Völkermord

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Völkermord

Beitragvon Napoleon am Do 12 Okt, 2006 12:37

Um gerade einer aktuellen Disskusion etwas mehr Hintergrund zu geben, hier findet ihr die wichtigsten Infos und die Vorgeschichte.



Der Völkermord an den Armeniern (im Armenischen Aghet, Metz Jeghern, Jeghern, Darakrutiun, Aksor, Tschart, (Haya-)tseghaspanutiun) ereignete sich am Anfang des 20. Jahrhunderts, als im Zusammenhang mit dem armenischen Unabhängigkeitskampf und den Bestrebungen, einen homogenen türkischen Nationalstaat zu schaffen, eine große Zahl von Armeniern in der heutigen Türkei durch das Osmanische Reich – den Vorgängerstaat der Türkei – getötet wurden. Im engeren Sinn versteht man unter diesem Begriff die Morde in den Jahren von 1915–1917. Der polnische Rechtsanwalt Raphael Lemkin, der den Begriff „Genozid" 1943/44 erstmals einführte, bezog diesen schon damals u.a. auf den Völkermord an den Armeniern.

Bei den größten Massakern und auf den Todesmärschen 1915–1917 sowie während des Türkischen Befreiungskrieges 1919-1921 kamen je nach Schätzung 600.000 bis zu 1,5 Millionen Armenier um. Die Übergriffe in den beiden vorausgehenden Jahrzehnten hatten bereits weitere hunderttausende Armenier das Leben gekostet.

Die Aufarbeitung dieser Geschehnisse ist bis heute schwierig. Während viele Armenier den Massenmord als ungesühntes Unrecht empfinden und seit Jahrzehnten eine angemessene Erinnerung fordern, bestritt die türkische Regierung häufig, dass es überhaupt Massentötungen gegeben habe oder stellte sie als gerechtfertigte Reaktionen auf armenische Übergriffe oder unvermeidliche Geschehnisse im Rahmen des Krieges dar.

Vorgeschichte
Um 1800 lebten die christlichen Armenier teils unter dem Schah von Persien, teils in einer weiten Diaspora zwischen Indien und England, mehrheitlich aber unter osmanischer Herrschaft. Im Osmanischen Reich siedelten die Armenier konzentriert (1) im heutigen Ostanatolien, im Gebiet von Erzurum, Kars, Van und Diyarbakir, (2) in Kilikien bei Adana und Maraş und (3) in den osmanischen Metropolen Alexandrien, Smyrna (Izmir) und vor allem Konstantinopel (Istanbul), wo um 1870 250.000 bis 300.000 armenische Christen wohnten (geschätzt 20 % der Stadtbevölkerung). Die Expansion Russlands in den Kaukasus im 19. Jahrhundert und der allmähliche Niedergang des Osmanischen Reichs sowie zunehmende Repressionen führten zu Bestrebungen eines Teils der Armenier, einen unabhängigen Staat einzurichten. Diese Bestrebungen der Armenier innerhalb des Osmanischen Reichs wurden vom orthodoxen Russland aus religiösen und geopolitischen Gründen unterstützt und führten schließlich außerhalb des Osmanischen Reiches zur Gründung zweier armenischer Parteien (1887 und 1890), die jedoch nur einen kleinen Teil der Bevölkerung hinter sich bringen konnten.

Gleichzeitig wurde in der Türkei, wie in vielen europäischen Ländern, der Nationalstaatsgedanke stärker. Das im Niedergang befindliche, multiethnische Osmanische Reich versuchte in der Tanzimat-Periode (1839–1879), den Staat durch Übernahme westlicher Konzepte zu reformieren und gleichzeitig äußere Einflüsse zurückzudrängen. Zunehmend wurde die Notwendigkeit von Reformen auch von den europäischen Mächten angemahnt und auf dem Berliner Kongress (1878) auch festgeschrieben, die dabei allerdings nicht frei von kolonialistischen Eigeninteressen waren. Eine Gleichstellung von türkischen Muslimen und christlichen Minderheiten wurde bis zum Sturz des Sultans Abdülhamid II. (1909) nicht realisiert; die in Artikel 61 in Berlin für die Armenier vereinbarten Reformen wurden nicht umgesetzt, sondern führten zu einer Verschlimmerung der Lage der Armenier. In der Folge der Reformbestrebungen entstand die jungtürkische Bewegung, die nach einer anfänglich vertretenen osmanistischen Ideologie das Ziel eines sprachlich und kulturell einheitlichen Staats vertrat. Nachdem die Jungtürken an die Macht gekommen waren, begannen sie, die Armenier, die nicht nur eine andere Sprache und Schrift hatten, sondern als Christen auch eine andere Religion praktizierten, als Fremdkörper in diesem angestrebten Staat anzusehen. Auch standen die seit Jahrtausenden in Ostanatolien beheimateten Armenier panturkistischen Bestrebungen im Wege, die eine Vereinigung der Turkvölker vom Balkan bis in die Mongolei erträumten.


Verlauf

Die Massaker von 1894 und 1896
Der wachsende Nationalismus führte zu Spannungen zwischen Kurden, die vielfach die gleichen Gebiete wie die Armenier bewohnten, mit zunehmenden Verfolgungen der Armenier durch Kurden. Zusätzlich wurden den Armeniern sehr hohe Steuern auferlegt, die dem nach Unabhängigkeit strebenden Teil zusätzlich Anlässe zum Aufruhr lieferten.

Als 1894 Armenier in Sasun, einem Teil von Siirt, in einer entlegenen Region südwestlich des Vansees gelegen, sich weigerten, die Steuern zu zahlen und sich gegen die Regierung auflehnten, töteten türkische Truppen mit Hilfe der Kurden Tausende von Armeniern und brannten mehrere armenische Dörfer nieder.

Zwei Jahre später, am 26. August 1896, besetzten armenische Separatisten gewaltsam die Ottomanische Bank in Istanbul, um Autonomie für die armenischen Provinzen unter der Aufsicht europäischer Mächte, Freilassung armenischer Gefangener und die Rückgabe beschlagnahmten Eigentums durchzusetzen. Ihre Forderungen wurden nicht erfüllt, sie konnten aber freien Abzug nach Marseille erreichen. Als Reaktion auf diesen Zwischenfall wurden zahlreiche Armenier verhaftet oder von aufgebrachten Menschenmengen unter Beteiligung von Regierungsstellen getötet. Man schätzt etwa 50.000 armenische Opfer.


Die Zeit von 1896 bis 1915
Sowohl zwischen den Massakern von 1894 und 1896 als auch danach gingen die armenisch-türkischen Konflikte in ähnlicher Art, wenn auch weniger intensiv, weiter; es kam zu einer Reihe weiterer Verfolgungen und Pogromen an den Armeniern. Hierfür wurde aus ehemaligen Sträflingen und anderen Freiwilligen eine eigene Miliz gebildet, die direkt dem Sultan unterstand und deshalb seinen Namen (Hamidie) trug.

1909 wurden während eines Aufstandes gegen die seit 1908 regierenden Jungtürken im kilikischen Adana und umliegenden Gebieten 20.000 bis 30.000 Armenier von Aufständischen als angebliche Unterstützer der neuen Regierung ermordet.

Schätzungen zufolge liegt die Gesamtzahl der armenischen Opfer von 1894 bis zum Beginn des Genozids von 1915 bei 200.000–300.000 Menschen.


Der Genozid von 1915
Im Ersten Weltkrieg (1914–1918) kämpfte das Osmanische Reich auf der Seite der Mittelmächte gegen die Entente, zu der auch Russland gehörte. Im russisch-türkischen Konflikt im Kaukasus unterstützte eine Minderheit der Armenier in der Hoffnung auf Unabhängigkeit die russische Seite; es gab auf russischer Seite armenische Freiwilligenbataillone.

Nach dem Scheitern der türkischen Offensive gegen Russland im Januar 1915 und dem Beginn von Operationen und Anwerbungen armenischer Kämpfer hinter den türkischen Linien machte die Staatsführung des Osmanischen Reichs die Armenier für die militärischen Probleme in Ostanatolien verantwortlich. Das jungtürkische „Komitee Einheit und Fortschritt“ beschloss die Vernichtung der Armenier und stellte dafür die Spezialeinheit Çete auf. Die armenischen Soldaten der türkischen Armeen wurden entwaffnet, in Arbeitsbataillonen zusammengefasst und schließlich fast alle ermordet.

Am 24. und 25. April 1915 wurden alle armenischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führer, die sich in Konstantinopel aufhielten, verhaftet, deportiert und später großteils ermordet – insgesamt über 2.000 Personen.

Bis Juli des Jahres wurden die Armenier in ihren Hauptsiedlungsgebieten an sieben Orten konzentriert. Sie wurden entweder gleich dort von türkischen Polizisten und Soldaten oder kurdischen Hilfstruppen ermordet oder auf Befehl von Innenminister Talaat ab dem 27. Mai 1915 auf Todesmärsche über unwegsames Gebirge oder durch die Wüste Richtung Aleppo geschickt. Dabei ging es nicht um eine Umsiedlung; Talaat hatte den ausdrücklichen Befehl gegeben, „alle Armenier, die in der Türkei wohnen, gänzlich auszurotten“. In den folgenden zwei Jahren wurden nach und nach auch die in den westanatolischen Provinzen lebenden Armenier – mit Ausnahme von Konstantinopel und Smyrna, wo sich der deutsche General Liman von Sanders unter Androhung von militärischen Gegenmaßnahmen gegen die Deportationen und Massaker stellte – deportiert oder ermordet.

1916 - 1919 verbreiteten sich in Zentralanatolien öffentliche Zwangs- und Kinderprostitution, die bis dahin nicht bekannt waren. Die Lage der christlichen Frauen, die als 2. oder 3. Frau mit einem Moslem eine gesetzliche Ehe führen konnten war im Vergleich dazu privilegiert.

Etwa 100.000 Armenier überlebten die Todesmärsche, etwa 500.000 gelang die Flucht. Je nach Schätzung kamen etwa 600.000 bis 1.500.000 Armenier um. Hunderttausende Armenier, die den Völkermord überlebten, mussten emigrieren.


Weiterer Verlauf bis Kriegsende
Bis Juni 1916 besetzten russische Truppen den größten Teil West-Armeniens. Armenische Verbände, die mit der russischen Armee 1917 in die Türkei einrückten, nahmen Rache für den Völkermord und ermordeten besonders Kurden. Die Angaben über die Zahl der Toten in dieser Zeit schwanken zwischen einigen Zehntausend und 128.000.

1919 machten Militärgerichte der Sultansregierung den Führern der jungtürkischen Bewegung wegen des verlorenen Krieges den Prozess nach osmanischem Recht – die meisten von ihnen entzogen sich dem Todesurteil durch Flucht nach Europa.

Nach dem Vertrag von Sèvres von 1920 war die Gründung eines unabhängigen armenischen Staates vorgesehen, dessen Grenzen der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson im Auftrag der Signatarmächte des Vertrages festlegte. Dem versuchte die türkische Regierung durch Vollendung des Völkermords an den Armeniern zuvorzukommen und eine Gründung des Staats in Ostanatolien zu verhindern. Deshalb ließ sie noch einmal etwa 50.000 Armenier in Adana und 20.000 Armenier in Marasch ermorden. Trotzdem die Ententemächte den Armeniern vor dem Krieg Hilfe zugesichert hatten, schritten sie nicht ein. Die USA, aus denen seit 1894 Millionen Dollar private Hilfsgelder für die Armenier geflossen waren, waren ebensowenig bereit, ein Mandat für ein unabhängiges Armenien zu übernehmen.

Nach dem Zusammenbruch der russischen Regierung im Kaukasusgebiet infolge der Oktoberrevolution marschierten dort türkische Truppen ein, um die Armenier auch dort zu vernichten und die Schaffung eines armenischen Staates zu verhindern. Dabei wurden etwa 175.000 Armenier ermordet. Der Vormarsch der Türken konnte durch die zahlenmäßig weit unterlegenen Truppen der 1918 gegründeten Armenischen Republik in der Schlacht bei Sardarapat aufgehalten werden. Die fortdauernde Bedrohung der jungen Republik wurde schließlich durch das Eingreifen der 11. Armee der Roten Arbeiter- und Bauernarmee gestoppt. 1922 wurde Ost-Armenien (in den Grenzen der heutigen unabhängigen Republik Armenien) Teil der Sowjetunion.

Nach schweren Rückschlägen für die christlichen Bevölkerungsgruppen im türkisch-griechischen Krieg 1922 begannen in der Türkei im Rahmen der sogenannten Kleinasiatischen Katastrophe erneut Massaker an Christen in Smyrna (heute İzmir), bei denen etwa 25.000 bis 100.000 Christen ermordet wurden, vor allem Griechen, aber auch Armenier, darunter die gesamte armenische Gemeinde Smyrnas.


Nachkriegszeit
Der Großwesir Damad Ferid Pascha gestand am 11. Juni 1919 die Verbrechen öffentlich ein. In den sogenannten Istanbuler Prozessen (Unionistenprozesse) 1919–1921 wurde auf Druck der alliierten Mächte vor einem Kriegsgericht des osmanischen Staates der in der Rechtsgeschichte erstmalige Versuch unternommen, Staats- und Kriegsverbrechen auf Regierungsebene zu ahnden. Mit den 31 Ministern der Kriegskabinette, die dem Komitee für Einheit und Fortschritt (Ittihat ve terakki cemiyeti), vulgo Jungtürken, angehört hatten, und zahlreichen regionalen und lokalen Beamten, Offizieren, Funktionären wurde nach außen hin der Versuch unternommen, die Hauptverantwortlichen des Völkermordes zur Rechenschaft zu ziehen. Unter den Angeklagten befand sich unter anderem Talaat Pascha (ehemaliger Großwesir), Enver Pascha (ehemaliger Kriegsminister), Djemal Pascha (ehemaliger Marineminister). Diese wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt, entzogen sich dem Prozess und Urteil jedoch durch Flucht nach Deutschland. Lediglich nachgeordnete Beamte wurden zur Verantwortung gezogen.

1920 bezeichnete Kemal Atatürk, der Vater der Türken, den Völkermord an den Armeniern vor dem Parlament als „eine Schandtat der Vergangenheit“. Zu den drei jungtürkischen Führern hatte er ein gespanntes Verhältnis. Diese gelten als Hauptverantwortliche der Deportation, in Folge dessen wollte er sie auch nicht in den Reihen der türkischen Nationalbewegung sehen. Einem amerikanischen Diplomaten gegenüber ging Atatürk von 800.000 Toten aus und befürwortete eine harte Bestrafung der Täter.

Spätere türkische Regierungen leugneten dagegen den Völkermord an den Armeniern und stellten die Ermordungen als Folgen von Kriegshandlungen dar, ohne sich davon zu distanzieren. Während andere westeuropäische Staaten auf eine Verurteilung des Völkermordes drängten, unterstützte die deutsche Regierung lange Zeit die Position der türkischen Führung. Eine Dokumentation des deutschen Geistlichen und Orientkenners Johannes Lepsius zum Völkermord an den Armeniern wurde im August 1916 von der Reichsregierung verboten. Lepsius konnte jedoch nach dem Krieg eine Sammlung von aussagekräftigen Aktenstücken des deutschen auswärtigen Amtes publizieren, die bis heute eine der Hauptquellen für die Vorgänge ist (jetzt in einer ergänzten Neuauflage, hrsg. von Wolfgang Gust, die auch im Internet zugänglich ist, s. u.).

Am 15. März 1921 erschoss der armenische Student Soghomon Tehlirian im Berliner Exil den ehemaligen Innenminister Talaat Pascha, einen der Hauptverantwortlichen für den Genozid. Aufgrund der Darlegung der Geschehnisse in Armenien durch Augenzeugen (z. T. Überlebende wie Bischof Krikor Balakian) wurde der Täter aber vor Gericht freigesprochen. Wie sich später herausstellte, war Tehlirian Mitglied eines armenischen Geheimbundes namens Nemesis, der Beteiligte an dem Völkermord ermordete. Er hatte zuvor bereits in İstanbul einen türkischen Politiker erschossen.

Am 31. März 1923 erklärte die Regierung Mustafa Kemal Atatürks eine allgemeine Amnestie für die im Zusammenhang mit dem Völkermord Angeklagten.

Vermutlich von dem Antisemiten Max Erwin von Scheubner-Richter, der auf Seiten der türkischen Armee gekämpft hatte, erfuhr Adolf Hitler Details über den Völkermord. Am 22. August 1939 sagte Hitler vor hohen Militärs und Kommandeuren der SS-Todesschwadronen: Wer redet heute noch von der Vernichtung der Armenier? Damit versuchte er das Unrechtsbewusstsein der Täter zu beruhigen und ihnen die Angst vor Bestrafung zu nehmen.

Es gibt seitens des türkischen Staates auch heute noch Querschüsse. So ist das dem Minister Hüseyin Çelik unterstehende und von der EU subventionierte Erziehungsministerium noch im April 2003 mit Verleumdungsdekreten den EU-Kommissaren negativ aufgefallen. Das Erziehungsministerium veranlasste die türkische Schüler dazu, an einem Aufsatzwettbewerb gegen die angebliche "Völkermordlüge" der Armenier, Pontosgriechen sowie Syrisch-Orthodoxen mitzuwirken. Gleichzeitig verpflichtete das Ministerium die türkische Lehrerschaft zur Teilnahme an dazu passenden Fortbildungsmaßnahmen und hat die Neuauflagen veralteter türkischer Schulbücher vorgenommen, in denen Nicht-Muslime in der Türkei als "Spione", "Verräter" sowie "Barbaren" bezeichnet werden. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass deren Schulen, Kirchen sowie Synagogen "schädliche Gemeinden" sind. Obwohl die Türkei inzwischen von der EU für diese Verfügungen gerügt worden ist, blieb der umstrittene Hüseyin Çelik im Amt.

Auch viele in Deutschland lebenden Türken lehnen den Vorwurf des Völkermords ab. So fand am 18. März 2006 u.a. eine vom Verwaltungsgericht unter strengen Auflagen zugelassene Demonstration von rund 1.350 bis 1.700 türkischstämmiger Nationalisten (Polizeiangaben) in Berlin statt, die das Motto „Marsch auf Berlin"trug. welche ursprünglich den Völkermord an den Armeniern und assyrisch-aramäischen Christen 1915 bis 1918 leugnen wollten. Wie Medien und Politik (u.a. „Die Welt") meldeten, wurde durch Innensenator Ehrhart Körting gegen den maßgeblichen Veranstalter, den Vorsitzenden der türkischen Arbeiterpartei Dogu Perincek, ein ausländerrechtliches Verfahren angestrebt, weil dieser trotz Verbot am Rande der Kundgebung den Massenmord an den Armeniern geleugnet hat. Die türkischstämmigen Nationalisten hatten unter anderem die Rücknahme eines Bundestagsbeschlusses vom Juni 2005 verlangt, in dem Deutschland zum ersten Mal die an Armeniern verübten Massaker als Völkermord einstuft. Zudem wird die Türkei zum offenen Gespräch über den Völkermord an den Armeniern aufgefordert.

20 Länder der Erde haben seit 1965 die Vernichtung der Armenier durch den türkischen Staat in Resolutionen, Beschlüssen oder Gesetzen als Genozid entsprechend der UN-Völkermordkonvention von 1948 bewertet. Das Europäische Parlament hat mit den Beschlüssen vom 18. Juni 1987 und 15. November 2001 die Anerkennung des Völkermordes durch den türkischen Staat zu einer Voraussetzung des EU-Beitritts der Türkei erklärt und am 28. Februar 2002 in einer weiteren Beschlussfassung die Türkei zur Einhaltung dieser Vorgabe gemahnt. Die Türkei wirft Ländern wie Frankreich und Russland vor, Parlamentsbeschlüsse zu erlassen, ohne auf die eigene grausame Vergangenheit mit vielen Völkermorden zu blicken.


Einschätzung
Auch nach dem Völkermord und der Vertreibung der Armenier ging in der Türkei die Zerstörung armenischer Kulturgüter weiter. Noch 1998 wurde die Kirche Surb Arakelots in Kars in eine Moschee umgewandelt.


Völkermord-Mahnmal (erbaut 1965–1967) in Eriwan, ArmenienIn den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts brachten eine Vielzahl von Terroranschlägen der armenischen Terrorgruppe Asala auf türkische Einrichtungen weltweit die Situation der Armenier und auch die Geschichte des Völkermordes in Erinnerung. Dabei ermordeten sie 46 Menschen und verletzten 81 Menschen schwer.

Bis heute versucht die türkische Regierung, eine Bewertung der Vorgänge als Völkermord zu verhindern. Deshalb gab es heftige diplomatische Auseinandersetzungen, so z. B. 2001 den Versuch, eine entsprechende Resolution der Französischen Nationalversammlung zu verhindern, die die Leugnung des Völkermords unter Strafe stellt. Gleichwohl haben inzwischen viele Parlamente entsprechende Verlautbarungen abgegeben (u. a. Uruguay, Argentinien, Belgien, Griechenland, Italien, Niederlande, Russland, Schweden, Schweiz, die Slowakei, Zypern, und 2004 auch Kanada) sowie internationale Organisationen wie der Europarat.

Brandenburg setzte 2002 als erstes Bundesland den Völkermord an den Armeniern auf den Lehrplan im Fach Geschichte. Nach Interventionen des türkischen Generalkonsuls wurde die entsprechende Stelle in den Richtlinien Anfang 2005 gestrichen, jedoch Ende Januar nach Protesten in der Öffentlichkeit in geänderter Form wieder aufgenommen. (FAZ 24.01.2005, Hamburger Abendblatt 27.01.2005)

Der Deutsche Bundestag debattierte in seiner Sitzung vom 24. April 2005 erstmals eine von CDU/CSU vorgelegte Entschließung, die die Türkei aufforderte, sich zu ihrer historischen Verantwortung für die Massaker an armenischen Christen im Osmanischen Reich zu bekennen. Redner verwiesen dabei auf die deutsche Mitverantwortung für die Gewalttaten durch das Wegschauen der deutschen Regierung, die durch ihre Gesandten über die Geschehnisse genau im Bilde war. Den Begriff des Völkermords vermied die Entschließung. Mit Rücksicht auf den Besuch von Kanzler Schröder in der Türkei wurde ihre Verabschiedung auf die Zeit nach der Reise verschoben. Sie wurde am 16. Juli 2005 vom Deutschen Bundestag ohne Gegenstimme beschlossen.

In der zionistischen Bewegung war die Sicht auf den Völkermord von Anfang an sehr unterschiedlich: Während in Palästina unter Osmanischer Herrschaft geborene Juden keine Kritik äußerten, betrachteten russische Juden die Ereignisse entsprechend russicher und gegen-Osmanischer Sichtweise kritischer:

„Wir, die Zionisten, empfinden aufrechtes Mitgefühl mit dem Schicksal des armenischen Volkes“.
Als im April 2000 Israels Erziehungsminister Yossi Sarid den armenischen Genozid in den Unterricht einzubringen versuchte, kam es zu einer Staatskrise mit der Türkei, da in einer Broschüre des israelischen Außenministeriums folgende Formulierung verwendet wurde:

„Nach dem ersten Weltkrieg, mit der Aufnahme von Flüchtlingen vom Massaker in Anatolien, vor allem dem Massenmord von 1915, wuchs die armenische Gemeinde“
Nach türkischer Intervention wurde diese geändert in:

„Nach dem ersten Weltkrieg wuchs die armenische Gemeinde.“
Um nicht dem türkischen Druck ausgesetzt zu sein, erkennt Israel das Leid der Armenier an, vermeidet jedoch eine Festlegung auf die historischen Umstände und die Schuldigen für das Geschehen. Jede Erwähnung von Völkermord und Genozid in Verbindung mit Türkei und Türken unterbleibt mit Rücksicht auf türkische Empfindlichkeiten. Die empörte armenische Reaktion darauf wird in einer offiziellen Stellungnahme beantwortet mit der Verlagerung in eine Historikerdebatte:

„Die Erforschung der Ereignisse bei diesem delikaten Thema muss durch eine öffentliche Diskussion und durch Historiker geschehen, natürlich nur aufgrund von Dokumenten und Tatsachen.“
Der Völkermord an den Armeniern ist in den letzten dreißig Jahren von einer Vielzahl von international renommierten Wissenschaftlern auf der Grundlage der diplomatischen Archive des (kriegsverbündeten) Deutschen Reichs (vgl. Johannes Lepsius, der schon 1919 eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten veröffentlicht hat) sowie Österreich-Ungarns, zahlreicher Augenzeugenberichte von US-amerikanischen Konsuln, des weiteren Augenzeugenberichten von im Land tätigen Missionaren aus einer Vielzahl von Ländern (u.a. Dänemark, Schweiz, Holland) sowie der Zeugnisse von Überlebenden (einige Hundert wurden z.B. auf Video festgehalten) historisch erforscht und in seinen Grundzügen detailliert dargestellt worden. Die einschlägigen Vereinigungen international anerkannter Genozid-Forscher (z. B. die Association of Genocide Scholars) sowie führende Erforscher des jüdischen Holocaust wie Elie Wiesel, Yehuda Bauer, Israel Charny und Stephen Feinstein haben entsprechende Resolutionen abgegeben und die Vorgänge eindeutig als Genozid bezeichnet. Teilaspekte des Geschehens sind jedoch aufgrund der Unauffindbarkeit eines Teils der osmanischen Archive und weiterer wichtiger (vor Allem armenischer und russischer) Quellen nicht restlos aufgeklärt. Eine differenzierte Bewertung wird durch die offizielle Leugnungspolitik der Türkei erschwert, die die Vorgänge jahrzehntelang totzuschweigen und jede Spur der jahrtausende alten armenischen Präsenz auf ihrem Territorium zu tilgen versucht hat. Aus der Erfahrung der totalen Vernichtung ihrer Kultur in Westarmenien einerseits und der oftmals zynischen Haltung der Türkei ihrem Leid gegenüber hat sich auf armenischer Seite eine ebenso kompromisslose Haltung verfestigt, die auch international durch entsprechendes Lobbying Druck auf die Türkei auszuüben versucht. Der amtierende türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan schlägt seit Jahren vor, die Geschehnisse im Rahmen einer sowohl von Armeniern als auch von Türken und internationalen Wissenschaftlern besetzten Historikerkommission zu untersuchen. Angesichts der seit über 80 Jahren fortdauernden massiven Leugnung seitens der Türkei und der Tatsache, dass die internationale Forschergemeinschaft die Vorgänge in ihrer überwältigenden Mehrheit als Völkermord klassifiziert, wird diese Forderung von armenischer Seite eher als Ablenkungsmanöver gesehen.


Jüngste politische Entwicklungen
Während die Europäische Kommission im Unterschied zum Europaparlament eine Anerkennung des Völkermordes an den Armenier durch die Türkei auch weiterhin nicht explizit als Voraussetzung für den Beitritt zur Eurpäische Union fordert, kam es im letzten Quartal 2006 zu ernsthaften diplomatischen Krisen zwischen der Türkei und den EU-Mitgliedsländern Frankreich und Holland.

In Holland wurden bisher insgesamt drei türkischstämmige Politiker aus ihren Partein ausgeschlossen, weil sie trotz intensiven Druckes den Völkermord nicht anerkennen wollten. Sowohl die Christlich-Demokratische Partei Hollands als auch die sozialdemokratische Partei der Arbeit reagierten damit auf Beschwerden armenischer Interessensgruppen.

In Frankreich besteht eine aus türkischer Sicht noch kritischer zu bewertende Entwicklung. Für den 12. Oktober 2006 wird im französischen Parlament erneut die Einbringung eines Gesetzentwurfes angekündigt, bei dem es darum geht, die Leugnung des Völkermordes analog zur Holocaustleugnung unter Strafe zu stellen. Kritik an diesem Gesetzentwurf wurde sowohl innerhalb Frankreichs als auch von anderer Seite geäußert; dagegen sprach sich u.a. der finnische EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn aus.


Einzelne internationale Stimmen, die die Einordnung als Völkermord ablehnen
Es gibt auch einige renommierte Wissenschaflter und Intellektuelle außerhalb der Türkei, die sich dagegen ausgesprochen haben, die Geschehnisse als "Völkermord" zu bezeichnen. So vertritt der berühmte Historiker Bernard Lewis, ein prominenter jüdisch-britischer Historiker und Islamwissenschaftler an der Princeton University, die These, dass der Tod Hunderttausender von Armeniern im Osmanischen Reich kein staatlich geplanter Völkermord, sondern eine Nebenwirkung des Kriegsgeschehens gewesen sei. Nach Veröffentlichung dieser Aussage 1994 in der französischen Zeitung Le Monde wurde der Historiker von einem Pariser Gericht zu einer symbolischen Geldstrafe wegen Verunglimpfung des Andenkens der Opfer des armenischen Genozids verurteilt. Der Geschichtsprofessor und Islamwissenschaftler Gilles Veinstein bekräftigte 1995 im Zusammenhang mit der Affäre Lewis, er könne die Geschehnisse aus seiner Sicht nicht als Genozid bezeichnen (wiewohl eine Einordnung nicht unmittelbar in sein Fachgebiet falle). Seine Wahl ins Collège de France, die kurz nach Erscheinen des betreffenden Artikels in der Zeitschrift L'Histoire anstand, wurde daraufhin zum Politikum. Eine breite Front von Wissenschaftlern (u.a. Israel Charny, Leiter des Instituts zur Erforschung des Holocaust und des Genozids in Jerusalem) sprach sich dagegen aus und bezichtigte Veinstein des Negationismus. Unter gewaltigem Druck und sogar Todesdrohungen verzichtete Veinstein auf weitere Aussagen hinsichtlich der Völkermordsthese.



http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lke ... _Armeniern
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Beitragvon troupier suisse am Do 12 Okt, 2006 13:49

Wenigstens einen Armenier dürften die meisten kennen - Shahnour Varenagh Aznavourian auch bekannt als Charles Aznavour:

http://www.c-aznavour.com/SITE/accueilEN.html
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt. (Oscar Wilde)
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Beitragvon Hagelhans am Do 12 Okt, 2006 15:36

Ist Corporal Klinger vom MASH nicht auch Armenier?
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Beitragvon Napoleon am Do 12 Okt, 2006 16:58

Nö, Libanese. Nicht ganz das gleiche.
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Beitragvon Monty am Do 12 Okt, 2006 17:17

Vielen Dank Napoleon.
Wollte schon nach dem suchen,da es momentan serh Aktuel ist.
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Beitragvon Hagelhans am Do 12 Okt, 2006 18:39

Betrachtet mal am Kiosk den Titelzug der Hürryet, dem "Türken-Blick",

Oben neben der Fahne steht etwas das nichts anderes heist als "Türkei den Türken."

Ich habe schon mit jungen, sogenannt vollintegrierten Türken gesprochen die allen ernstens behaubteten es gäbe gar kein Kurdisches Volk. Es gäbe nur Türken in ihrem Land und wer sich gegen die Regierung stelle sei einfach ein Rebell und Seperatist. Gleich wird es sich wohl auch mit den Armeniern sein.

Sie leugnen nicht nur Völkermord, sie ignorieren die kulturelle, Sprachliche und religiöse Eigenständikeit ganzer Völker.

Die Reformtürkenbewegung hat wohl den humanistischen Lehrsatz von wegen "Alle Menschen sind gleich" grundlegend missverstanden.
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Beitragvon Napoleon am Do 12 Okt, 2006 18:50

......und andere sind gleicher!

Tja, das ist ein Problem welches sicher noch lange die Gemüter erhitzen wird.
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Beitragvon Napoleon am Fr 09 Mär, 2007 12:09

Nach dem vorliegenden Bericht ist das Thema wie oben geschrieben noch lange nicht abgeschlossen. Ich denke auch das das ganze als Provokation von Extremisten, egal welcher Art, ähnlich wie dem Holokaustverleugnern nie enden wird, egal welche Bewiese vorliegen.

Wahrscheinlich geht es hier auch nicht um die Sache selbst, sondern um denjenigen der/die es verleugnet/n.

Bluewin.ch hat geschrieben:Der türkische Politiker Dogu Perincek hat gegen das Antirassismus-Gesetz verstossen. Das Bezirksgericht Lausanne verurteilte Perincek, weil er den Genozid an der armenischen Bevölkerung durch die türkischen Machthaber im Jahr 1915 geleugnet hatte. [sda] - "Der Völkermord an den Armeniern ist international und in der Schweiz anerkannt", sagte Einzelrichter Pierre-Henri Winzap. Neben dem Nationalrat und den Kantonen Waadt und Genf betrachteten auch die Universitäten und Schulen im Land die Massaker an den Armeniern im zweiten Weltkrieg als Völkermord.

Dass der Bundesrat es vorziehe, zu dem Thema zu schweigen, sei wegen dessen Sorge um die internationalen Beziehungen verständlich, sagte Winzap weiter. Der Rassist und Nationalist Perincek habe genau gewusst, was er tue und sei deshalb zu verurteilen. Sein Motiv sei klar rassistisch gewesen.

Er auferlegte Perincek eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 100 Franken bedingt sowie zu einer Busse von 3000 Franken. Zudem muss er die Gerichtskosten übernehmen und der Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA) einen symbolischen Betrag von 1000 Franken zahlen.

"Das ist ein rassistisches und imperialistisches Urteil", sagte Perincek unmittelbar nach der Verhandlung. Aber das treffe nicht ihn, sondern das Schweizer Volk, das nicht frei über die Geschichte sprechen dürfe, sagte Perincek weiter. Er kündigte an, das Urteil weiterzuziehen.

Perincek sieht sich als Opfer in einer Linie mit Galilei, Robespierre und Marx, die ebenfalls für ihre Ideen verurteilt worden seien. Der Richter sei nicht neutral gewesen und hasse ihn.

Perincek hatte im Jahr 2005 in der Schweiz mehrmals den Genozid an den Armeniern im zerfallenden osmanischen Reich als "internationale Lüge" bezeichnet. Er war deshalb in den Kantonen Zürich, Bern und Waadt angezeigt worden. Die GSA war als Zivilklägerin anerkannt worden.
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Beitragvon dustoff am So 11 Mär, 2007 08:18

Ich verstehe wirklich nicht wie man den Völkerord verleugnen kann ... die Leute müssen blind, stumm und taub sein ....
Gruss
Danielle


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Beitragvon Ordonnanz am So 11 Mär, 2007 10:32

Oder türkische Nationalisten.....

Mit denen sollte man nicht spassen, die sind so etwas von verbohrt auf ihr Heimatland, dass sie wahrscheinlich jeden das Rückgrat brechen würde, der ihren "heiligen" Atatürk nicht mit höchsten Tönen lobt.

Siehe das Fussballspiel Schweiz-Türkeit vom Herbst 2005 als sie unsere Nationalmannschaft überaus freundlich begrüsst und wieder verabschiedet haben...

Freundlicher Gruss

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