Mont Vully

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Mont Vully

Beitragvon schlumpf am Di 11 Okt, 2005 08:02

Am letzten Sonntag machten wir einen Ausflug auf den Mont Vully. Bekannt ist ja der Hügel für sein Keltisches Opidum mit einem sehr schön rekonstruiertem Abschnitt eines Murus Gallicus.
Am Süd-Westabhang sind umfangreiche Stollen und Kafernen sichtbar und auch begehbar. Diese sind laut einer dort aufgestelten Tafel (leider ist diese in einem sehr schlechten Zustand, Vandalen lassen grüssen..) aus der Zeit des 1.Weltkrieges.

Weis jemand genaueres darüber?
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Beitragvon Major Kusanagi am Di 11 Okt, 2005 11:12

Es handelt sich dabei wohl um die Reste der Fortifikation Murten, die während der Grenzbesetzung 1914-1918 als Gegenstück zur Fortifikation Hauenstein entstand. Während die letztere nach Norden (Deutschland) ausgerichtet war, diente Murten dazu nach Westen (Frankreich) Verteidigungsbereitschaft zu demonstrieren. Werd' mal sehen was ich dazu ausgraben kann.
Major Kusanagi



Beitragvon schlumpf am Di 11 Okt, 2005 14:20

Das seltsame daran ist, das die Schiessstände (ich denke es sind MG-Stände) alle richtung Murtensee (also richtung Süd-Ost, und nicht wie oben beschrieben S-W, sorry #-o ) ausgerichtet sind. Mit anderen Worten Richtung Landesinnern und nicht Richtung Frankreich. Auch als Sperre der Strasse Bern-Murten-Lausanne kann sie kaum gedient haben, da diese ja auf der anderen Seeseite verläuft.
Das ganze ist wirklich einen Besuch wert. Das ganze ist auf 3 Etagen verteilt und es dürften so um die 10 Schiesstände sein.
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Beitragvon Ordonnanz am Di 11 Okt, 2005 17:02

@ Major Kusanagi

Weisst du, ob es in der Nordostschweiz auch Schützengräben aus dem 1. WK gibt? Ich habe hier bis jetzt noch nichts aus dem 1. WK gesehen, jedeglich aus dem 2.

mfg

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Beitragvon Major Kusanagi am Di 11 Okt, 2005 20:39

Hallo Ordonnanz

Kleine Webtipps. Guckste da:

http://home.datacomm.ch/rebmann/archiv/ ... elais.html

Und guckste da:

http://home.datacomm.ch/rebmann/archiv/ ... intro.html

Der Verein Rost & Grünspan ist so wie es aussieht nämlich im oberen Baselbiet dabei, ein Stück der Festung Hauenstein aus der Grenzbesetzung 1914-1918 auszugraben und zu restaurieren. Was die Nordostschweiz anbelangt, da muss ich noch über die Bücher gehen. Wird wohl eher wenig zu finden sein, da die Ecke nicht eben ein "Hotspot" war wo zwei feindliche Nationen an der Grenze im Krieg standen.

Hallo Schlumpf

Ich kann Dir nichts Näheres zu Schiesständen sagen die ich nicht selber gesehen habe. Ich kann lediglich wiedergeben was die Projektkonzepte beabsichtigten. Bedenke aber dass Verteidigungsanlagen auf verschiedene Szenarien ausgelegt sein müssen. Auch am Hauenstein sind nicht alle Schiessscharten nach Norden ausgerichtet, sondern so angelegt dass sie An-, Durch- und Vorstossrouten aus guter Position mit Feuer bestreichen können.
Major Kusanagi



Festung

Beitragvon Pegasus am Di 11 Okt, 2005 22:25

Hallo Major :D

Kann man das auf dem Hauenstein einfach so anschauen gehn, oder ist das gespeert?

War schon mal in der Nähe, wusst aber gar nicht das wir in der Schweiz solche Teile habe, oder das die Schweiz überhaupt solche Gräben gegraben hat.

Wo hat es denn sonst noch solche Anlagen aus dem ersten Weltkrieg.

Danke

Pegasus
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Beitragvon schlumpf am Mi 12 Okt, 2005 07:55

Hallo Pegasus

Ich meinte dass es bei der Engstelle von St.Maurice im Vallis ebenfalls noch umfangreiche Grabenanlage zu besichtigen sind. Ob alle aus dem 1.Weltkrieg oder schon früher sind weis ich nicht genau.
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Beitragvon Ordonnanz am Mi 12 Okt, 2005 17:38

Hallo zusammen,

Diese Seite kann ich zum Thema 1. WK sehr empfehlen:

http://www.memobase.ch/www_memobase/portal.aspx?pid=200

Einfach bei Sucheinschränkungen "Fotosammlung 1. WK" anwählen und mit Stichworten zb. Schützengraben, Füsilier etc. suchen gehen. Hat mehrere Tausend Bilder aus dem Bundesarchiv.

Das Schützengrabenprojekt von R&G kenne ich bereits und finde es eine super Idee!

Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand sagen könnte, ob irgendwo in der Nordostscheiz (Bodenseeregion zb.) Befestigungen aus dem 1.WK waren. Aus der Ostschweiz ist mir bis jetzt nur die Festung St. Luzisteig bekannt, die stammt aber ja noch aus früheren Zeiten. Im 1. WK bestand ja auch fast keine Gefahr für die Schweiz, ausser dass die Deutschen und Franzosen in die Region Basel eindringen würden.

Gab es eigentlich Schützengräben im 2. WK in der Schweiz?

Gruss

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Beitragvon Major Kusanagi am Mi 12 Okt, 2005 19:02

Hallo Schlumpf. Hier kommt was ich über Vully und Murten gefunden habe.

Theophil Sprecher, Chef des Schweizerischen Generalstabs während der Grenzbesetzung 1914-1918, fasste die Aufgabe der Fortifikation Murten folgendermassen zusammen. Der Weg über den Zihlkanal sei die kürzeste Einfallsroute von Frankreich her ins Herz der Schweiz. Er mutmasste gar, dass die schnellen Truppen eines Angreifers bereits am Tag 2 nach der Überschreitung der Grenze bei Neuchâtel vor Bern stehen könnten, wo sie die Mobilmachung eines bedeutenden Teils der Schweizer Armee vereiteln könnten.

Aus diesem Grunde sei ein Sperriegel an der Zihl besonders geeignet um einem derart gefährlichen Vorstoss auf Bern vorzubeugen. Bereits um die Jahrhundertwende machte sich daher die Armeeführung Gedanken über die Verteidigung dieser Region. 1904/05 entstanden am Zihlkanal drei Schanzen und eine Positionsbatterie für 12cm Geschütze auf dem Jolimont. Diesen ersten Bauten folgte nichts weiteres bis 1914 der Krieg ausbrach und die Zeit der "Fortifikation Murten" anbrach - eine von drei grossen improvisierten Feldbefestigungen jener Tage in der Schweiz.

Im Raum Murten wurde die Linie Zihlkanal - Vully - Murten - Salvenach - Laupen behelfsmässig befestigt. Sinn der Verteidigungsanlagen war die Sicherung von Bern gegen Angriffe die über die Zihl kamen oder aus der Waadt zu befürchten waren, also klar gegen Frankreich gerichtet. Zugleich sollte für die Schweizer Armee bei Operationen östlich der Saane oder nördlich des Bielersees die Bewegungsfreiheit durch derart befestigte Flanken gesichert werden. General Ulrich Wille ordnete an, dass der Ausbau derart voranzutreiben sei dass die Feldbefestigungen in rund zwei Wochen verteidigungsfähig sein sollten.

Der Befehl des Generals stellte sich bald als etwas realitätsfern heraus, da man nun mal keine Festungen in 14 Tagen aus dem Boden stampfen kann, insbesondere dann nicht wenn gewisse Schutzbauten aus Beton erstellt werden mussten. Dazu gesellte sich noch ein zuvor kaum beachtetes Problem - niemand hatte sich allzusehr Gedanken darüber gemacht, dass Verteidigungsanlagen in der Norm von grosszügigen Verhauanlagen umgeben werden mussten, um dem Feind die Annäherung zu erschweren. Und dann war da noch das Problem des freien Schussfelds.

Verschanzte Infanterie und noch mehr Artillerie brauchten freies Schussfeld, dem aber vielfach ausgedehnte Waldstücke im Weg standen. Das Abholzen von Wäldern hatte der Generalissimus aber am 25.August 1914 per Befehl verboten. In der Folge wurden Schützengräben und Stützpunkte nicht dort angelegt wo sie taktisch am sinnvollsten waren, sondern oftmals an Waldrändern, was zuweilen höchst zweifelhafte Schöpfungen ergab. Am Mont Vully entstanden damals vier Stützpunkte, zwei Beobachtungsposten und zwei Artilleriestellungen.

Um die Sache echt diffizil zu machen, ordnete der General am 28.August 1914 auch noch an dass man mit keinen neuen Befestigungsarbeiten mehr beginnen solle. Man darf sich die Frage stellen, ob der Mann eigentlich wusste was er wollte oder auch nur annährend eine Ahnung vom Festungsbau hatte? Allerdings scheint man vielerorten diesen Befehl des Generals kreativ ausgelegt zu haben, denn es entstanden Verteidigungsbauten bis in den Winter hinein. Im Mai 1915 wurde schliesslich der Ausbau der Fortifikationen befohlen.

Bisher Erbautes sollte modernen Erkenntnissen angepasst werden. So mussten etwa alle bislang in Holz erstellten Schutzbauten abgerissen und durch solche aus armiertem Beton ersetzt werden. Eine dritte Ausbauphase begann im Herbst 1915 und zog sich bis Ende 1916 hin. Am Mont Vully entstanden nun zusammenhängende Schützengräben deren vitale Partien massiv ausgebaut wurden. Für die Besatzungen der Gräben legte man bombensichere Kampfunterstände an. Ohne Einsatz von Sprengstoff wurde am Mont Vully das "Fort Lambertaz" mit vier Kampfständen, Beobachtungsständen, unterirdischen Munitionsdepots und Kavernen für die Truppen aus dem Fels gehauen.

Mittlerweile war klar dass General Wille Festungen überhaupt nicht mochte, während Stabschef Sprecher ihren Ausbau vorantreiben wollte. Es folgte im Jahr 1917 eine vierte Ausbauphase, die im Juli durch persönliche Intervention des Generals abgewürgt wurde. Beim Baustopp bestand die Fortifikation Murten aus 18856 Meter Feuerlinien, 848 Unterständen, 17 Kavernen, 29 Kasematten für 8,4 cm Geschütze, 9 Batterien für 12 cm Kanonen und 108 Betonbunkern für Maschinengewehre.
Major Kusanagi



Beitragvon schlumpf am Do 13 Okt, 2005 09:36

Vielen Dank Major Kusanagi für die spannenden Infos. =D>

Unglaublich was damals für ein Kompetenzgerangel war....
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