Ich erlaube mir hier etwas neues zu probieren. Aus meiner Feldpostsammlung habe ich drei Briefe einer Serie rausgesucht um sie hier zu publizieren, als kleiner Einblick in ein Kriegsschicksal. Es handelt sich um Briefe die der am 1.Januar 1924 geborene Helmuth von M. seiner Mutter in Wien (damals zum Deutschen Reich gehörend) schickte. Die ersten beiden der Briefe tragen die Feldpostnummer der Abteilung des Generals der Luftwaffe Paris.
Als er den ersten der Briefe schrieb war Helmuth noch keine 18 Jahre alt und sein Dienstgrad lautete Flieger. Als er von seinem Posten bei den Besatzungstruppen der Wehrmacht in Paris versetzt werden sollte, bemühte er sich vergebens um eine Zuteilung zum Afrikakorps. Helmuth fand sich schliesslich im Oktober 1942 bei der 1.Luftwaffen-Felddivision wieder, die auf dem Truppenübungsplatz Maubeuge in Frankreich zusammengestellt wurde wieder.
Mit seiner neuen Einheit ging Helmuth im November 1942 an die Front zur 18.Armee, in eine Stellung am Westrand des Ilmensees nahe Nowgorod in Russland. Bei der von Generalleutnant Gustav Wilke befehligten Felddivision steig er zum Gefreiten auf.
Brief vom 4.Dezember 1941
Liebe Mama,
Du wirst erstaunt sein, dass Du so lange keine Nachricht erhalten hast. Aber die Sache ist die: Päckchen per Bahn zu senden ist nicht möglich. Ich habe alles Mögliche versucht. Die Züge nach Mülhausen fahren Abend um 1/2 8h und früh um 7h von Paris ab. Jedes mal sind andere Beamte. Wenn ich nun wirklich einen kennenlernen wollte, ist es ungewiss, ob ich ihn wiedersehe. Das ist zu unsicher.
Ich werde kleine Feldpostpäckchen senden. Das dauert zwar länger, ist aber doch sicherer. Gehäuft habe ich schon etliches. Mantel. Ab 1.Jänner 42 dürfen wir kein Geld mehr geschickt bekommen. Also geht es dann mit dem Geld schlecht aus.
Auch bekommen wir nicht mehr 440 Franc sondern 220 Franc. Der Rest wird auf Heimatkonto eingezahlt. Angeblich leidet die franz. Wirtschaft zu sehr, wenn jeder kaufen kann, was er will, da Rohstoffmangel ist.
Onkel sage bitte, dass ich hoffe, bald passende Schlafanzüge gefunden zu haben. Das war bisher das Schwerste. In ungefähr einer Woche gehen die ersten Päckchen ab. Ich habe mir das alles zu einfach vorgestellt. Aber es geht auch so. Weniger wichtige Dinge bringe ich im nächsten Urlaub mit. Die 50 RM habe ich erhalten.
Kuss an Oma und Dich
Euer Helmuth
Brief vom 8.April 1942
Chère maman;
Teile Dir in Eile mit, dass meine Versetzung perfekt ist. War heute bei der Tropentauglichkeitsprüfung, Bin volltauglich. Ich gehe lieber nach Afrika als nach Russland. Dort ist es wärmer. Schreib mir bitte so rasch als möglich, damit ich nochmals Post nach hier bekomme. Dann werde ich längere Zeit auf Nachricht warten müssen. Ende dieser Woche kriege ich noch Bilder von mir. Werde ich Dir natürlich noch rasch eines zukommen lassen. Dann weisst Du wenigstens, wie ich in meiner jugendlichen Glanzzeit aussah.
Nochmals die besten Grüsse an alle Bekannten und Verwandten.
Vielmals grüsst Dich
Dein Helmuth
Brief aus Russland vom 21.November 1942
Mein liebes Müttel,
Bin nun seit 14 Tagen an meinem neuen Bestimmungsort angekommen. Ich liege nun am Wolchow nördlich des Ilmensees. Wir haben schon ganz nett Schnee hier. Ausserdem ist es saukalt.
Deinen letzten Brief mit Thema „Nossek“ habe ich erhalten. Das Mädel muss ja ein wahres Wunderkind sein. Bist ja gar schon in sie verliebt? Übrigens, wieviele weibl. Wesen hast Du noch auf Lager für mich? Mein Harem nimmt ja ständig zu, dank Deiner werten Mitarbeit. Ich bin ihr, Nossekdame, sehr dankbar, dass sie sich so nett um Dich bekümmert. Ich werde selbstverständlich sehr nett zu ihr sein, was mir nach der bisherigen Beschreibung doch gar nicht schwer fallen wird.
Wenn Du mir genügend Briefpapier schicken kannst, darf sie mir sogar schreiben. Natürlich sind Päckchen sehr erwünscht. Kuchen und Puddingpulver, Süssigkeiten aller Art und Rauchwaren sind so die Dinge, die dem Soldaten neben seinen Angehörigen am meisten fehlen. Also unterrichte bitte diesen Ausbund aller Tugenden in diesem Sinne.
Was tut sich sonst im schönen Wien? Dort wird es wohl noch nicht so kalt sein. Wir frieren hier wie die Schneider. Und an Urlaub ist nicht zu denken. Ich würde sehr gerne wieder einmal mich der Länge nach in unsere Badewanne legen. Und dann saubere Wäsche anziehen. Diese Möglichkeiten haben wir in den engen Bunkern leider nicht.
Im Augenblick warte ich voll Sehnsucht auf das Essen. Es gibt immer Mittag und Abend zugleich. Beides ist in einer 1/2 Stunde verschwunden. Dann heisst es hungern bis zum nächsten Mittag. Das Essen ist noch genau so gut wie es war. Ich glaube, ich habe einen Bandwurm von 5m Länge. Ich bin der Verfressenste der Gruppe, und das will was heissen.
So, sonst gibt es nichts zu erzählen. Schreib bitte bald und oft!!
Für heute küsst Dich recht herzlich
Dein Helmuth
Keinen Monat nach diesem Brief, am 15.Dezember 1942, fiel der Gefreite Helmuth von M. im Alter von 18 Jahren, 11 Monaten und 2 Wochen südlich von Podheresk. Er ruht heute auf dem Nowgorod-Sammelfriedhof.