Einberufung zur Wehrmacht im 2. Weltkrieg

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Einberufung zur Wehrmacht im 2. Weltkrieg

Beitragvon Interessent am Di 17 Jul, 2007 17:44

Hallo,

es gibt da eine Sache über die ich mir (aus einem privaten Grund) schon länger den Kopf zerbreche.

Als die Wehrmacht 1939 in Polen einmarschiert ist, setzte sich die Truppe vor allem aus jungen Männern der Jahrgänge 1915 bis 1917 zusammen.

Was ich mich frage ist: wurden diese Jahrgänge vollständig rekrutiert, oder nur ein Teil der jungen Männer dieser Geburtsjahre. Beziehungsweise, aus welchem Grund hätte ein Angehöriger dieser Geburtsjahrgänge, obwohl er eigentlich wehrfähig gewesen ist, von einer Einberufung verschont geblieben sein können (Berufsausbildung, Unabkömmlichkeit etc.)?

Wenn jemand von Euch hierzu etwas weiß, würde ich mich freuen!
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Beitragvon Parabellum am Di 17 Jul, 2007 19:53

Ein interessanter Artikel, in dem dargelegt wird, wer ab 1944 alles zum Volkssturm eingezogen wurde. Aus der Einleitung:

Durch Erlaß vom 25.9.1944 wurde die Bildung des „Deutschen Volkssturm“ befohlen, der alle waffenfähigen Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren umfassen sollte.[ii] Dazu muß angemerkt werden, daß von den an sich wehrpflichtigen Jahrgängen 1895 bis 1925 im Jahre 1944 noch 5 Millionen uk-gestellt waren, es gab damit mehr uk-gestellte Wehrpflichtige, als das gesamte Feldheer Soldaten hatten.


Daraus lässt sich schliessen, dass es recht zahlreiche Gründe gegeben haben muss, nicht Dienst leisten zu müssen. UK hiess unabkömmlich. Mechaniker, Eisenbahner, Feurwehrleute etc. gehörten dazu. Aber gute Beziehungen waren auch hilfreich. Wenn jemand aus nicht ganz ersichtlichen Gründen UK gestellt wurde, war schnell der Verdacht da, dass er ein Nazi war. Die drückten sich durchaus gerne und "kämpften an der Heimatfront". Aber böswillige Verdächtigungen waren damals (wie heute) gerne schnell zur Hand.

http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Sol ... ssturm.htm

Wenn es Dir nicht zu unangenehm ist, könntest Du vielleicht zur konkreten Situation noch etwas mehr sagen.
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Beitragvon Steve am Mi 18 Jul, 2007 08:44

Als einziger Erbe eines Reichserbhofes wurde man auch UK gestellt oder wenn man viele Kinder hatte. Es gab also sehr viele Ausnahmen von der Regel, wobei es auch wieder ausnahmen von der Ausnahme gab.

Gruß

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Beitragvon Dietrich am Mi 18 Jul, 2007 14:42

Das Wehrgesetz vom 21. Mai 1935 gibt zu dem Thema Folgendes her:
§ 13, Wehrunwürdigkeit
(1) Wehrunwürdig und damit ausgeschlossen von der Erfüllung der Wehrpflicht ist, wer
a) mit Zuchthaus bestraft ist,
b) nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte ist,
c) den Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 42 a des Reichsstrafgesetzbuches unterworfen ist,
d) durch militärgerichtliches Urteil die Wehrwürdigkeit verloren hat,
e) wegen staatsfeindlicher Betätigung gerichtlich bestraft ist.
(2) Der Reichskriegsminister kann Ausnahmen zu Abs. 1 c und e zulassen.
(3) Wehrpflichtige, gegen die auf Aberkennung der Fähigkeit zum Bekleiden öffentlicher Ämter erkannt worden ist, dürfen erst nach Ablauf der im Urteil für diese Ehrenstrafe vorgesehenen Zeit einberufen werden.

§ 14, Wehrpflichtausnahmen
Zum Wehrdienst dürfen nicht herangezogen werden:
1. Wehrpflichtige, die nach dem Gutachten eines Sanitätsoffiziers oder eines von der Wehrmacht beauftragten Arztes für den Wehrdienst untauglich befunden worden sind,
2. Wehrpflichtige römisch-katholischen Bekenntnisses, die die Subdiakonatsweihe erhalten haben.

Darüber hinaus gab es noch "besondere Verordnungen", mit denen Freistellungen geregelt wurden; die habe ich aber noch nicht gefunden. Aber ich suche weiter....
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Beitragvon Hagelhans am Mi 18 Jul, 2007 15:50

Und dem beizufügen dan leider noch die leidigen Gesetze zum schutze des Deutschen Blutes. Auch als Nürnberger Rassengesetze von 1936 bekannt. Juden waren im Reich III. auch in der Armee nicht wilkommen. Es gab aber eine grosse Anzahl ausnahmen bei denen verdiente juden und "Halbjuden" (bezeichnungen nach dem gesetzestext wer einen Jüdischen Elternteil hatte) "Arisiert" wurden. Siege General Milch.
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Beitragvon Parabellum am Mi 18 Jul, 2007 16:45

Das ist richtig. Das wurde sehr willkürlich gehandhabt. Allerdings waren die Ausnahmen seeeeehr vereinzelt. Es wurden insbesondere hochdekorierte Frontkämpfer des 1. Weltkrieges oft besonders niederträchtig behandelt, gerade weil man ihnen ihre Verdienste neidete; da reichte dann ein Urahn mosaischen Glaubens um ihnen alle Rechte abzusprechen. Viele dieser Veteranen wiegten sich lange Zeit in falscher Sicherheit, da sie annahmen, nach allem was sie geleistet hatte, müsse ihnen der Dank des Vaterlandes sicher sein.......

Allerdings meine ich, dass "Interessent" eben eher die Fälle gemeint hat, in denen jemand dienstfrei geworden ist und weniger die, der "Wehrunwürdigkeit". Deshalb habe ich ihn auch gebeten etwas zu präsisieren, was bisher leider ausgeblieben ist. Somit sind wir etwas am spekulieren......
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Beitragvon Interessent am Mi 18 Jul, 2007 17:21

Es gibt leider nicht viel zu präzisieren!

Mein 'privater Grund' ist auch vollkommen unspektakulär.

Es ging mir aber, wie richtig vermutet, um theoretische Gründe aus denen ein Wehrpflichtiger des Jahrgangs 1915-1917 nicht am Polenfeldzug hätte teilnehmen brauchen, obwohl sein Jahrgang hierzu ja eigentlich rekrutiert wurde.
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Beitragvon Dietrich am Mi 18 Jul, 2007 18:05

Das Buch "Die Wehrmacht von 1939 bis 1945" schreibt zu dem Thema:
"Im letzten Friedensjahr wurden die Mobilmachungspläne schrittweise in die Tat umgesetzt. Unter den ersten Gruppen der Einzuberufenden befanden sich die Männer der ältesten Jahrgänge, die schon irgendeine Form des Militärdienstes absolviert hatten. Ihre Einberufung sollte eine Art von Auffrischungskurs darstellen. Als Folge dieses langsamen und sorgfältigen Einberufunsprozesses konnte das Heer zuir Kampfstärke aufgebaut werden, ohne daß dabei das zivile Leben in Deutschland zerstört wurde.
Das Einziehungsschema funktionierte in den ersten Kriegsjahren so gut, daß sogar Männer wegen ihres Berufs oder aus Gesundheitsgründen aus dem Dienst entlassen werden konnten. Im Kaiserreich war es gängige Praxis gewesen, daß Studenten und Angehörige bestimmter Berufsgruppen ihre Einberufung aufschieben oder sogar umgehen konnten. Die Naziregierung behielt dies bei, und am Ende des Frankreich- Feldzuges konnte Hitler sogar eine Reihe von Männern der älteren "Wellen" abrüsten lassen.
Später steht da noch über die Zeit nach den ersten großen Niederlagen "Auch Männer, die als letzte überlebende Söhne der Familie oder Väter großer Familien vom Frontdienst ausgenommen waren, wurden nun einberufen."

Also, legitime Gründe, beim Polenfeldzug nicht dabei gewesen zu sein, könnten also sein:
- man war nicht eingezogen worden (nicht die gesamten Jahrgänge 1915 bis 1917 waren dabei)
- man war körperlich ungeeignet
- man war katholischer Priester
- man war unerwünscht (aus rechtlichen oder rassischen Gründen)
- man war unabkömmlich

Unabkömmlich waren:
- Studenten bestimmter Fachrichtungen
- bestimmte Berufe (Feuerwehrleute, Polizisten, einige Beamte, Fachleute in Rüstungsbetrieben, Bergleute, Ärzte und Pflegepersonal, begründete Einzelfälle und- tataaaaa- Parteibonzen)
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Beitragvon Hagelhans am Mi 18 Jul, 2007 21:07

[quote="Parabellum"]Das ist richtig. Das wurde sehr willkürlich gehandhabt. Allerdings waren die Ausnahmen seeeeehr vereinzelt. quote]

So selten waren die Ausnahmen nicht. Es ist nur ein erst seit kurtzem erforschtes Gebiet.
Ich kan dazu das Buch "Hitlers jüdische Soldaten" empfehlen. Ein wirklich kaum behandelter Aspekt der Geschichte des Weltkriegs II.

http://www.amazon.de/Hitlers-j%C3%BCdis ... 3506701150

Willkührlich waren die Entscheide allerdings. Den arisiert konnte man nur duch Führerbefehl höchst persönlich werden. Da die Flut der Gesuche sehr gross war, sah sich Hitler einfach die beigelegten Fotos schnell durch und entschied dan ohne weitere Begründung wer Arier ist und wer Jude.
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