Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Allgemeines über die lebendige Geschichte.

Moderator: Hagelhans

Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon troupier suisse am So 09 Jan, 2011 12:13

Waffeninitiative 13. Februar 2011 - Schutz vor Waffengewalt und lebendige Geschichte

Um es vorauszuschicken, das Thema betrifft durchaus auch das Gebiet der lebendigen Geschichte bzw. des Reenactment. Die öffentliche Debatte der jüngsten Zeit suggeriert, dass es nur um die persönliche Waffe der Armeeangehörigen gehe, was aber nicht korrekt ist. Wer den Text der Initiative studiert sieht, dass Feuerwaffen allgemein angesprochen sind. Darunter fallen gemäss dem aktuellen Waffengesetz alle dadurch definierten Objekte, von der Käpselipistole für's das Cowboyspielen über die schiessuntaugliche Kunststoffimitiation bis eben hin zum Vorderladergewehr im Re-enactment. Es ist also auch eine Frage von der die lebendige Geschichte direkt betroffen ist.

Alte Waffen von historischen Gruppen direkt betroffen

Zur bevorstehenden Abstimmung über die Waffeninitiative sei hier ein Punkt hervorgehoben der viele Leute aus unserem Gebiet der lebendigen Geschichtsdarstellung, aber auch historische Gruppen betrifft. Da dieser Umstand weitreichende Bedeutung hat, wird er nicht im geschlossenen Teil beim entsprechenden Fachgebiet sondern allgmein zugänglich publiziert. Hierzu wird weiter unten der Initiativtext wiedergegeben. Es geht konkret um eine besondere Passage darin.

Für Darsteller/innen der lebendigen Geschichte ist besonders Punkt 2 von Bedeutung. Der Schusswaffenbesitz für Darsteller/innen lebendiger Geschichte so wie historische Gruppen ist nicht vorgesehen und geplant. Es wurde bereits beim aktuellen Waffengesetz mit der Revision 2008 die lebendige Geschichtsdarstellung weitgehend ignoriert, mit schweren Folgen. Da lebendige Geschichtsdarstellung auch bei der von der Initiative angestrebten Gesetzesänderung nicht unter den genannten Punkten aufgeführt ist, wird sehr wahrscheinlich dieses den Behörden wenig bekannte Feld auch nicht als bedarfgebend anerkannt.

Es besteht die konkrete Gefahr, dass somit künftig von der mittelalterlichen Stangenbüchse über die Luntenschlossmuskete des 17. Jahrhunderts bis hin zu den napoleonischen Steinschlossgewehren und dem Vorderlader nach Perkussionssystem nichts mehr erworben und besessen werden darf, wenn die Initiative am 13. Februar 2011 angenommen wird, da historische Darstellung nicht als Bedarfsgrund zugelassen wird (unter "Sammeln von Waffen" wird es nicht laufen können, da das Gros der Leute im Re-enactment keine Sammler/innen sind und im Allgemeinen nur jene Waffen besitzen zu ihr ihrer Darstellung nötig sind).

Bild
Konkretes Beispiel, Darstellung Sezessionskrieg 1861-65. verbotene Objekte: Vorderladergewehre Enfield Modell 1853



Kein Unterschied zwischen historischen und modernen Waffen

Besonders sei auch darauf hingeweisen, dass der Text der Initiative keinen Unterschied zwischen Waffen vor 1871 und danach macht. Es ist anzunehmen dass somit alle Waffen den gleichen restriktivem Masstäben unterworfen sein werden. Ein kantonales Steinschlossgewehr von 1760 könnte somit vor dem Gesetz gleich eingestuft werden wie ein Armeesturmgewehr 1990. Bei allen Waffen würde demnach gelten, ohne nachgeweisenen Bedarf kein Besitz. Damit bezieht sich die angestrebte Gesetzesänderung im tiefgreifendem Masse auch auf unsere Gemeinschaft der lebendigen Geschichtsdarstellung.


Initiativtext (betreffende Passage hervorgehoben)

Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 wird wie folgt geändert:

Art. 107 Sachüberschrift und Abs. 1 / Sachüberschrift / Kriegsmaterial / 1 Aufgehoben / Art. 118a (neu) Schutz vor Waffengewalt

1 Der Bund erlässt Vorschriften gegen den Missbrauch von Waffen, Waffenzubehör und Munition. Dazu regelt er den Erwerb, den Besitz, das Tragen, den Gebrauch und das Überlassen von Waffen, Waffenzubehör und Munition.

2 Wer Feuerwaffen und Munition erwerben, besitzen, tragen, gebrauchen oder überlassen will, muss den Bedarf dafür nachweisen und die erforderlichen Fähigkeiten mitbringen. Das Gesetz regelt die Anforderungen und die Einzelheiten, insbesondere für:

a. Berufe, bei denen sich der Bedarf aus der Aufgabe ergibt;

b. den gewerbsmässigen Handel mit Waffen;

c. das Sportschützenwesen;

d. die Jagd;

e. das Sammeln von Waffen
.

3 Besonders gefährliche Waffen, namentlich Seriefeuerwaffen und Vorderschaftrepetierflinten (Pump Action), dürfen nicht zu privaten Zwecken erworben und besessen werden.

4 Die Militärgesetzgebung regelt den Gebrauch von Waffen durch die Angehörigen der Armee. Ausserhalb des Militärdienstes werden die Feuerwaffen der Angehörigen der Armee in gesicherten Räumen der Armee aufbewahrt. Angehörigen der Armee dürfen beim Ausscheiden aus der Armee keine Feuerwaffen überlassen werden. Das Gesetz regelt die Ausnahmen, namentlich für lizenzierte Sportschützen.

5 Der Bund führt ein Register für Feuerwaffen.

6 Er unterstützt die Kantone bei Aktionen zum Einsammeln von Feuerwaffen.

7 Er setzt sich auf internationaler Ebene dafür ein, dass die Verfügbarkeit von Kleinwaffen und leichten Waffen eingeschränkt wird
.


Bild
Konkretes Beispiel, historische Darstellung Ordonnanz 1861. verbotene Objekte: Vorderladergewehre Ordonnanz 1842/59

Faktisch wären davon alle Ebenen der Geschichtsdarstellung betroffen, die das militärische Fachgebiet ab Erfindung des Schwarzpulvers tangieren. Im schlimmsten Falle würde dies das Ende des militärhistorischen Re-enactment vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit in der Schweiz bedeuten. Um den weiten Bereich der Betroffenen zu illustrieren untenfolgend eine Liste mit einigen Vereinigungen.


Beispiele konkret betroffener Darstellungs- und Repräsentationsgruppen:

Company of St.George, Spätmittelalter 15. Jh, verbotene Objekte: Hand- bzw. Faustbüchsen mit Luntenschloss Link Site Company of Saynte George

Ehrenformation der Burgergemeinde Bern, Ehrengarde 17. Jahrhundert, verbotene Objekte Luntenschlossmusketen Modell 1630 Link Site Ehrenformation Burgergemeinde Bern

Arquebusiers de la Compagnie de 1602 16. Jh (Genf), verbotene Objekte: Luntenschlossmusketen Modell 1595 Link Site Arquebusiers de la Compagnie de 1602

Voltigeurs du 3ème régiment suisse 19. Jh (Napoleonisches Schweizerregiment), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre 1777 modifié an X Link Site Voltigeurs du 3ème regiment suisse

Ehrengrade der Zunft zu Safran Luzern, 18./19.Jh verbotene Objekte: Steinschloss- und Perkussionsgewehre Link Site Zunft zu Safran Luzern

Beresina Grenadiere, 3.Rgt. Näfels 19. Jh (Napoleonisches Schweizerregiment), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre 1777 modifié an X Link Site Beresina Grenadiere

Contingent des Grenadiers Fribourgeois 19. Jh (Ehrengarde des Kantons FR), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre Link Site Contingent des Grenadiers Fribougeois

Société des Vieux-Grenadiers de Genève, Genfer Ehrengarde, 19. Jahrhundert, verbotene Objekte, Steinschlossgewehre 1777 Link Site Société des Vieux-Grenadiers de Genève

Les Milices Vaudoises 19. Jh (Ehrengade VD), verbotene Objekte: Steinschlossgewehre Ordonnanz 1817
Link Site Milices Vaudoises

Maritz Batterie Berner Artillerie 1840 19. Jh, verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Ord. 1842 Link Site Martiz Batterie

Zunft Hottingen ZH, Fähnlein der sieben Aufrechten, Formation zum Umzug des Zürcher Sechseleuten der Zunft, Verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Link Site Zunft Hottingen

Stänzler der Basler Mittwochgesellschaft (historische Repräsentationsgruppe einer Fasnachts-Clique), verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Ord. 1842 Link Site BMG

Zürcher Miliz Compagnie 1861 19. Jh, verbotene Objekte: Perkussionsgewehre Link Compagnie 1861

Rost & Grünspan 19.-20. Jh (Schweizer Militärgeschichte ab 1842), verbotene Objekte: alle Ordonnanzgewehre ab 1842


Bild
Konkretes Beispiel, Gedenkanlass Grenzbesetzung 1914-1918. verbotene Objekte: Ordonnanzgewehre 1896/11

Achtung. Dies ist ein Hinweis zu einem Punkt der Initiative und keine Abstimmungsempfehlung, denn derartige Entscheidungen sind die Sache jeder einzelnen Person und sie sollten nach eigenem Ermessen und Gewissen gefällt werden. Eine eventuell aus diesem Post resultierende Diskussion hat sich jeglicher Gehässigkeit zu enthalten. Politischen Schlammschmeissereien wird dieses Forum weder von Pro noch von Contra ein Podium bieten. Das aktuell bereits beidseitig heftig praktizierte Dreckwerfen jenseits aller Menschenwürde beginnt dort wo vernünftige Argumente enden. Dieses Niveau wird die Administation nicht dulden. Sachliche Argumente ja, persönliche Meinungen ja, aber verbale Pöbeleien no way!

Ich beschwöre alle Leser/innen, sich vor dem Urnengang ihre Meinung mit kühlem Kopf und unter Befragung ihres Gewissens zu machen. Egal ob ihr dafür oder dagegen stimmt, tut es nicht aus dem Bauch heraus weil geifernde Eiferer aus den beiden Lagern (Jawohl, beide Seiten tun es!) versuchen mit dem Kitzeln niedriger Instinkte und dem Schüren von Angst eure Stimmen zu fangen. Lasst den Intellekt mitreden, wägt ab. Um auch gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, ich habe gewisse Sympathien für das Anliegen der Initiative, denn der Freitod eines unserer Forenmitglieder vor etwas über einem Jahr hat mich tief erschüttert. Aktuell stehe ich in tiefem Zwist mit mir selbst, da mit der lebendige Geschichte ein Bereich in Gefahr gerät, der niemandes Schaden sein will oder kann, und der dennoch droht unter die Räder zu kommen.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon Hagelhans am So 09 Jan, 2011 20:01

Einige werde sicher argumentieren, dass zivile Darstellung noch immer eine Option wäre.
Allerdings bleibt nach der Annahme dieser Initiative nur noch die Profilsohlen und Fussgängerhelmpflicht, was bestimmt auch noch einen Verfassungsartikel wert wäre um das Leben noch sicherer zu machen, und damit wäre dann auch die Zivildarstellung von Geschichte, Geschichte.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon troupier suisse am So 09 Jan, 2011 23:05

Ich stosse mich bei aller Sympathie für die Kerninteressen der Waffenschutzinitiative am schlichten Schwarz/Weiss-Schema die einige ihrer Verfechter/innen an den Tag legen. Es wird nicht hinterfragt wer wieso eine Waffe besitzt. Der Besitz allgemein wird abgelehnt und negativ beladen. Eine spätmittelalterliche Stangenbüchse stellt in ihrem simplen Aufbau keine grössere Gefahr als eine Axt dar die in jedem Obi erhältlich ist. Jede Kettensäge ist verfügbarer und gefährlicher als eine Steinschlossmuskete 1777. Und die Fälle in denen mit historischen Waffen ab 1871 zurück jemand bedroht oder gar gefährdet wurde dürften extrem selten sein.

Dennoch gilt nach dieser Lesart als eine Gefahr für die Gesellschaft wer dergleichen besitzt. Ein Napoleonikdarsteller wird zum potentiellen Mörder gestempelt, weil er eine Feuerwaffe sein Eigen nennt. Ich weigere mich aus tiefstem Inneren, Darsteller/innen lebendiger Geschichte aus diesem Blickwinkel zu beurteilen und zu werten. Ich habe in der Re-enactmentszene einige der wertvollsten und gewaltfreisten Leute meines bisherigen Lebens kennengelernt. Kein Mensch sollte pauschal beurteilt, gewertet und abgelehnt werden.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon Napoleon am Mo 10 Jan, 2011 08:33

Zu der Waffenschutzinitiative will ich eine Sache erwähnen, die auch Sammler betrifft. Das Waffensammeln gilt ja als Grund für einen Bedarf (ob das im Einzelfall anerkannt wird ist eine andere Sache). Das bisherige Waffengesetz erkennt den Dekorationszustand (demilitarisiert, schiessuntauglich gemacht) nicht an, obwohl er in der westlichen EU erfolgreich und weit verbreitet für mehr Sicherheit sorgt. Bei uns in der Schweiz gibt es keinen Dekorationszustand. Sammler sind dadurch gezwungen scharfe Waffen zu sammeln, denn es gibt weder einen Markt noch irgend eine Art Förderung für schiessuntaugliche Sammlerwaffen. Das betrifft zum Beispiel auch das WW2 Reenactment.

Wo in Frankreich zum Beispiel nur schiessuntaugliche Gewehre zum Reenactment verwendet werden, gibt es in der Schweiz fast nur scharfe Waffen zu haben, weil das Gesetz diesen Zustand fördert. Zugleich tun die Behörden alles, um den Markt für Imitiationswaffen auszutrocknen, wo der Reenactor eine schiessuntaugliche Alternative fände. Fazit - ohne Dekoparagraphen weniger Sicherheit. Und jetzt kommt diese Initiative die für den Schutz vor Waffengewalt kämpft, aber auch sie befasst sich kein Bisschen mit dem Dekorationszustand. Dabei wären so viele Sammler und Reenactoren zufrieden mit einem historischen Stück das nicht schiessen kann.

Nur einmal als Beispiel. Wenn jamand in unserer Re-enactment-Gruppe 6th Durham Light Infantry mitmachen möchte, braucht er als Infantrist ein Enfield-Gewehr. Die ungefährliche Variante wäre eine Repro von Denix, was praktisch nur Holz und bemaltes Metall und überhaupt nie eine Schusswaffe war. Aber für solche Repros braucht man heute einen Erwerbschein wie für eine scharfe Waffe, und der Import ist auch massiv erschwert. Am Schluss sind Kosten und Aufwand für die Anschaffung grösser, als wenn man den selben Erwerbschein löst und beim Waffenhändler ein scharfes Original kauft. Das Gesetz drängt einem richtig dazu.

Aber mit diesem bürokratischen Wahnsinn ist es noch nicht genug. Nun ist man schon dazu gezwungen für das Reenactment ein scharfes Gewehr zu kaufen, weil Dekos nicht anerkannt sind und Repros als Imitationswaffen unterdrückt werden, und nun will eben diese Initiative dem Reenactor diese Waffe, die er eventuell sowieso scharf nie haben wollte, verbieten und einziehen, weil jetzt auch noch der einzige Grund wieso er sie hat nicht mehr rechtlich anerkannt ist. Die meisten Reenactoren und Sammler brauchten gar keine scharfen Waffen. Der Dekoparagraph könnte helfen, aber er wird abgelehnt. Da geht es doch nicht mehr um Sicherheit. Da geht es doch nur noch um Politik.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon troupier suisse am Mo 10 Jan, 2011 08:59

Besitzverbot auch für historische Waffen

Hier stellt sich übrigens eine andere Frage. Wie verhält es sich mit dem veränderten status quo bei einer Annahme der Initiative?

Muss ein Darsteller der lebendigen Geschichte seine Arkebuse aus dem 15. Jahrhundert dann quasi neu beantragen und darauf hoffen dass sein Bedarf, das Reenactment, doch noch anerkannt wird? Oder muss ein Sammler eine Ordonnanzkollektion zwischen 1750 und 1850 anmelden und ihren bereits bestehenden Besitz beantragen?

Im schlechtesten Fall könnten in beiden Fällen Behördenvertreter den Besitz mit Berufung auf die neuen Verfassungspassagen verbieten, so dass der Sammler seine teuren historischen Stücke abgeben und der Reenactor nach Aberkennung des Bedarfs sein napoleonisches Steinschlossgewehr den zuständigen Amtsstellen aushändigen müsste. Notabene - es geht um Waffen die in der ganzen EU als ungefährlich erachtet werden und keinen Auflagen unterliegen.

Dies sind nur eventuelle Szenarien die nicht eintreffen müssen, die aber unter aktuellen Umständen ernst genommen werden sollten. Niemand aus dem Reeanctment hätte vor Dezember 2008 gedacht dass ungefährliche und schiessuntaugliche Repros je zu einem Problem für die Besitzer/innen werden könnten. Heute ist dies aber der Fall. Daher sollte man alle heiklen Punkte beachten wenn man Perspektiven beurteilt.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon Napoleon am Di 11 Jan, 2011 16:13

Fertig Banntag

Heute Morgen plauderte ich mit einem Lieferant aus Liestal, eigentlich nur über Winterreifen. Als aber trotzdem das aktuelle Medienthema Nummer 1 ins Gespräch kam, fragte ich ihn wie sie das in Liestal mit dem Banntagsschiessen in Zukunft sähen? Er meinte, dass das doch mit der Abstimmung nichts zu tun hätte, weil es ja nur um Sturmgewehre der Armee ginge.

Der kam ganz schön auf die Welt, als er begriff dass es um alle Schusswaffen geht, auch die Vorderladergewehre der Banntägler. Und da Banntagsschiessen wie Reenactment nicht unter den Bedarfsgründen der Initiative aufgelistet
ist, dürfte mit Böllern an den Banntagen im Baselbiet auch fertig sein.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon gijoe am Di 11 Jan, 2011 17:42

Napoleon bringt es auf den Punkt. Diese Woche hat ein Reenactor gemeint dass es NUR um die Kasernierung der Ordonnanzwaffen gehe. Das gefährliche an dieser Initiative wird hier geschickt versteckt.

Ich wage mal zu behaupten das die Annahme dieser Initiative auch der Anfang vom Ende einiger Darstellungen ist.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon Hagelhans am Di 11 Jan, 2011 19:35

Wenn das angenommen wird, wird wohl bald jemand bemerken, dass 98% aller Delikte mit Waffen nicht Schusswaffen betreffen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass solche Fanatiker auch dazu bereit sind Gesetze zu erlassen die Schwert, Säbel, Speer oder Streitaxt verbieten oder zumindest radikal aus dem öffentlichen Raum verbannen.

Ein geistig Verwirrter der zwei, drei Leute mit einer Katana verletzt dürfte wohl schon genügen.

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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon troupier suisse am Mi 12 Jan, 2011 06:41

Er meinte, dass das doch mit der Abstimmung nichts zu tun hätte, weil es ja nur um Sturmgewehre der Armee ginge.


Diese Woche hat ein Reenactor gemeint dass es NUR um die Kasernierung der Ordonnanzwaffen gehe.


Dann nochmals in aller Deutlichtkeit:


Betroffen von der Initiative sind alle Waffen in privatem Besitz - von der mittelalterlichen Stangenbüchse bis zur napoleonischen Steinschlossmuskete


Jenseits der Waffenthematik verstört mich der destruktive Aspekt der aktuellen Debatte. Es ist bei jeder politischen Frage so dass sie die Gesellschaft spalten kann. Aber bei der Waffeninitiative widerfuhr mit ein Erlebnis dass ich nie für möglich gehalten hätte. Und dies in meinem eigenen Wohnzimmer beim von mir so geschätzen geistigen Austausch. Das Thema wurde nicht gesucht, es drängte sich in die Konversation. Folglich brachte ich die Frage der lebendigen Geschichtsdarstellung in die Diskussion ein.

Ich führte aus, dass es mich irritiere dass Darstellungen von Mittelalter bis Napoleonik, die doch keine öffentliche Gefahr darstellten, drohten wegen der verwendeten Waffen im martialischen Bereich kriminalisiert zu werden bei Annahme der Initiative. Eine geschätze Bekannte antwortete mir draufhin, dass dies ein Problem einer kleinen Minderheit sei. So leid es ihr tue, habe sich eine Minderheit bedingungslos der Mehrheit zu beugen wenn es um Interessen der Allgemeinheit gehe. Dies sei das Wesen der Demokratie.

Vor etwas mehr als einem Jahr standen diese Frau und ich noch Schulter an Schulter in unseren Ablehnung der Minarettinitiative. Bei einer Diskussion im selben Wohnzimmer gingen wir einig darin, dass der Umgang mit Minderheiten der Gradmesser für die Reife und Offenheit einer Gesellschaft sei. Sie klagte mir nach dem 9. November 2009 erschüttert, dass es das Ende der Demokratie bedeute, wenn die Mehrheit einer Minderheit willkürliche Unterdrückung aufzwinge. Sie vergoss dabei Tränen.

Auch ich fühlte damals bitteren Schmerz. Nun gehöre ich als Mitglied der Gemeinschaft der lebendigen Geschichte selbst zur Minderheit, deren Existenz von meiner früheren Gesinnungsfreundin knallhart geopfert wird. Mit der Gefühlskälte eines dominikanischen Inquisitors hatte sie mir gesagt, dass sich Minderheiten kompromisslos dem Willen des Kollektivs zu unterwerfen hätten. Auch wenn dieser Wille einzelne Ungerechtigkeit berge. Darauf könne keine Rücksicht genommen werden.

Ein Denkschema das wir beide noch bei Annahme der Minarettinitiative gemeinsam als inhuman ablehnten. Jetzt stehe ich alleine mit diesen Werten.

Das war eine der härtesten Lehren meines Lebens.
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Re: Waffenschutzinitiative - Gefahr für lebendige Geschichte?

Beitragvon troupier suisse am Mi 12 Jan, 2011 18:20

Und nun bin ich auch noch dem Facebook-Syndrom zum Opfer gefallen (die Sache mit dem folgereichen online-Lästern über den Chef und der nachfolgenden Kündigung). Die oben erwähnte Bekannte hat beim Googlen heute Mittag zwischen Militärwaffen, This Jenny und Chantal Galladé auch noch diesen Forumsthread gefunden (offenbar leicht zu finden) und prompt meinen für sie rasch erkennbaren Erfahrungsbericht zum Umgang mit Minderheiten entdeckt. Ich, und kurioserweise meine Familie dazu, wir bekamen umgehend die Freundschaft von ihr gekündigt.

Ich glaube ich sollte in Schottland Lachsfischen gehen bis am 14. Februar, und ein hübsches Buch von Oscar Wilde zur Zerstreuung mitnehmen. Langsam wird mir der Stress mental zuviel. Schon beim täglichen Lesen der hiesigen Zeitung fühle ich mich wegen der 1842er Muskete für's Reenacmtent im Kellerabteil allmählich wie ein schlechter Mensch. Mein aufrichtiger Glaube an den guten Kern der Initiative ertrinkt unter einer Flutwelle von Feindseligkeit.

Wenn schon die Darsteller/innen lebendiger Geschichte und historische Gruppen zwischen Spätmittelalter und Napoleonik um die Kriminalisierung von Bereichen ihres Hobbys fürchten müssen, muss die Fraktion WW2 mit Garand, Mauser, Enfield oder Karabiner 31 vermutlich kurz vor dem Nervenzusammenbruch stehen.

Das wird hier langsam zu einem Blog. Zeit für ein paar Tage offline zu gehen um Ruhe und Ausgeglichenheit in Musik und gedrucktem Wort zu suchen...
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