Feldpostbriefe eines Luftwaffensoldaten

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Feldpostbriefe eines Luftwaffensoldaten

Beitragvon troupier suisse am Do 14 Sep, 2006 19:54

Ich erlaube mir hier etwas neues zu probieren. Aus meiner Feldpostsammlung habe ich drei Briefe einer Serie rausgesucht um sie hier zu publizieren, als kleiner Einblick in ein Kriegsschicksal. Es handelt sich um Briefe die der am 1.Januar 1924 geborene Helmuth von M. seiner Mutter in Wien (damals zum Deutschen Reich gehörend) schickte. Die ersten beiden der Briefe tragen die Feldpostnummer der Abteilung des Generals der Luftwaffe Paris.

Als er den ersten der Briefe schrieb war Helmuth noch keine 18 Jahre alt und sein Dienstgrad lautete Flieger. Als er von seinem Posten bei den Besatzungstruppen der Wehrmacht in Paris versetzt werden sollte, bemühte er sich vergebens um eine Zuteilung zum Afrikakorps. Helmuth fand sich schliesslich im Oktober 1942 bei der 1.Luftwaffen-Felddivision wieder, die auf dem Truppenübungsplatz Maubeuge in Frankreich zusammengestellt wurde wieder.

Mit seiner neuen Einheit ging Helmuth im November 1942 an die Front zur 18.Armee, in eine Stellung am Westrand des Ilmensees nahe Nowgorod in Russland. Bei der von Generalleutnant Gustav Wilke befehligten Felddivision steig er zum Gefreiten auf.


Brief vom 4.Dezember 1941

Liebe Mama,

Du wirst erstaunt sein, dass Du so lange keine Nachricht erhalten hast. Aber die Sache ist die: Päckchen per Bahn zu senden ist nicht möglich. Ich habe alles Mögliche versucht. Die Züge nach Mülhausen fahren Abend um 1/2 8h und früh um 7h von Paris ab. Jedes mal sind andere Beamte. Wenn ich nun wirklich einen kennenlernen wollte, ist es ungewiss, ob ich ihn wiedersehe. Das ist zu unsicher.

Ich werde kleine Feldpostpäckchen senden. Das dauert zwar länger, ist aber doch sicherer. Gehäuft habe ich schon etliches. Mantel. Ab 1.Jänner 42 dürfen wir kein Geld mehr geschickt bekommen. Also geht es dann mit dem Geld schlecht aus.

Auch bekommen wir nicht mehr 440 Franc sondern 220 Franc. Der Rest wird auf Heimatkonto eingezahlt. Angeblich leidet die franz. Wirtschaft zu sehr, wenn jeder kaufen kann, was er will, da Rohstoffmangel ist.

Onkel sage bitte, dass ich hoffe, bald passende Schlafanzüge gefunden zu haben. Das war bisher das Schwerste. In ungefähr einer Woche gehen die ersten Päckchen ab. Ich habe mir das alles zu einfach vorgestellt. Aber es geht auch so. Weniger wichtige Dinge bringe ich im nächsten Urlaub mit. Die 50 RM habe ich erhalten.

Kuss an Oma und Dich
Euer Helmuth




Brief vom 8.April 1942

Chère maman;

Teile Dir in Eile mit, dass meine Versetzung perfekt ist. War heute bei der Tropentauglichkeitsprüfung, Bin volltauglich. Ich gehe lieber nach Afrika als nach Russland. Dort ist es wärmer. Schreib mir bitte so rasch als möglich, damit ich nochmals Post nach hier bekomme. Dann werde ich längere Zeit auf Nachricht warten müssen. Ende dieser Woche kriege ich noch Bilder von mir. Werde ich Dir natürlich noch rasch eines zukommen lassen. Dann weisst Du wenigstens, wie ich in meiner jugendlichen Glanzzeit aussah.

Nochmals die besten Grüsse an alle Bekannten und Verwandten.

Vielmals grüsst Dich
Dein Helmuth




Brief aus Russland vom 21.November 1942

Mein liebes Müttel,

Bin nun seit 14 Tagen an meinem neuen Bestimmungsort angekommen. Ich liege nun am Wolchow nördlich des Ilmensees. Wir haben schon ganz nett Schnee hier. Ausserdem ist es saukalt.

Deinen letzten Brief mit Thema „Nossek“ habe ich erhalten. Das Mädel muss ja ein wahres Wunderkind sein. Bist ja gar schon in sie verliebt? Übrigens, wieviele weibl. Wesen hast Du noch auf Lager für mich? Mein Harem nimmt ja ständig zu, dank Deiner werten Mitarbeit. Ich bin ihr, Nossekdame, sehr dankbar, dass sie sich so nett um Dich bekümmert. Ich werde selbstverständlich sehr nett zu ihr sein, was mir nach der bisherigen Beschreibung doch gar nicht schwer fallen wird.

Wenn Du mir genügend Briefpapier schicken kannst, darf sie mir sogar schreiben. Natürlich sind Päckchen sehr erwünscht. Kuchen und Puddingpulver, Süssigkeiten aller Art und Rauchwaren sind so die Dinge, die dem Soldaten neben seinen Angehörigen am meisten fehlen. Also unterrichte bitte diesen Ausbund aller Tugenden in diesem Sinne.

Was tut sich sonst im schönen Wien? Dort wird es wohl noch nicht so kalt sein. Wir frieren hier wie die Schneider. Und an Urlaub ist nicht zu denken. Ich würde sehr gerne wieder einmal mich der Länge nach in unsere Badewanne legen. Und dann saubere Wäsche anziehen. Diese Möglichkeiten haben wir in den engen Bunkern leider nicht.

Im Augenblick warte ich voll Sehnsucht auf das Essen. Es gibt immer Mittag und Abend zugleich. Beides ist in einer 1/2 Stunde verschwunden. Dann heisst es hungern bis zum nächsten Mittag. Das Essen ist noch genau so gut wie es war. Ich glaube, ich habe einen Bandwurm von 5m Länge. Ich bin der Verfressenste der Gruppe, und das will was heissen.

So, sonst gibt es nichts zu erzählen. Schreib bitte bald und oft!!

Für heute küsst Dich recht herzlich
Dein Helmuth



Keinen Monat nach diesem Brief, am 15.Dezember 1942, fiel der Gefreite Helmuth von M. im Alter von 18 Jahren, 11 Monaten und 2 Wochen südlich von Podheresk. Er ruht heute auf dem Nowgorod-Sammelfriedhof.
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Beitragvon Cpl. Train am Do 14 Sep, 2006 22:17

Sehr ergreifende Briefe, sie zeigen wie die Stimmung markant umschlägt, von fast Vorfreude auf warmes Afrika und dann schimmpfend auf denn kalten Osten.Sie zeigen auch denn wachsenen Mangel an Kleinigkeiten.

Ob er im Vorfeld wuste, dass es egal wohin geschickt zu werden, trotzdem um Leben u. Tod ging???War ja noch recht jung.

Sollche Briefe zeigen wie wichtig es ist daran zu erinner, das egal auf welcher Seite ein Soldat kämpfte immer noch ein menschliches Wesen in der Uniform steckte und diese Personen nicht in Vergessenheit geraten dürfen.
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Beitragvon troupier suisse am Fr 15 Sep, 2006 10:19

Wie Du beobachtet hast, spricht viel persönliches aus solchen Briefen. Dies ist der Grund wieso ich Feldpost sammle. Ich achte dabei kaum auf bestimmte, oft sehr begehrte, Einheiten sondern konzentriere mich auf die persönliche Note.

Man kommt sich zuweilen wie ein Schuft vor, wenn man in sehr persönlichen Schriftstücken fremder Menschen rumschnüffelt, und es stimmt nachdenklich wenn Enkel oder Grossneffen ganze Briefwechsel voller Schmerz und Hoffnung der Schreibenden, in profitable kleine Lots zerlegt, auf eBay verkaufen.

Bei diesem jungen Flieger half mir die Feldpostnummer bei der Idendifizierung seiner Einheit, und die beiläufig konsultierte Gräbersuche des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge ( http://www.volksbund.de/ ) offenbarte mir dass der junge Mann den Krieg nicht überlebt hat, wann er fiel und wo er bestattet ist.

Es war mal so ein Gedanke, hier auf diese Weise ein Schlaglicht auf ein Schicksal zu werfen. Ich habe aus der gesamten Briefserie in meinem Archiv den Eindruck gewonnen, dass der junge wehrbegeisterte Mann aus gutem Hause dank Beziehungen seiner Familie einen relativ sicheren Posten bei der Luftwaffe in Paris bekam, wo sich seine Mutter nicht um den 17jährigen ängstigen musste. Schicksale wie sie in allen Armeen vorkamen.
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Beitragvon santosdumont am Fr 15 Sep, 2006 17:56

Hallo Troupier Suisse,ich finde deine Idee toll,aus den Briefen kann mann die Gefühle und die Stimmung von den einzelnen Soldaten lesen,ohne publiken einfluss zu haben.

Gruss Santosdumont
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Beitragvon Ordonnanz am Fr 15 Sep, 2006 18:37

Sehr eindrücklich!
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Beitragvon Cpl. Train am Fr 15 Sep, 2006 21:03

Ich finde es auch wichtig solche Schriftstücke, zu archivieren bzw. zu erhalten, für die kommenden Generationen, damit sie einen ein Blick erhalten können was wirklich passiert ist bzw. was jeder einzelne (Kriegsteilnehmer) egal ob Soldat o. Zivilist, egal welcher Herkunft o. Glauben gehoft, erlebt oder Ängste fürchtete.

Heute wird doch nur in denn Schulen beigebracht von wann bis wann gedauert, wer gewonnen hat, fertig.

Frag mal junge Leute auf der Straße was sie mit 14/18 verbinden, da bekommste als Antwort ne Uhrzeit!!! #-o

Ebenso die Leute die damit Geschäft machen mit solch Privaten Sachen (allgemein Papiere usw.) aus Geldgier, wie auch verkauf von irgend welchen Erkennungsmarken, die irgendwo ausgegraben wurden und somit Jemanden dem sie gehörte seine Identität gestohlen hat ist mir unverständlich.

Ich finde es sehr Gut was du machst, und denn Werdegang verfolgst, weiterso.


Gruß Martin


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Beitragvon troupier suisse am Fr 15 Sep, 2006 21:21

Ich danke Euch vielmals für Euer Feedback. Zuerst hatte ich befürchtet, dass sowas kaum Echo findet, denn eigentlich ist es ja kein Diskussionsbeitrag sondern nur was zum lesen und nachdenken, also nicht wirklich etwas für ein Forum wo ja Gedanken ausgetauscht werden. Aber irgendwie sind es auch Gedanken die hier online gingen, Gedanken eines Vertreters einer missbrauchten Generation.

Es liegt in der Natur der Sache, dass ich bei deutschen Feldpostbriefen gelandet bin, denn solche sind im deutschsprachigen Raum leichter zu sammeln als Briefe anderer Armeen, die zweifellos auch interessant sind. Dazu kommt dass ich das Vokabular jener Zeiten in alter deutscher Handschrift entziffern kann, aber in einer anderen Sprache wirklich Mühe bekommen könnte, wenn Wörter auftauchen die schon lange nicht mehr benutzt werden.

In Feldpostbriefen kann man desillusionierten Landsern, besorgten Müttern, überzeugten Nazis oder verzweifelten Ehefrauen begegnen. Und ihre Worte bringen, für mich jedenfalls, etwas sehr authentisches und wahrhaftiges rüber.
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Beitragvon Svenja am Mo 18 Sep, 2006 17:45

Feldpostbriefe und sonstige private Briefwechsel gehören für mich auch zu den interessantesten Dokumenten aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Ich kann es auch nicht verstehen, wieso einige Nachfahren solche Dokumente bei ebay verkaufen, anstatt sie selbst zu behalten.

Ich selber besitze eine Karte meines Grossvaters, der während dem Zweiten Weltkrieg im Aktivdienst war und verwundet wurde. Die Karte hat er aus dem Krankenhaus an seine Angehörigen geschrieben und er schreibt was er dort alles erlebt.

Zudem besitze ich eine Karte von einem Grossonkel, der evtl. während des Ersten Weltkriegs gedient hatte. Leider steht auf der Karte nicht, von wo aus er sie geschickt hat. Mit der Entzifferung des Textes habe ich auch ziemlich Mühe, bis jetzt ist mir nur der erste Satz klar.

Falls mir jemand hier bei der Entzifferung helfen könnte, wäre ich sehr dankbar. Ich habe die Karte gestern eingescannt, könnte sie also bei Interesse hier veröffentlichen.
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Beitragvon dustoff am Mo 18 Sep, 2006 18:07

Solche Briefe sind interessant. Aber man sollte auch bedenken dass diese Briefe zum Teil sehr persönlich geschrieben sind und deshalb nicht unbedingt veröffentlicht werden sollten .... nur so meine Meinung.
Gruss
Danielle


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Beitragvon troupier suisse am Mo 18 Sep, 2006 20:41

Guten Abend Svenja. Wir können wir per PM die E-Mailadressen austauschen und ich könnte mal einen Blick auf die Scans werfen. Vielleicht kann ich auch die eine oder andere Zeile entziffern. Ich würde den Scan per E-Mail an Interessierte weitergeben, und ihn nicht hier publizieren ohne zu wissen was drinsteht. Aber dies ist Deine Entscheidung.

Guten Abend Dustoff. Von deinem durchaus bedenkenswerten Standpunkt aus gesehen, hätte aber auch das Tagebuch der Anne Frank nicht publiziert werden dürfen. Natürlich liegt es mir fern dies zu vergleichen, doch offenbart gerade das persönliche Moment solcher handgeschriebener Zeilen, wie kaum etwas anderes den tragisch-menschlichen Aspekt.

Ich denke die vorgenommene Anonymisierung von Namen, und wenn nötig Herkunftsorten, trägt dem Schutz der Privatsphäre genügend Rechnung. Aber dennoch ist die aufgeworfene Frage berechtigt, denn die Grenze zwischen Voyerismus und Interesse ist ein schmaler Grat.
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