Waffeninitiative 13. Februar 2011 - Schutz vor Waffengewalt und lebendige Geschichte
Um es vorauszuschicken, das Thema betrifft durchaus auch das Gebiet der lebendigen Geschichte bzw. des Reenactment. Die öffentliche Debatte der jüngsten Zeit suggeriert, dass es nur um die persönliche Waffe der Armeeangehörigen gehe, was aber nicht korrekt ist. Wer den Text der Initiative studiert sieht, dass Feuerwaffen allgemein angesprochen sind. Darunter fallen gemäss dem aktuellen Waffengesetz alle dadurch definierten Objekte, von der Käpselipistole für's das Cowboyspielen über die schiessuntaugliche Kunststoffimitiation bis eben hin zum Vorderladergewehr im Re-enactment. Es ist also auch eine Frage von der die lebendige Geschichte direkt betroffen ist.
Alte Waffen von historischen Gruppen direkt betroffen
Zur bevorstehenden Abstimmung über die Waffeninitiative sei hier ein Punkt hervorgehoben der viele Leute aus unserem Gebiet der lebendigen Geschichtsdarstellung, aber auch historische Gruppen betrifft. Da dieser Umstand weitreichende Bedeutung hat, wird er nicht im geschlossenen Teil beim entsprechenden Fachgebiet sondern allgmein zugänglich publiziert. Hierzu wird weiter unten der Initiativtext wiedergegeben. Es geht konkret um eine besondere Passage darin.
Für Darsteller/innen der lebendigen Geschichte ist besonders Punkt 2 von Bedeutung. Der Schusswaffenbesitz für Darsteller/innen lebendiger Geschichte so wie historische Gruppen ist nicht vorgesehen und geplant. Es wurde bereits beim aktuellen Waffengesetz mit der Revision 2008 die lebendige Geschichtsdarstellung weitgehend ignoriert, mit schweren Folgen. Da lebendige Geschichtsdarstellung auch bei der von der Initiative angestrebten Gesetzesänderung nicht unter den genannten Punkten aufgeführt ist, wird sehr wahrscheinlich dieses den Behörden wenig bekannte Feld auch nicht als bedarfgebend anerkannt.
Es besteht die konkrete Gefahr, dass somit künftig von der mittelalterlichen Stangenbüchse über die Luntenschlossmuskete des 17. Jahrhunderts bis hin zu den napoleonischen Steinschlossgewehren und dem Vorderlader nach Perkussionssystem nichts mehr erworben und besessen werden darf, wenn die Initiative am 13. Februar 2011 angenommen wird, da historische Darstellung nicht als Bedarfsgrund zugelassen wird (unter "Sammeln von Waffen" wird es nicht laufen können, da das Gros der Leute im Re-enactment keine Sammler/innen sind und im Allgemeinen nur jene Waffen besitzen zu ihr ihrer Darstellung nötig sind).
Konkretes Beispiel, Darstellung Sezessionskrieg 1861-65. verbotene Objekte: Vorderladergewehre Enfield Modell 1853
Kein Unterschied zwischen historischen und modernen Waffen
Besonders sei auch darauf hingeweisen, dass der Text der Initiative keinen Unterschied zwischen Waffen vor 1871 und danach macht. Es ist anzunehmen dass somit alle Waffen den gleichen restriktivem Masstäben unterworfen sein werden. Ein kantonales Steinschlossgewehr von 1760 könnte somit vor dem Gesetz gleich eingestuft werden wie ein Armeesturmgewehr 1990. Bei allen Waffen würde demnach gelten, ohne nachgeweisenen Bedarf kein Besitz. Damit bezieht sich die angestrebte Gesetzesänderung im tiefgreifendem Masse auch auf unsere Gemeinschaft der lebendigen Geschichtsdarstellung.
Initiativtext (betreffende Passage hervorgehoben)
Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert:
Art. 107 Sachüberschrift und Abs. 1 / Sachüberschrift / Kriegsmaterial / 1 Aufgehoben / Art. 118a (neu) Schutz vor Waffengewalt
1 Der Bund erlässt Vorschriften gegen den Missbrauch von Waffen, Waffenzubehör und Munition. Dazu regelt er den Erwerb, den Besitz, das Tragen, den Gebrauch und das Überlassen von Waffen, Waffenzubehör und Munition.
2 Wer Feuerwaffen und Munition erwerben, besitzen, tragen, gebrauchen oder überlassen will, muss den Bedarf dafür nachweisen und die erforderlichen Fähigkeiten mitbringen. Das Gesetz regelt die Anforderungen und die Einzelheiten, insbesondere für:
a. Berufe, bei denen sich der Bedarf aus der Aufgabe ergibt;
b. den gewerbsmässigen Handel mit Waffen;
c. das Sportschützenwesen;
d. die Jagd;
e. das Sammeln von Waffen.
3 Besonders gefährliche Waffen, namentlich Seriefeuerwaffen und Vorderschaftrepetierflinten (Pump Action), dürfen nicht zu privaten Zwecken erworben und besessen werden.
4 Die Militärgesetzgebung regelt den Gebrauch von Waffen durch die Angehörigen der Armee. Ausserhalb des Militärdienstes werden die Feuerwaffen der Angehörigen der Armee in gesicherten Räumen der Armee aufbewahrt. Angehörigen der Armee dürfen beim Ausscheiden aus der Armee keine Feuerwaffen überlassen werden. Das Gesetz regelt die Ausnahmen, namentlich für lizenzierte Sportschützen.
5 Der Bund führt ein Register für Feuerwaffen.
6 Er unterstützt die Kantone bei Aktionen zum Einsammeln von Feuerwaffen.
7 Er setzt sich auf internationaler Ebene dafür ein, dass die Verfügbarkeit von Kleinwaffen und leichten Waffen eingeschränkt wird.
Konkretes Beispiel, historische Darstellung Ordonnanz 1861. verbotene Objekte: Vorderladergewehre Ordonnanz 1842/59
Faktisch wären davon alle Ebenen der Geschichtsdarstellung betroffen, die das militärische Fachgebiet ab Erfindung des Schwarzpulvers tangieren. Im schlimmsten Falle würde dies das Ende des militärhistorischen Re-enactment vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit in der Schweiz bedeuten. Um den weiten Bereich der Betroffenen zu illustrieren untenfolgend eine Liste mit einigen Vereinigungen.
Beispiele konkret betroffener Darstellungs- und Repräsentationsgruppen:
Company of St.George, Spätmittelalter 15. Jh, verbotene Objekte: Hand- bzw. Faustbüchsen mit Luntenschloss Link Site Company of Saynte George
Ehrenformation der Burgergemeinde Bern, Ehrengarde 17. Jahrhundert, verbotene Objekte Luntenschlossmusketen Modell 1630 Link Site Ehrenformation Burgergemeinde Bern
Arquebusiers de la Compagnie de 1602 16. Jh (Genf), verbotene Objekte: Luntenschlossmusketen Modell 1595 Link Site Arquebusiers de la Compagnie de 1602
Voltigeurs du 3ème régiment suisse 19. Jh (Napoleonisches Schweizerregiment), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre 1777 modifié an X Link Site Voltigeurs du 3ème regiment suisse
Ehrengrade der Zunft zu Safran Luzern, 18./19.Jh verbotene Objekte: Steinschloss- und Perkussionsgewehre Link Site Zunft zu Safran Luzern
Beresina Grenadiere, 3.Rgt. Näfels 19. Jh (Napoleonisches Schweizerregiment), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre 1777 modifié an X Link Site Beresina Grenadiere
Contingent des Grenadiers Fribourgeois 19. Jh (Ehrengarde des Kantons FR), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre Link Site Contingent des Grenadiers Fribougeois
Société des Vieux-Grenadiers de Genève, Genfer Ehrengarde, 19. Jahrhundert, verbotene Objekte, Steinschlossgewehre 1777 Link Site Société des Vieux-Grenadiers de Genève
Les Milices Vaudoises 19. Jh (Ehrengade VD), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre Ordonnanz 1817
Link Site Milices Vaudoises
Maritz Batterie Berner Artillerie 1840 19. Jh, verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Ord. 1842 Link Site Martiz Batterie
Zunft Hottingen ZH, Fähnlein der sieben Aufrechten, Formation zum Umzug des Zürcher Sechseleuten der Zunft, Verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Link Site Zunft Hottingen
Stänzler der Basler Mittwochgesellschaft (historische Repräsentationsgruppe einer Fasnachts-Clique), verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Ord. 1842 Link Site BMG
Zürcher Miliz Compagnie 1861 19. Jh, verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Link Compagnie 1861
Rost & Grünspan 19.-20. Jh (Schweizer Militärgeschichte ab 1842), verbotene Objekte: alle Ordonnanzgewehre ab 1842
Konkretes Beispiel, Gedenkanlass Grenzbesetzung 1914-1918. verbotene Objekte: Ordonnanzgewehre 1896/11
Achtung. Dies ist ein Hinweis zu einem Punkt der Initiative und keine Abstimmungsempfehlung, denn derartige Entscheidungen sind die Sache jeder einzelnen Person und sie sollten nach eigenem Ermessen und Gewissen gefällt werden. Eine eventuell aus diesem Post resultierende Diskussion hat sich jeglicher Gehässigkeit zu enthalten. Politischen Schlammschmeissereien wird dieses Forum weder von Pro noch von Contra ein Podium bieten. Das aktuell bereits beidseitig heftig praktizierte Dreckwerfen jenseits aller Menschenwürde beginnt dort wo vernünftige Argumente enden. Dieses Niveau wird die Administation nicht dulden. Sachliche Argumente ja, persönliche Meinungen ja, aber verbale Pöbeleien no way!
Ich beschwöre alle Leser/innen, sich vor dem Urnengang ihre Meinung mit kühlem Kopf und unter Befragung ihres Gewissens zu machen. Egal ob ihr dafür oder dagegen stimmt, tut es nicht aus dem Bauch heraus weil geifernde Eiferer aus den beiden Lagern (Jawohl, beide Seiten tun es!) versuchen mit dem Kitzeln niedriger Instinkte und dem Schüren von Angst eure Stimmen zu fangen. Lasst den Intellekt mitreden, wägt ab. Um auch gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, ich habe gewisse Sympathien für das Anliegen der Initiative, denn der Freitod eines unserer Forenmitglieder vor etwas über einem Jahr hat mich tief erschüttert. Aktuell stehe ich in tiefem Zwist mit mir selbst, da mit der lebendige Geschichte ein Bereich in Gefahr gerät, der niemandes Schaden sein will oder kann, und der dennoch droht unter die Räder zu kommen.