Organisation der Schweizer Kavallerie

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Organisation der Schweizer Kavallerie

Beitragvon Traingelo am Sa 04 Aug, 2007 10:24

CH-Militärgeschichte kurzgefasst

Mit der Organisation des Kontingentsheeres 1817 bestand die damalige helvetische Reiterei aus 11 ganzen und einer halben Kompagnien Jägern zu Pferd, gebildet aus Kontingenten der Kantone Zürich, Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau, Thurgau, Waadt und Genf. Die Uniformierung und Ausrüstung war den Kantonen überlassen.

Basierend auf der Militärorganisation von 1850 finden wir 1853 bereits im Auszug 22 Kompagnien Dragoner und 7 ganzen und einer halben Kompagnien Guiden und in der Reserve 13 Kompagnien Dragoner und 8 Halb-Kompagnien Guiden. 1870 veränderten sich die Bestände der Guiden leicht, auf 8 Kompagnien im Auszug und 5 ganze und 3 Halb-Kompagnien in der Reserve. Die Uniform war die im Regelement von 1852 festgelegte Ordonnanz mit Raupenhelm und grünen Fräcken und Hosen.

Grundlegende Neuerungen wurden mit der Militärorgansisation von 1874 eingeführt. Die Einheit bei den Dragonern war nun neu die Schwadron. Die Bestände: 24 Dragoner-Schwadronen à 124 Mann, zusammengefasst in 8 Kavallerie-Regimentern zu 3 Schwadronenen und 12 Guiden-Kompagnien à 43 Mann, alles in allem 3500 Mann.

1899 wurden die berittenen Kavallerie-Mitrailleure eingeführt, die Kompagnie (Nr. 1-4) zu 4 Zügen mit 8 Maxim-Maschinengewehren.

Die Militärorgansisation 1907 bringt die Unterstellung der Guiden auf die 6 Divisionen (je 1 Abteilung zu 2 Kompagnien).

1916 finden wir die 24 Dragoner-Schwadronen eingeteilt in 4 Kavallerie-Brigaden zu 2 Regimentern à 3 Schwadronen, daneben die 12 Guiden-Schwadronen und 8 Mitrailleur-Schwadronen. Der Höchststand mit 6600 Mann ist erreicht.

Mit der Truppenordnung 1925 beginnt der Abbau: die Guiden verschwinden und werden zu Dragonern. Es bleiben 30 Dragoner-Schwadronen und 12 Mitrailleur-Schwadronen, neu kommt eine Radfahrerabteilung zu jeder Kavalleriebrigade, total 6000 Mann.

1936 werden die Leichten Truppen geschaffen, darin enthalten 30 Dragoner-Schwadronen, die Mitrailleur-Schwadronen werden aufgelöst und die Mitrailleure in die bestehenden Schwadronen integriert, total 5000 Mann.

1940 werden die Leichten Divisionen eingeführt mit den Kavalleriebrigaden zu 3 Regimentern zu je 6 Schwadronen.

Die Truppenordnung 1951 bringt eine Reduktion auf 24 Dragoner-Schwadronen und die Unterstellung in die 8 Feld-Divisionen, total 4400 Mann.

Die Truppenordnung 1961 bringt eine weitere Reduktion auf 18 Dragoner-Schwadronen, total 3462 Mann.

Am 5. Dezember 1972 fällt der Entscheid zur Abschaffung der Kavallerie.

P.S. Habe von meinen gottgegebenen Privilegien als Moderator Gebrauch gemacht und drei Flüchtigkeitsfehler im Text ausgemerzt und zur optischen Gefälligkeit ein wenig an der Typo (nicht am Text!) gefeilt. Dieser Text ist derart aufschlussreich, dass es mir ein Anliegen war dass drei verwechselten Buchstaben zu ordnen. Vielen Dank für Deine tolle Arbeit traingelo, ein echter Gewinn für unser Forum. Gruss vom Troupier
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Beitragvon gijoe am Sa 04 Aug, 2007 10:56

Das klärt en paar Fragen !
Mein Grossvater war Mitrailleur bei der Kavallerie und ich konnte mir nie recht vorstellen was ein MG dort soll.
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Beitragvon Traingelo am Sa 04 Aug, 2007 11:09

Bei den berittenen Mitrailleuren waren wir für einmal die ersten die so etwas als fest organisierte Einheiten eingeführt haben (nicht zu verwechseln mit den Fahrenden Mitrailleuren). Die Idee war, möglichst schnell verschieben, Tragpferde (MG und Munition) abbasten, Stellungsbezug, Schiessen und sofort wieder verschieben!
Man entwickelte dazu eine spezielle Lafette, welche auch unter dem Namen "Galoppier-Lafette" bekannt ist.
Später gab es dann die Mitr-Züge in den Schwadronen.
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Beitragvon four am Sa 04 Aug, 2007 11:19

sehr gute und interessante zusammenstellung, besten dank traingelo!
mein vater leistete von 1958-1972 dienst als dragoner in der schwadron 17, natürlich mit seinem eigenen "eidgenossen". auch mein onkel war in der selben schwadron eingeteilt. der 5.12.1972 war für beide ein schwarzer tag; ihr späterer militärdienst - als "hilfspänzeler" - machte ihnen keine freude mehr.....
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Beitragvon Dragoner am Sa 04 Aug, 2007 11:37

Kurze und gute Zusammefassung. Danke Traingelo! Als Kavalleriesammler bin ich immer über solche kleinen "Inputs" froh. Solch kompetentes Fachwissen steigert die Qualität dieses Forums enorm.

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Beitragvon Traingelo am Sa 04 Aug, 2007 16:09

Danke für die Blumen Four, Dragoner und Troupier (speziell auch noch für die Redigierung des Textes). Ich bin der Meinung, dass das Sammeln von historischen Objekten nur die halbe Miete ist und auch die Geschichte dahinter dazu gehört.
Übrigens, von der Abschaffung der Kavallerie war auch ich als angehender Dragoner-Rekrut betroffen, nun ich hatte Glück und kam doch noch zu den Pferden.
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Beitragvon Hagelhans am So 05 Aug, 2007 00:18

Kurtz und bündig.

Leider fehlt ein Datum. Am 4.Nov. 1973 trat das Dragonerregiment 1 in Avenches zum letzten Devilee an. 40 000 Zuschauer waren gekommen um die freiwillig und ohne Sold eingerükten Männern und ihre Eidgenossen zum letzten mal vorbeireiten zu sehen.

Wer sich für die letzten Jahre der Schweizer Reiterwaffe und die politischen Ränkespiele diesbezüglich weiterbilden möchte, empfehle ich das Buch: Das letzte Defile von Adolf Meier. Erschienen im Verlag Weltwoche. ISBN:3-85504-135-0
Der Autor war Kommandant des Dragonerregiment 1. Die letzte Kavalerieeinheit der Schweiz, die 1973 auf Schützenpanzer umgeschult wurde.
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Beitragvon Traingelo am So 05 Aug, 2007 07:14

Das Buch von Adolf Meier kann ich ebenfalls wärmstens empfehlen.

@Hagelhans: Diesen denkwürdigen Anlass wollte ich ursprünglich noch anfügen, da er aber von den Offizieren, Unteroffizieren und Dragonern in eigener Regie organisisiert wurde und eigentlich gegen den Willen der damaligen Exponenten des EMD, habe ich ihn weggelassen.
(Es gab übrigens auch einen Film darüber)
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Beitragvon Hagelhans am So 05 Aug, 2007 07:45

Die Offizielle Schweiz wollte die Dragoner sang und klanglos verschwinden lasen. Aber sie verabschiedeten sich mit Pauken und Trompeten vor 40`000 begeistert Aplaudierenden Menschen.

Sie zeigten noch einmal einen Korpsgeist, einen Wehrwillen, nein eine Wehrfreude, eine Geschlossenheit, Einheit, eine freiwillige Bereitschaft wie es die Armee der Schweiz nie mehr danach zu präsentieren vermochte.
Winkelried starb am. 4. 11. 1973





(Der Name Winkelried steht hier nicht als hist. Person sondern als glorifizierendes Synonim für eine Wehrbereite Eidgenossenschaft.)
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Beitragvon Traingelo am So 05 Aug, 2007 08:17

Genau vor diesem Waffenstolz und dem Zusammenhalt innerhalb der Einheiten hatten die damaligen EMD-Oberen Schiss und wollte das letzte Defilee zuerst verbieten.
Ein ähnliches Szenario fand übrigens 1980 bei der grossen Reduktion der Traintruppe statt. Weil die Planer die Hosen voll hatten, wurden die damaligen selbständigen Trainkolonnen der Feldarmee auseinandergerissen und sofort auf versch. Einheiten der Infanterie verteilt. Man wollte nicht noch einmal eine "Demonstration à la Cavallerie" erleben!
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