WWI Dreisprachenspitze - Umbrail, 1915-1918

Alles über die Geschichte. Von der Antike bis zur Neuzeit

Moderatoren: troupier suisse, Hagelhans

Beitragvon Alpino am Sa 13 Okt, 2007 20:55

dustoff hat geschrieben:Gutes Bild ... wo bleibt ein Kommentar von unserem Alpino zu diesem Thema .... :-s


Hallo da bin ich!

Sorry, habe diese Topic erst jetzt gesehen.

Sehr interessante Infos troupier suisse. Gewisse Details waren mir nicht bekannt, obwohl der erste Weltkrieg mein, na ja sagen wir „Fachgebiet“ ist, und ich die Gegend um das Stilferjoch schon mehrmals besucht habe. In dieses Teilthema muss ich mich noch vertiefen. Kannst du mir bitte die Quellen angeben, wo du die Infos gefunden hast.

Meines Wissens durften die Italiener nicht über Schweizer Gebiet schiessen. Das hätte grosse diplomatische Verstrickungen zur Folge gehabt. Diese Information habe ich aber nicht selber nachgelesen, sonder sie wurde mir erzählt. Genau so verhält es sich mit der Info, dass das Hotel Dreisprachenspitze im zweiten Kriegswinter durch einen Brand zerstört wurde und nicht durch ein italienisches Bombardement. Aber wie gesagt, ich habe es nicht selber nachgelesen. Alle anderen Angaben von troupier suisse kann ich nur bestätigen.

Hier noch die Bilder von der Dreisprachenspitze, welche ich auf meiner Seite veröffentlich habe: http://www.i-a-1915-1918.com/dreisprach ... tour_1.htm

Und hier diejenigen vom Lagetto Alto, welcher ebenfalls von toupier suisse in seinem Beitrag erwähnt wurde http://www.i-a-1915-1918.com/laghetto_a ... tour_1.htm

Weitere Bilder von den Schweizer Befestigungen am Umbrail Pass können unter den folgenden Links eingesehen werden (vielleicht habt ihr sie euch aber schon angeschaut, ich hab sie schon in einem anderen Topic erwähnt):

http://www.i-a-1915-1918.com/alp_muraunza_1.htm
http://www.i-a-1915-1918.com/umbrail_mi ... itze_1.htm
http://www.i-a-1915-1918.com/ch_lagerleben_1.htm
http://www.i-a-1915-1918.com/ch_lagerleben_1.htm

Saluti

Alpino
Benutzeravatar
Alpino
Grande Guerra


Beiträge: 255
Registriert: So 29 Jul, 2007 12:00
Wohnort: Kanton Zürich

Beitragvon troupier suisse am Sa 13 Okt, 2007 21:30

Und mittlerweise habe ich auch den angekündigten Bericht eingetippt, der ein interessantes Detail zur Situation an der Dreisprachenspitze offenbart, den Handel mit Souvenirs:

Erinnerungen von Hauptmann Hermann Ritter, Adjutant des Gebirgs Infanterie Regiments 35 der Schweizer Armee

"Jeden Abend, wenn wir vom Schanzen am Umbrailhang über die neunzehn Wegkehren zur Dreisprachenspitze zurückkehrten, fand dort nach dem Hauptverlesen am Grenzdraht ein eigenartiger Tauschhandel zwischen unseren Soldaten und den auf dem gleichen Felsplateau hausenden Österreichern statt, im Soldatenjargon "Schrapnelllbörse" genannt. Zollorgane, an die wir uns zwecks Entrichtung von eventuellem Zoll hätten wenden können, waren keine zur Stelle, vielmehr beidsteist mindestens 14 Kilometer entfernt. Auch war den Handel geringfügig, und die Angelegenheit ist jetzt verjährt, so dass man getrost davon berichten darf.

Österreichischerseits wurden italienische Schrapnells und Granaten im Kaliber 7,5 bis 15 Zentimeter zum Kaufe angeboten, oft auch Blindgänger, die unter Lebensgefahr von den Soldaten tagsüber aus dem Schnee ausgegraben worden waren. Die Preise für das Stück schwankten je nach Grösse, Erhaltung und Gefahrenmoment, vor allem aber entsprechend der Heftigkeit des täglichen Artillerieduells und der Schneehöhe zwischen 1 bis 12 Franken Warenwert, da nicht in Geld, mit dem der andere Teil dort oben nichts anfangen konnte, sondern stets in Waren bezahlt, will sagen getauscht wurde. Wir zahlten in Schokolade und Stumpen, die Österreicher in Schrapnells und Tabak, zumal sie einen Teil ihres Soldes in Form eines Tabakration erhielten.

Da sich im bunten Ablösungswechsel nicht nur Tiroler Landsturm, sogenannte Standschützen, dort befanden - die eigentlich für diesen Abschnitt bestimmten Kaiserjäger waren längst in Galizien verblutet -, sondern auch ungarische Honveds, Kroaten und serbisch sprechende Österreicher, so hatten unsere braven Mannen oft ihre liebe Not, sich einigermassen zu verständigen.

Anfänglich wurden die an dieser höchstgelegenen Börse Europas eingehandelten Kriegserinnerungen - Blindgänger erst nach Unschädlichmachung - mit der Feldpost an die Lieben daheim versandt. Da es sich hierbei aber um Stücke im Gewichte vieler Kilo handelte, verweigerte die Feldpost mit Recht sehr bald den Transport dieser Geschosse. Wem es von da an nicht gelang, seine Schrapnellhülse einem Urlauber aufzubuckeln, der musste sie bis zum eigenen Urlaub oder gar bis zum Heimmarsche des Bataillons aufbewahren. Wie mancher hat damals im Schweisse seines Angesichts ausser der schweren Kriegspackung noch ein oder mehrere Geschosse über den staubigen Ofenberg zurückgeschleppt! Und dies alles nur, weil die Feldpost nicht zum Transport derartiger Kriegstrophäen missbraucht werden durfte!"



Hier ein Link zur Website "An Unfortunate Region" mit einem ausführlichen Bericht von Oswald Schwitter in Englisch zu den Geschehnissen an der Ortlerfront mit der Dreisprachenspitze:

http://www.xs4all.nl/~aur/layout/frames ... swiss2.htm

Hier noch ein Link zur Website des Rifugio Garibaldi, mit einigen Fotos von der Dreispachenspitze aus der Zeit 1915-1918 und danach.

http://www.rifugiogaribaldi.it/de/storia.htm

Die Quellen stell' ich Dir noch rein, Alpino. Aber jezz geh ich erst mal schlafen.
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt. (Oscar Wilde)
Benutzeravatar
troupier suisse
Site Admin


Beiträge: 2989
Registriert: So 02 Apr, 2006 14:59
Wohnort: schweiz

Beitragvon Alpino am So 14 Okt, 2007 11:43

Hoch interessant dieser Tatsachenbericht!

Hier noch eine Zeichnung, die ich auf einer Infotafel auf dem Piz Umbrai fotografiert habe. Ich finde sie zeigt sehr schön den Handel zwischen den drei Armeen. Der Text beschreibt das ganze noch zusätzlich.


Bild

Danke jetzt schon troupier suisse für die Angabe der Quellen!

Anmerkung der Redaktion. Ich habe Alpinos interessantes Foto der Gedenktafel mit Photoshop perspektivisch zurechtgerückt und vom Fotoserver auf einem anderen Server gestellt, damit es dauerhaft in diesem Beitrag bleibt und nicht nach zwei Monaten wieder verschwindet.

Gruss, troupier suisse
Benutzeravatar
Alpino
Grande Guerra


Beiträge: 255
Registriert: So 29 Jul, 2007 12:00
Wohnort: Kanton Zürich

Beitragvon troupier suisse am So 14 Okt, 2007 14:45

Hier habe ich noch einige Informationen zur Geschichte der militärischen Besetzung der Dreisprachenspitze.

Der Stabschef der Schweizer Armee, Theophil Sprecher von Bernegg, hielt bereits im August 1914 fest dass die Bevölkerung des Münstertales beunruhigt sei, da es jenseits der Grenze bei Bormio Konzentrationen von italienischen Truppen gäbe. Sprecher äusserte den Verdacht, dass die Italiener einen günstigen Zeitpunkt suchten um Österreich anzugreifen und dass dabei Schweizer Territorium im Münstertal betreten werden könnte. Aus diesem Grund gab er Anweisung, den Grenzabschnitt zwischen Dreisprachenspitze und Ponte di Rims beobachten zu lassen.

Vorab wurde eine Kompanie Infanterie ins Münstertal geschickt. Das Armeekommando ordnete am 20.August mit einem Telegramm das Vorschieben starker Aufklärungsabteilungen an, um die Verhältnisse am Stelvio und die Vorgänge an der Grenze zwischen Österreich und Italien beobachten zu können. Die genannte Kompanie bezog in Sta.Maria ihr Kantonnement. Von hier aus wurden die Posten an der alpinen Grenze besetzt. Ab der zweiten Septemberhälfte 1914 bis in den Januar 1915 lagen hier Kompanien des Bündener Gebirgs Infanterie Bataillon 92 vom Gebirgs Infanterie Regiments 36.

In dieser Zeit wurden erste Verteidigungsanlagen gebaut. Mit der Kriegserklärung Italiens an Österreich am 23.Mai 1915 trat der Kriegsfall zwischen den beiden Nachbarn der Schweiz ein. Während italienische Truppen die Gipfel um den Monte Scarluzzo besetzen, richten sich österreichische Einheiten auf dem Massiv um den Ortler ein. Anstelle der abdetachierten Kompanien befahl Generalstabschef Sprecher umgehend die Besetzung des Münstertals mit mindestens einem Bataillon. Je eine ganze Kompanie sollte die Dreisprachenspitze und den Osthang des Piz Umbrail besetzen.

Die beiden Kompanien hart an der Grenze sollten sich zur Verteidigung einrichten. Die Detachemente zuvor waren ja jeweils nur zur Beobachtung dort. Die Schweizer Grenze war vom Rötelspitz über die Dreisprachenspitze bis zum Piz Umbrail durch einen Drahtzaun zu sperren und kenntlich zu machen. Zugleich wurden Genietruppen in die Region geschickt um möglichst rasch Unterkünfte für 500 bis 600 Mann zu schaffen. Es entstanden Baracken die auf Namen wie "Staffelegg", "Langer Fritz", "Seldwyla" oder "Papiermühle" getauft wurden. Letztere diente als Kommandoposten.

Auf der Passhöhe wurden unter anderem ein Lazarett, ein Kiosk und zwei Küchen mit Warenlager eingerichtet. Eine halbe Kompanie konnte praktischerweise im bereits genannten Hotel Dreisprachenspitze untergebracht werden, also unmittelbar an der Grenze. Der Grenzdienst im Hochgebirge war hart. Am 15.November 1915 gerät eine Patrouille unterwegs vom Punta di Rims nach Umbrail Passhöhe in eine Lawine, wobei ein Wehrmann rund 800 Meter mitgerissen wird. In der Nacht vom 4. zum 5.Juli 1916 deckt ein heftiger Sturm Hüttendächer ab und verwüstet Latrinenhäuschen.

Am 1.März 1917 sind fast alle Hütten so tief eingeschneit, dass nur noch die Kamine aus der Schneedecke ragen. Schneetunnel mussten den Zugang sichern. Am 26.Juli 1916 besucht General Ulrich Wille seine Truppen auf dem Umbrail. Um eine reiche Tafel zu bieten, holte man beim Kloster Münster die Genehmigung zum Fischen im Rimersee ein. Die von den Wehrmännern geangelten Forellen wurden beim Diner in der Soldatenstube nach der Inspektion serviert. Da das Wetter schlecht war, verzichtete der General auf eine Visite des Postens Dreisprachenspitze und reiste gegen 15.00 Uhr wieder ab.

Als Quelle empfehle ich:

David Accola, Hans Rudolf Fuhrer
Stilfserjoch-Umbrail 1914-1918
GMS-Schriftenreihe
Heft Nummer 20
1997

Ferner habe ich noch Einzelberichte gefunden in:

"Die Grenzbesetzung 1914-1918, von Soldaten erzählt"

Erschienen 1933 im Verlag Eugen Rentsch, Erlenbach Zürich


Und zur Grenzbesetzung an der Südfront (ab Seite 254):

Daniel Sprecher
Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg
NZZ Verlag
2000
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt. (Oscar Wilde)
Benutzeravatar
troupier suisse
Site Admin


Beiträge: 2989
Registriert: So 02 Apr, 2006 14:59
Wohnort: schweiz

Beitragvon Alpino am So 14 Okt, 2007 17:43

Vielen Dank für die Quellenangabe. Das Buch von David Accola hab ich auch gelesen, ist aber schon eine Zeit her und nicht mehr alle Details sind noch präsent.

Hier noch zwei historische Aufnahme des Umbrail Gebiets, auf dem der Grenzzaun zu sehen ist.



Bild

Bild
Benutzeravatar
Alpino
Grande Guerra


Beiträge: 255
Registriert: So 29 Jul, 2007 12:00
Wohnort: Kanton Zürich

Beitragvon four am So 14 Okt, 2007 20:45

interessante berichte und fotos. habe auch noch einige pics von der südostfront gefunden:

Bild

Bild
Bild

Quelle: Der Winter 1914/15 an der Grenze, Druck und Verlag von Frobenius AG Basel, 1915
"Bleiben wir ruhig - stark - einig. Auf diese Art werden wir freie Menschen bleiben" - Henri Guisan, 11. Mai 1940-
Benutzeravatar
four
Gelehrter


Beiträge: 327
Registriert: Di 07 Mär, 2006 19:13

Vorherige

Zurück zu Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: ichiro [Crawler] und 2 Gäste

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Style by Webdesign www, książki księgarnia internetowa podręczniki