Schwierige Charakter strafen sich selbst
Ulrich Ochsenbein, 1811-1890
Lasst mich erzählen von einem der, getrieben von seinem schwierigen Charakter, den Kreis seiner Freunde und Weggenossen fortwährend lichtete und im Gegenzug das Heer seiner Feinde dank seiner pathologischen Verbohrtheit mehrte, um schliesslich als zorniger Rübezahl zu enden, der ab und zu auf sich aufmerksam machte in dem er in öffentlich über seine früheren Mitstreiter herzog. Er endete als einsamer Kämpfer wider Windmühlen.
Ulrich Ochsenbein erblickte das Licht der Welt am 24.November 1811 im bernischen Schwarzenegg. Er war vieles in seinem unruhigen Leben und begann als Jurist um aber auch in die Politik einzusteigen. Ein Hang zum Martialischen trieb ihn ferner zu einer militärischen Karriere, deren erster Höhepunkt 1845 die Erhebung zum Hauptmann im Generalstab war. Als radikal gesonnener Heissporn führte er den zweiten Freischarenzug 1845 nach Luzern.
Das Unternehmen endete kläglich mit einem Scharmützel in Malters, aber Ochsenbein erstrahlte danach trotz des Misserfolgs als Held der ausgezogen war um das "konservative Jesuitenregime" Luzerns zu brechen. Zu jener Zeit hatte er Einsitz im bernischen Parlament und 1846 bis 1848 sass er gar in der Regierung. Als Vertreter Berns sass er 1846/47 während der Krise um den Sonderbund sogar der Eidgenössischen Tagsatzung vor. So weit so gut.
Als der Sonderbundskrieg im November 1847 schliesslich kam, hoffte Ochsenbein auf die Rolle des Generals um die eidgenössischen Truppen gegen die verhassten Konservativen zu führen. Schmerzlich war die Erkenntnis, dass man ihn wegen seines Auftritts als Freischarenführer 1845 nicht in der Armeespitze haben wollte. Er, der der Sache so sehr gedient hatte - ihn wollte man jetzt nicht auf der militärischen Chefetage haben. Undankbare Welt.
Ochsenbein wäre nicht Ochsenbein wenn er nicht noch irgend ein Türchen gefunden hätte, um doch noch den Säbel als Heerführer zu schwingen. Er durfte nachdem alle anderen Divisionen vergeben waren, an der Spitze der Berner Reservedivision in den Krieg ziehen, und führte diese durch das Entlebuch nach Luzern. Seine politische Laufbahn hatte ihm den grossen Sprung in den Rang eines Oberst ermöglicht, aber oh Weh, Signor Ochsenbein fehlte ein Stück zum Glück.
Zwar durfte er den Zweispitz eines Obersten tragen, aber man versagte ihm schmählich den Federbusch den Generalstäbler an ihrem Hut hatten, da er ja nur gewöhnlicher Oberst war. Solche kleinen Äusserlichkeiten tun der Seele des Selbstdarstellers weh. Ochsenbeins Verdienste bei der Schaffung der Bundesverfassung seien der Fairness halber hier genannt und gewürdigt. Den Zenith seines Ruhms erlangte er mit der Wahl in den Bundesrat am 16.November 1848.
Nun begann auch schon wieder der Absteig, denn egal wohin sich ein schwieriger Charakter wendet, er kommt sich schlussendlich immer selbst in die Quere. Als freisinniger Bundesrat übernahm er seinem martialischen Hang entsprechend das Militärdepartement. Krankhaft depressive Züge oder auch seine Abneigung Beschlüsse einer Mehrheit zu akzeptieren machten ihm sein Amt nicht leicht. Flatterhaft wechselte er dann auch noch die politische Richtung.
Kam er einst als heissblütiger Kämpfer aus dem radikal-liberalen Lager, biederte er sich plötzlich bei den Konservativen an. Dabei mag die Tatsache eine Rolle gespielt haben, dass er sich mit seinen früheren Parteifreunden, etwa Jakob Stämpfli, zerstritten hatte. Wenn einer Streit mit allen kriegt, sollte man eigentlich meinen er müsste anfangen sich selbst zu hinterfragen. Unser tragischer Heros indes, wechselte einfach die Fronten um sich neue Freunde zu suchen.
Die hohe Politik ist da aber ein gnadenloses Parkett. Wenn man erst einmal auf der grossen Bühne bewiesen hat, wie locker man mit Freundschaft und Loyalität jongliert wenn es um das eigene Befinden geht, dann wissen bald alle wie zuverlässig ein solcher Laveur ist. Das Resultat der Ränkespiele machte Geschichte. Ulrich Ochsenbein wurde bei den nächsten Bundesratswahlen nicht im Amt bestätigt, also quasi abgewählt, und musste am 31.Dezember 1854 seinen Stuhl räumen.
Ulrich Ochsenbein war der erste Bundesrat der so aus seinem Amt schied. Er hatte es sich praktisch mit allen wichtigen politischen Lagern verscherzt und sass nun zwischen den Stühlen. Auf seinem Landgut in Nidau lebte er zurückgezogen in seinem Groll über die Welt voller Judasse und Brutusse. Ein Wiedereinstieg in die Politik mit der konservativen bernischen Volkspartei scheiterte mehrfach bereits bei der Kandidatur. Zuweilen meldete er sich in Zeitungen zu Wort, um frühere Weggefährten anzugiften.
Sein fernes Gezeter fand aber nicht das erhoffte Echo. Um sich ein wenig zu trösten, bot er sich als Offizier dem Heer Napoleons III. an. In der Zeit des Krimkrieges erlangte er beinahe den Rang eines Brigadegenerals. Endlich winkten ihm die Lorbeeren die ihm wegen des fehlenden Buschs am Hut früher irgendwie verwehrt blieben. Doch Ungemach - der Krimkrieg war zuende bevor Ochsenbein richtig mit dem Säbel rasseln konnte. Spätes Glück war der Generalsrang im Deutsch-französischen Krieg 1870/71.
Viel am für Frankreich blamablen Kriegsverlauf änderte er allerdings nicht. Einst im November geboren, verstarb er am 3.11.1890 in einem solchen. Mit Ulrich Ochsenbein verliess ein unruhiger Geist diese Welt, der viel bewirkt hatte und dem die Schweiz auch einiges verdankt, aber dessen persönliches Unglück seine Quelle hauptsächlich in seinem gleichermassen schwierigen wie schwankendem Charakter hatte - ein Typus der nebenbei erwähnt nicht ausgestorben ist.
Zu Ochsenbein im Bundesrat: http://www.admin.ch/ch/d/cf/br/2.html
P.S. 17.10.07: Und noch ein Link: Ulrich Ochsenbein, das Goldvreneli und eine amoureuse Blamage