg; sein Grab zierte erst ein Propeller. Später wurde eine Kreuzsäule mit zwei wachenden Adlern errichtet, sie erinnert heute an den Flieger. Ein literarisches Andenken schuf ihm indes Erich Maria Remarque, indem er den tragischen Helden seines Bestseller-Romans nach dem Zahnarzt und Flieger benannte - Paul Bäumer.