Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

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Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Hagelhans am So 11 Jul, 2010 08:02

Dass es ordentliche und seltsame Darstellungen gibt und dass die Seltsamen überwiegen müssen wir wohl nicht diskutieren. Aber welche Folgen hat diese Tendenz auf die gesamte Szene‘ und wieso sind glauben die Darsteller die sich zu den ordentlichen zählen, die Seltsamen seinen schädlich für sie, möchte ich gerne mal besprochen haben?

Tatsache ist, dass es nicht nur dumme Besucher gibt die an einen Reenactmentanlass kommen. Ein Verantwortlicher für einen Museumsevent der nach Gruppen und Leuten Ausschau hält und erst mal über irgendeine seltsame Mannschaft stolpert, wird mit höchster Wahrscheinlichkeit keinen zweiten Versuch starten ordentlichere Leute zu suchen. Manche sind derart abgeschreckt, dass sie sogar experimentelle Projekte von Kollegen ablehnen da sie der Überzeugung sind, dass es niemanden geben könne der so etwas ernsthaft macht (Junkelman ist nicht bei allen „der Papst“)

Persönlich ist es mir auch schön öfters passiert, dass Verwandte und Bekannte so etwas sagten wie: „Ich war da in Singen am Spectaculum. Jetzt weiss ich endlich was du so machst. Ich muss mich dann wehren mit: „Nein, nein! Ich mach ganz was anderes!“

Mein Fazit über die Wirkung der Spanne zwischen ordentlich und seltsamen Gruppen ist der, dass durch die negative Wirkung dessen eine riesen Chance für eine tolle Art der Museumsdidaktik und Gesellschaftspädagogik vor die Hunde geht.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon gijoe am So 11 Jul, 2010 09:40

Was andere Epochen angeht bin ich ein Laie und sehe es grösstenteils wie der durchschnittliche Zuschauer. Was davor steht und was mir gesagt wird sehe ich gutgläubig als dargestellte Geschichte. Durch mein Hobby bin ich ein wenig mehr sensibilisiert und erkenne wahrscheinlich das Zeugs das in Richtung Phantasie geht.
Wenn der Anlass als Spektakel angepriesen wird , erwarte ich nicht viel. Was ich aber bedenklich finde wenn mir an einem Museumsanlass so etwas als Geschichte untergejubelt wird.

In meiner Epoche ( WWII ) kommt noch hinzu das diese Art der Darstellung schnell mit Militarismus und Faschismus in Verbindung gebracht wird. Die Presse lechzt oft danach den " Spinner " vor die Kamera zu bringen, und den finden sie auch. Was heutzutage im WWII Reenactment gezeigt wird hat vielfach nichts mehr mit der Realität zu tun.
Ueber die Hälfte der Reenacoren haben kein komplettes Equipment und gestalten ihre Uniform nach eigenem Gusto . Dafür stehen in den Camps tonnenweise Campingmaterial das ihnen das Leben erleichtert. Ein neuer bedenklicher Trend sind Reproduzierte Uniformteile und Equipemnt das es nie gab !!
Das in einer Epoche wo Informationen problemlos erhältlich sind.
Das ist keine dargestellte Geschichte mehr, sondern Militarismus oder Wehrsportgruppe.
Was kann ich dagegen tun ? Nicht viel, meine Meinung dem Veranstalter mitteilen, dafür sorgen das meine Nachbarn akzeptabel sind, oder den Anlass einfach boykotieren.
Als WWII Reenactor werde ich in der Gesellschaft sowieso eher skeptisch betrachtet. Das einzige womit ich mich noch retten kann ist meine Motto , Geschichte möglichst realistisch Darzustellen. Das ist einfach gesagt , in der Praxis erscheint dann doch ab und zu eine Person aus meinem privaten Umfeld und sieht auch die Plastikcamps mit dem Leergut und Darstellern in T Shirts denen man den Rausch vom Vorabend ansieht.
Ich mache kein Reenactment um mich Gesellschaftlich ins Abseits zu schiessen !
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Mari am So 11 Jul, 2010 10:39

Ich teile absolut die Meinung von Hagelhans. Wenn eine Gruppe vorgiebt beispielsweise "Mittelalter um 12 Jhd. nach historischen Vorlagen" darzustellen, es in Wirklichkeit aber Leonardo Carbone ist, ist es eine Lüge, nichts anderes. Wahrscheinlich sehen das viele Ambientegruppen nicht so, aber in meinen Augen belügen diese Gruppen die Besucher von Veranstaltungen / Homepages. Durch diese Lüge entsteht ein falsches Bild bei Besuchern und falsches Wissen wird vermittelt. Das ist das gleiche wie einen industrielles Produkt als Handgemacht zu verkaufen, beides kann man essen, aber das handgemachte ist nunmal was anderes. Es ist ja kein Problem wenn man hinschreibt "wir machen nur Ambiente und nichts korrektes", das finde ich völlig in Ordnung.

Leider habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei weniger ernsthaften Gruppen, nicht die Darstellung, sondern das zelten und kollektive Besäufnis im Vordergrund steht. Das kann doch zu sehr schweren Unstimmigkeiten zwischen Veranstaltern und Darstellern führen, so dass Veranstalter nicht mehr gewillt sind, Gruppen zu buchen, wie Hagelhans schon geschrieben hat.

Ich habe übrigens festgestellt, dass es zwischen Ambitedarstellern und historisch korrekten noch eine Mischgruppe gibt. Schwer zu beschreiben, was die sind. Bei diesen sind sehr gute Ansätze zu sehen, aber eben nicht ganz so gut, dass man es als seriös betrachten könnte.

Mein Fazit, weniger seriöse Darstellungen schaden dann, wenn sie falsch deklariert werden.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Voltigeur am So 11 Jul, 2010 11:52

Ja, das Problem ist so alt wie das Reenactment selbst.

Woher kommt das ?
Eigentich einfach. Mehrere Gründe spielen mit, Finanzielles, aus dem famillieren Rahmen ausbrechen ( mal richtig durch saufen ohne das die Frau dann sauer ist ) sich irgendwie wichtig fühlen ( Besuchern erklärungen geben, nach dem motto: ich bin der Lehrer, alle zuhören )

In jeder Epoche finden wir diese Leute, ganz egal was sie darstellen.

Was kann man dagegen tun ?
Eigentlich nichts, es liegt am Veranstalter sich die Leute / Gruppen auszusuchen.
In der Napoleonik sieht man immer mehr das solche Gruppen nicht mehr angeschrieben werden und wenn sie sich selber einladen wollen, man ihnen höflichst mitteilt das leider kein Platz mehr vorhanden ist.
Ich sehe keine andere möglichkeit anders damit klar zu kommen.

Grüsse vom Voltigeur
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Pica am So 11 Jul, 2010 20:12

Genau über dieses Thema habe ich mit dem Organisator vom Wellenberg auch gesprochen. Es ging natürlich um den Sau... äh Seehaufen. Und er meinte, bei einem Grossanlass wie Wellenberg gibt es auch eine grosse Bandbreite an Publikums Wünschen abzudecken. Die einen möchten Informationen haben und Wissen konsumieren, aber die meisten wollen sich von dem bunten Treiben "einlullen" lassen. Die sehen und erkennen keinen Unterschied zwischen einer guten Gruppe und einer Gromi-Gruppe. Für diese gilt das Gesamtbild. Und die völlig dezimierte Her-unde-Massenie-Gruppe zum Beispiel "gab gar nichts her" in diesem Jahr obwohl da grosses Wissen vorhanden wäre.

Der Seehaufen - obwohl alles andere als "A" - war mit dem grossen Lager und dem Feuerschlucker ein Publikumsmagnet. Sie decken einfach eine andere Publikumsklasse ab. Und aus diesem Gesichtspunkt aus kann ich das Mitwirken dieser Gruppe etwas verstehen. Aergerlich nach wie vor für uns, weil diese Gruppe zwar Authentizität herausschreit aber keine hervorbringt, für das schaulustige Publikum aber in lebhafter Erinnerung bleibt. Die Mehrheit der Besucher bemerkt weder die falschen Schuhe, noch das gefärbte Leinen in allen bunten Farben. Und wenn du nach dem Markt ein Interview mit den Zuschauern machen würdest, dann könnten sie ziemlich sicher weder die falschen Schuhe noch das gefärbte Leinen beschreiben. Sie würden maximal sagen, die hatten Lederschuhe und bunte mittelalterliche Kleider an.
Und genau das ist in meinen Augen der Hauptgrund warum viele Gromi-Gruppen auch noch Engagements bekommen.

Sie haben einen Internet-Auftritt mit guten google-Stichworten und die Bilder sehen bunt aus. Fertig. Der Veranstalter freut sich über die gefundene Gruppe, die Besucher über die schöne mittelalterliche Kulisse. Wie authentisch die Kleider sind, dass kann nur ein Insider erkennen. Für 95% des Publikums spielt es keine Rolle. Hauptsache stimmig.

Spannend wird es erst dann, wenn zwei Gruppen wie Tag und Nacht aufeinander treffen. Und das habe ich nur einmal erlebt auf dem Ruinenfest Belfort. Da kamen wirklich Besucher auf die Her-unde-Massenies zu und meinten, sie (die Gruppe) sähen so "echt" aus während die andere Gruppe eher so fasnachtsmässig aussähen. Aber so eine Begebenheit mit AHA-Effekt gibt es doch eher selten.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon gijoe am Mo 12 Jul, 2010 03:33

Es gibt schon ab und zu Besucher die sich nicht von den "bunten Haufen" blenden lassen und dann bei unseren Displays über das vorher gesehene Reden oder Nachfragen. Gerade in unserer Epoche hat eine vielzahl der Männer Dienst in einer Armee geleistet, da kommt natürlich die Frage ob die 50 Jahre früher solchen " Luxus " und solche wilden Uniformierungen hatten.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Doctor Who am Mi 14 Jul, 2010 07:49

Jetzt muss ich mich doch auch mal äussern.

Vor allem hat mich Diskussion von Huttwil sehr geärgert.

Ich bin ziemlich befremdet und schockiert, wie hier mit Personen und Gruppen umgegangen wird. Vor allem wird hier überhaupt nicht konstruktive Kritik geübt sondern nur zerrissen.

Ich möchte nicht wissen wie viele Anfänger und Enthusiasten gewisse Exponenten in diesem Forum diese schon vergrault haben. Ihr solltet euch wieder mal daran erinnern wie ihr angefangen habt.

Könnt ihr mit diesen Personen nicht direkt reden, muss alles über das Forum geschrieben werden? Vor allem habe ich den Eindruck bekommen, dass es sehr viele Päpste hat und diese kommen zum Teil sehr arrogant rüber.

Anscheinend ist das ein Problem der deutschsprachigen. Jeder erhebt sich zum Papst und weiss alles besser und wenn es nicht ihrem Standard entspricht ist es schlecht und muss schlechtgemacht werden.

Sucht besser die gemeinsamkeiten und helft euch, die Szene kann es nicht gebrauchen dass wir uns gegenseitig zerfleischen.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon troupier suisse am Mi 14 Jul, 2010 09:30

@ Doctor Who:

Bitte keine Doppelpostings von identischen Messages in verscheidenen Threads. Deiner oben taucht auch weitgehend beim Beitrag zu Huttwil auf. Bitte vor dem Posting entscheiden, wo man im öffentlichen Bereich seinen Text reinstellen will. Weggli und Fünferli geht nicht.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Hagelhans am Mi 14 Jul, 2010 13:27

@Dr.Who: Genau so könnte ich zurückfragen, wie viele Anfänger eben dieses Forum in kürzester Zeit getoppt hat und wieviel Geld und Zeit Anfänger sparen konnten, weil sie nicht die selben Fehler machen mussten wie viele die hier "arogant" schreiben.

Wie würdest du reagieren, wenn Du im Internet auf Bilder einer Gruppe stossen würdest die im Desert battle Dress, mit AK47 bewaffnet posieren würde und von sich behaupten sie stellen Falklandkrieg dar? würdest Du sagen:" Oh! Gute Idee! Desert Dress ist ja viel angenehmer bei der Hitze und die Kalashnikov ist eh viel cooler als die FAL!"

Und ein deutschprachiges Problem ist es besondes im Mittelalter wohl darum, weil sonst auf der ganzen Welt der Standard für Mittelalterdarstellung bereits schon so hoch ist, dass man sich in Diskussionen um wesentlichere Sachen kümmern kann als um Steckstuhl ja oder nein.
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Re: Hat "Badactment" negative auswirkungen für Reenactors?

Beitragvon Doctor Who am Mi 14 Jul, 2010 14:05

Wie ich reagieren würde?

ganz einfach, sicher nicht in einem öffentlichen Forum, zuerst versuche ich direkt mit den betreffenden in Kontakt zu treten. Zumindest versuche ich es so zu handhaben.

Da der Falklandkrieg "erst" 28 Jahre her ist, nichtsdestotrotz historisch. Gibt es doch sehr viele Fotoaufnahmen und Filme, da ist die Gefahr völlig daneben zu liegen doch eher gering.

Da es zu dieser Zeit den Desert Dress gar nicht gab ist das auch wieder ein auschlusspunkt.

Wer sagt das keine AK-47 eingesetzt wurden. Wir wissen nicht welche Waffen das SAS genau eingesetzt hat.
Das FAL könnte genausogut ein Beutestück der Argentinier sein, da seine Waffe zerstört worden ist.
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