An einem Tag im Sonderbundskrieg 1847

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An einem Tag im Sonderbundskrieg 1847

Beitragvon troupier suisse am So 24 Sep, 2006 19:30

Johann Christoph Kunkeler führte als Hauptmann die St.Galler Parkartillerie-Halbkompanie 42 in den Sonderbundskrieg 1847, jenem Feldzug der als letzter Schweizer Bürgerkrieg in die Geschichte der Nation einging. Er fasste später mit Hilfe seines Notzibuches welches ihn damals ins Feld belgeitete seine Erinnerungen zusammen. Die folgenden Zeilen handeln von den Kämpfen bei Gisikon und bei Meierskappel am 23.November 1847. Dort stiessen an diesem Tag Brigaden der IV. (Ziegler) und V. (Gmür) eidgenössischen Division auf Kräfte des Sonderbunds, die dem Gegner heftige Gefechte lieferten. Kunkelers Bericht fügte ich einige ergänzende oder korrigerende Anmerkungen hinzu.


Hauptmann Rust wagt sich zu weit vor

Anerkanntermassen war am 23. der Sieg und die Ehre des Tages bei Honau und Gisikon der vortrefflichen Leitung des Divisionskommandanten Ziegler, seinem, sowie des Brigadiers Egloff persönlichem Muth, der Überlegenheit der Artillerie und der braven Haltung der Truppen zu verdanken. Dass auch mein Kamerad aus der Thunerschule von 1841, Hauptmann Rust von Solothurn, mit seiner Batterie in Gisikon sich die Sporen verdient hat, war mir eine wahre Herzensfreude.

Der wilde Hauptmann Rusticus ging bei dieser willkommenen Gelegenheit - seiner innersten Natur entsprechend - rasch und scharf in's Zeug, fuhr mit seiner Batterie vor den starken feindlichen Schanzen auf und liess die Geschütze geraume Zeit gegen den gedeckten Gegner tüchtig arbeiten, musste dann aber seine Position aufgeben, nachdem ihm vom starken Geschützfeuer der Sonderbündler eine Kanone demontiert, einige Leute der Bedienungsmannschaft und mehrere Zugpferde über den Haufen geschossen worden und die Luzernertruppen einen Vorstoss begannen.



Anmerkungen:

An der Seite von Hauptmann Franz Rust fiel durch eine Granate der Sonderbundsbatterie von Hauptmann Mazzola der 21 Jahre alte Kanonierwachtmeister Heinrich März aus Hägendorf, der das erste Geschütz in der Artilleriekompanie 9 in der Nähe von Rust führte. Beim dritten Geschütz wurden die Kanoniere Peter Kuntz aus Dornach und Urs Moser aus Aetigkofen tödlich verwundet, eine Granate riss jedem von ihnen ein Bein weg. Ein Trainsoldat verlor einen Arm, zwei Pferde wurden nahezu zur gleichen Zeit getötet und ein drittes wurde verwundet. Unter Jubelrufen brach dann die Luzerner Jägerkompanie Pfyffer-Feer aus dem Laufgraben hervor, unterstützt von der Obwaldner Kompanie Vonrotz. Die Batterie Rust war in ernsthafte Bedrängnis geraten.

Die Brigade Egloff gehörte zur IV. Division unter Oberst Eduard Ziegler. In dieser Division dienten ferner die Brigaden König und Müller. Die Division vereinigte in ihren Reihen Wehrmänner aus den Kantonen Zürich, Aargau, St.Gallen, Thurgau, Solothurn, Glarus, Appenzell A.Rh und Graubünden.



Bild

Das Aquarell (Ausschnitt) von Albert von Escher (1838-1905) stellt nach Zeugenberichten das erste Geschütz der Batterie Rust im Gefecht bei Gisikon dar. Tödlich verwundet sinkt in der Mitte Wachtmeister Heinrich März nieder, rechts zu Pferd wacht Hauptmann Franz Rust über den Kampfeinsatz seiner Batterie.


Gerettet dank einem Trommler

Nun zeigte es sich aber, dass die Räder zweier Geschütze so tief und fest im weichen Boden stacken, dass sie nicht von der Stelle zu bringen waren. In diesem kritischen Moment kam von unerwarteter Seite die willkommene Hilfe. Der Tambourkorporal Wehrli beim Basler-Bataillon Heusler (Brigade Egloff), das in kurzer Distanz hielt, bemerkte die Verlegenheit in welcher sich die Batterie befand, und schnell entschlossen und ohne einen Befehl von seinem Kommandanten abzuwarten, schlägt er den Sturmmarsch; die übrigen Tambouren folgen und diesen folgt das Bataillon und nimmt die gefährdete Stellung in Besitz. Inzwischen werden die zwei Geschütze freigemacht und sind gerettet.

General Dufour, der am folgenden Tage den Tambourkorporal wegen der eigenmächtig aber glücklich verlaufenen Initiative zu sich befahl, hat ihn nicht erschiessen lassen, denn wir wissen dass Wehrli später die Amtsstelle eines Rathsboten in Basel bekleidet hat. St.Gallische Truppen kamen bei Buonas, am Rooterberge (Südseite), bei Meierskappel und am Kiemen ins Gefecht und zwar zwei Infanterie-Bataillone und zwei Batterien, wobei sich namentlich das Bataillon Hilty, das bei der Einberufung noch unzuverlässige Abtheilungen enthalten hatte, und die Batterie Heiland, sich wacker hielten.



Anmerkung:

Hier muss sich Kunkeler irren, denn es gab kein Infanteriebataillon aus Basel-Stadt, welches sich am Kampf beteiligte. Die konservative Regierung der Stadt wusste es zu verhindern, dass ihre Infanterie auf eidgenössischer Seite kämpfen musste. Stattdessen handelte man aus dass Basler Truppen während des Kriegs nur die Grenze zu Frankreich bewachen sollten. Das Gros der Basler Infanterie wäre gerne ausgerückt, einige reichten sogar vergebens an General Dufour eine Petition ein - dennoch mussten die Basler daheim bleiben. Einzig die Batterie Paravicini (die Basler Artillerie war ein Hort liberalen Denkens) durfte sich mit 152 Mann der eidgenössischen Armee anschliessen. Es kann also kaum ein Basler Bataillon gewesen sein, welches die Geschütze von Hauptmann Rust rettete. Ironischerweise gab es aber in der IV. Division dennoch ein Basler Bataillon, nämlich das Bataillon 64 unter Oberst Basler.



Besonders das Feuer der letzteren (Batterie Heiland) zwang den Feind zum Rückzuge über Meierskappel, worauf derselbe von Brigaden-Oberst Ritter von Stellung zu Stellung verdrängt wurde, so dass am Abend selbst die auf dem Kiemergrat vortheilhaft postirten Schwyzertruppen denselben räumen und sich im Dunkel der Nacht nach Immensee und Küsnacht zurückziehen mussten. Etwelchen Verlust hatte an diesem Tage die Brigade Ritter vor Meierskappel erlitten, wo ihre Vorhut, bestehend aus den Jägern des Zürcher-Bataillons Brunner, einer Abtheilung Bündener-Scharfschützen und einer Anzahl Freiwilliger, unvorsichtigerweise in geschlossener Kolonne marschirten und unversehens von zwei Luzerner oder Schwyzer Scharfschützenkompagnien aus sehr günstiger Position mit einem Kugelregen überschüttet wurden.

Sie zählte vier Todte und fünf Verwundete, unter letzteren den tüchtigen Jägerhauptmann Frauenfelder, der einen Schuss durch das beim Ausgleiten gebrochene Bein erhielt. Doch die diesseitigen Schützen - nachdem sie Stellung genommen hatten - rächten mit wohlgezielten Schüssen den Verlust und es sollen die Sondlerbündler, als sie weichen mussten, neun Todte und zwölf Verwundete gezählt haben. An diesem Tage erhielt auch Oberstlieutenant Bänziger, an der Spitze seines Bataillons Appenzeller, einen Büchsenschuss durch den Arm.



Anmerkung:

Die genannte Brigade Ritter unterstand gemeinsam mit der an ihrer Seite operierenden Brigade Isler der V. Division unter Oberst Dominik Gmür. In der Division diente ferner die Brigade Blumer. Unter Gmürs Kommando standen Truppen aus den Kantonen Zürich, St.Gallen, Thurgau, Schaffhausen und Glarus.



Bild

Der Stich von Johann Hürlimann (1793-1850) nach Skizzen von Joseph Martignoni (1803-1873) zeigt das Vorrücken das Bataillons Nummer 3 (Zürich). In der Mitte versucht sich Hauptmann Frauenfelder mit Hilfe seines Degen aufzurichten.


Anmerkung:

Heinrich Frauenfelder aus Henggart wurde 1808 geboren und führte die erste Jägerkompanie des Zürcher Bataillons Brunner (Nummer 3). Er wurde am 23.November wie erwähnt schwer verwundet und starb im Lazarett in Zürich an den Folgen seines Oberschenkeldurchschusses im Januar 1848. Er soll nachdem er getroffen wurde, seinen zu Boden gefallenen Degen ergriffen haben, um sich aufzurichten und einige schwankende Schritte weiter vorzugehen, bevor er endgültig zu Boden ging. Seine vorgehende Kompanie musste ihn zurücklassen, erst später konnten ihn einige seiner Männer bergen.
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Beitragvon Traingelo am Do 10 Jul, 2008 07:11

Kleine Ergänzung zum Bild des Bataillons Brunner:
Das Bataillon Brunner (Zürcher Nr. 3) war im 1. Bataillon der I. Brigade der 5. Divison (Divisionskommandant Dominik Gmür, Schänis) eingeteilt.
Kommandant dieses Bataillons war Heinrich Brunner, Major war Johann Wegmann; es hatte 632 Mann, eingeteilt in 2 Jäger- und 4 Centrumskompagnien.
Kommandanten:
1. Jägerkompagnie Heinrich Frauenfelder
2. Jägerkompagnie Johann Steiner
1. Centrumskompagnie Heinrich Brandenberger
2. Centrumskompagnie Ferdinand Leemann
3. Centrumskompagnie Heinrich Stucki
4. Centrumskompagnie Jacob Ritter

Im Buch von Hugo Schneider, "Vom Brustharnisch zum Waffenrock" sind auf der Farbtafel 38 zwei Jäger dieses Bataillons abgebildet.
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