Militärgerichtsfälle aus Sonderbundskrieg und Besatzungszeit

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Militärgerichtsfälle aus Sonderbundskrieg und Besatzungszeit

Beitragvon troupier suisse am Do 23 Aug, 2007 12:40

Militärgerichtsfälle aus Sonderbundskrieg und Besatzungszeit 1847

Heute habe ich endlich eine Dissertation von Bruno Steiger in Buchform zur Militärjustiz im Sonderbundskrieg 1847 erhalten, publiziert 1983. Es ist eine faszinierende Lektüre, denn die offizielle Geschichstschreibung überging solche Details. Eine paar Stilblüten aus der Liste von Militärgerichtsverfahren sei hier mit zusätzlichen Angaben * zu den Einheiten dargeboten.

18.November 1847, Lützelfluh/BE. Korporal Hänggi vom Solothurner Bataillon Mutzinger (* Eidgenössische Nummer 44, Brigade Frey, II.Divison Oberst Burckhardt) zerstritt sich auf dem Marsch mit seinem Feldweibel, von welchem er sich andauernd schikaniert fühlte. Schliesslich setzte Hänggi dem Feldweibel das geladene Gewehr auf die Brust und drohte: "Ich will Dir's schon zeigen!" Als ihm von Kameraden das Gewehr entrissen worden war, zog Hänggi seinen Säbel und drang erneut auf den Feldweibel ein. Hänggi war betrunken. Er wurde umgehend verarrestiert. Das Kriegsgericht verurteilte Hänggi zu zwei Monaten Gefängnis. Eine Begnadigung wurde abgelehnt.


21.November 1847, Affoltern am Albis/ZH, Soldat Brändli vom Zürcher Bataillon Treichler (* Bataillon ausser Linie, Brigade Bernold, V.Division Oberst Gmür) ignorierte offenbar des öfteren Befehle seiner Vorgesetzten, marschierte ausserhalb der Kolonne und "tobte laut". In Affoltern/ZH verliess er zum Beispiel die Kompanie ohne Erlaubnis und verschaffte sich gewaltsam Zugang zum Haus des Gemeindeschreibers, wo er sich mit alkoholischen Getränken eindeckte und unter Zurücklassung der eigenen alten Waffe das neue Gewehr des Gemeindeschreibers mit sich nahm. Brändli war stark betrunken. Später meinte er dazu, er habe geglaubt, es handle sich um eine Wirtsstube. Das Kriegsgericht verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis.


29.November 1847, Aigle/VD, Die beiden Soldaten Steiner vom Berner Bataillon Ganguillet (* Bataillon ausser Linie, Eidgenössische Nummer 62, II.Divison Oberst Burckhardt) verschanzten sich mit ihren Gewehren in der Kirche von Aigle, wo sie im Quartier lagen. Sie beabsichtigten Sergeant Gaugin, den sie als Plaggeist empfanden, einen Denkzettel zu verpassen. Die beiden Soldaten hatten reichlich getrunken. Nach einer provozierten verbalen Auseinandersetzung mit Gaugin fragte der eine Steiner den anderen, ob er nun schiessen solle. Dieser antwortete mit "Ja!". Jakob Steiner schoss. Die Kugel flog knapp am Kopf des Sergeanten vorbei. Später gaben beide zu Protokoll, sie hätten nur einen Spass machen wollen und nicht gewusst, dass die Waffe geladen gewesen sei. Das Kriegsgericht verurteilte die beiden Steiner zu je drei Jahren Zuchthaus. Eine Begnadigung wurde dreimal abgelehnt.


5.Dezember 1847, Roggliswil/LU, Soldat Willlener vom Berner Bataillon Fueter (* Eidgenössische Nummer 18, Brigade Bontemps, II.Divison Oberst Burckhardt) stahl aus dem Rock seines Quartiergebers eine silberne Uhr. - Ausserdem gab Willener zu, in einem Haus sein Ordonnanzgewehr behändigt und einem Unbekannten für 35 Batzen verkauft zu haben; dabei sei er betrunken gewesen. Zu seiner Rechtfertigung brachte Willener vor, er habe sich lediglich auf gütliche Art Schnaps beschaffen wollen. Das Kriegsgericht verurteilte den Soldaten zu acht Monaten Gefängnis. Ein Begnadigungsgesuch wurde abschlägig beschieden.


13.Dezember 1847, Sarnen/OW, Feldweibel Burkhard und Fourier Welti vom Aargauer Bataillon Kalt (* Eidgenössische Nummer 41, Brigade Hauser, III.Division Oberst Donats) wurden beschuldigt, ihrer Truppe Brot und Fleisch im Wert von Franken 7,75 vorenthalten und verkauft zu haben. Das Kriegsgericht verurteilte Burkhard zu zwei Monaten, Welti zu zwei Wochen Gefängnis.
Zuletzt geändert von troupier suisse am Fr 24 Aug, 2007 18:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Hagelhans am Do 23 Aug, 2007 13:50

Und dass waren die Regulären! Wie ging es den wohl bei den Freischarzügen zu und her?
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Beitragvon Napoleon am Do 23 Aug, 2007 14:29

Nachdme ich das hier gelesen habe werde ich ab sofort ein 24Std. Alkoholverbot einführen. :-&
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Beitragvon Parabellum am Do 23 Aug, 2007 14:44

Hier sieht man, wie das früher zu und herging. Es ist schon recht, wenn man sich heute wünscht, der Alkoholkonsum sei zu mässigen. Bis ins 19. Jhdt und teilweise bis ins 20. war es üblich, dass Schnaps, Bier und Wein schon zum Frühstück bzw. statt eines Frühstücks genossen wurde. In der Royal Navy, war Rum überhaupt das einzige Getränk das abgegeben wurde. Wasser wurde damals wegen der Verunreinigung mit Krankheiterregern überhaupt nie getrunken oder dann nur mit kräftig Schnaps desinfiziert. Kinder die schon ab 8 Jahren in der Fabrik arbeiten mussten, bekamen Schnaps, damit sie das Tagewerk überhaupt durchstanden......

Da ist das Bierchen nach Feierabend eine lässliche Sünde!!!
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Beitragvon troupier suisse am Do 23 Aug, 2007 14:47

Je mehr ich im Sonderbundskrieg rumwühle, desto mehr kommt das grosse Staunen über mich. Einer meiner Ururgrossonkel war beim Baselbieter Bataillon Buser (Nr.27) dabei. Allgemein rühmte die offizielle Geschichtschreibung immer wie schnell und sauber dieser Feldzug ablief. Dufours Leistung steht ganz ausser Zweifel, aber seine Armee aus lauter eigensinnigen kantonalen Milizkontingenten hatte grässliche Mängel punkto Ausbildung und Disziplin.
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