Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

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Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Riiabona am Di 08 Dez, 2009 07:06

Salut zäme

Ich finde, bei der allgemeinen Erhebung von Standgebühren werden die darstellenden Handwerker/Innen gegenüber den Wiederverkäufern stark benachteiligt. Manche legen drauf oder können knapp die Selbstkosten decken.

Bei den darstellenden Handwerker/innen fallen Materialkosten, Zeit für die Warenherstellung und die Zeit für Workshops und Darstellung zusammen.

In der Schweiz unterscheiden sich die MA-Markt-Organisatoren zwischen jenen, die hohen Wert auf gute Darstellung legen und einen Unterschied zwischen Wiederverkäufern und darstellendem Handwerk machen und von Letzteren keine Standgebühren verlangen und jenen Organisatoren, die durchs Band von allen die gleichen Standgebühren erheben.

Es gibt zig andere Möglichkeiten, als Organisator nebst Eintrittpreisen und allgemeinen Standgebühren, Gewinn zu machen. Da sind Ideen gefragt und clevere Organisatoren sind damit ziemlich erfolgreich.

Persönlich nehme ich nur noch an MA-Märkten teil, deren Organisatoren wirklich Wert auf ihre darstellenden Handwerker/Innen legen und diesen keine Standgebühren anlasten.

Als Gegenleistung arbeiten wir aktiv mit den Besuchern und das mit grossem Erfolg. Denn diese haben ihre Freude dran, etwas Neues zu lernen. Also verrichten wir als aktive Mitarbeiter in gewisser Hinsicht auch eine Dienstleistung zugunsten der Organisatoren. Denn zufriedene Besucher verbreiten auch eine positive Mundpropaganda. Mundpropaganda ist die beste Werbung die es gibt, da ein Erfahrungswert dahinter steckt. :smt002

Ich setze mich stark dafür ein, dass die Organisatoren einen Unterschied machen zwischen Händler und darstellendem Handwerk und da bin ich sicher nicht die Einzige.

Gruss Riia
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Re: Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Seegras am Di 08 Dez, 2009 13:40

Als reiner Darsteller der nix verkauft nehme ich eigentlich nur an öffentlichen Anlässen Teil die den Darstellern selber was bezahlen.

Das kann durchaus recht wenig sein; im Extremfall nur gerade die Unkosten-Deckung, aber ich sehe dann meine Verpflichtung auch dahingehend: Wenn jemand nur die Unkosten deckt bekommt er historische Darstellung im gewünschten Zeitrahmen zu was ich gerade Lust habe. Er kann dann nicht auf feste Stationen und Erklär-Bär machen pochen; genausowenig wie aufs mitmachen an irgendwelchen Paraden oder Wache stehen. Ich habe aber durchaus einen Hang dazu Leuten etwas beizubringen; und so kann es dann durchaus sein dass ich mal auch ohne Verpflichtung zum Beispiel ein Kurzdisplay "Rüstung anlegen und erklären" veranstalte.

Wer will dass ich den ganzen Tag fürs Publikum herumrenn, herumschiess und Zeug erkläre, der soll auch mich (oder den Verein) dafür bezahlen. Es ist nicht so dass am Schluss für mich persönlich da Geld herausspringen muss, aber mindestens muss der engagierte Verein nachher was davon haben; einerseits um Vereinsgüter anschaffen zu können (Küchenzelte, Kanonen etc.), andererseits auch deshalb damit das nicht zu billig wird. Qualität soll seinen Preis haben; und ich will auch nicht anderen Vereinen das Wasser abgraben.

Klar ist das alles aushandelbar, wenn man sieht dass der Veranstalter wenig Geld hat oder der Anlass einer guten Sache dient ist man natürlich eher bereit für weniger Geld etwas mehr zu tun.

Dasselbe geht IMHO mit den Standgebühren. Ein Bader ist z.b. auch kaum im Stande seine Unkosten mittels Badegeld zu bezahlen. Künstler wie Musiker und Akrobaten bekommen auch Gage. Wenn jemand also an erster Stelle Handwerk darstellt kann man auch nicht davon ausgehen dass der nun mit dem Nebenbei-Verkauf gross Reibach macht. Ganz krass sind da Handwerker die zwar etwas verkaufen würden, aber deren Produkt extrem wenig Leute gerade benötigen. Schindelmacher zum Beispiel. Auf der anderen Seite ist dann natürlich das Problem dass sich der Wiederverkäufer von Ledersachen als "Ledermacher" ausgibt und dann noch nebenbei ein bisschen Täschchen nietet(!)... Im Zweifelsfall könnte man die Handwerker ja nachher die Abrechnung vorlegen lassen: Wer weniger als z.b. SFR 200 Umsatz hatte bezahlt keine Standgebühr.


Als reiner Besucher ist es nochmals anders; da versuche ich mich zwar meist gemäss dem Motto ("historisch" oder "mittelalter") passend zu kleiden, aber abgesehen davon hat der Veranstalter keinen Einfluss. Wenn er "historisch" geschrieben hat aber "mittelalter" meint kann es durchaus sein dass ich eben als Matrose um 1800 herum komme. Oder wenn "mittelalter" ohne genauere Zeitangabe steht, dann seh ich da einen Bereich von ca. 500-1500 in dem ich mich entfalten kann -- auch wenn dann der Veranstalter eigentlich "Hochmittelalter in Westeuropa" gemeint hat, und eigentlich Wikinger und türkische Kanoniere um 1450 nicht wirklich passend findet. Genau spezifizieren hilft ;)

Als Besucher in passender historischer Kleidung erwarte ich eigentlich, vor allem auf Märkten, Grundsätzlich einen Eintritts-Erlass oder -Nachlass. Er holt dann den bei mir schon wieder mit den Getränken herein ;) Der Grund: Die, sagen wir mal, "Gewandeten" Besucher produzieren Kulisse für den Anlass. Die machen seine Veranstaltung bunter und interessanter für alle Nicht-Gewandeten. Klar ist das für den Veranstalter schwierig zu erkennen ob jemand auch nur Ansatzweise korrekte Kleidung trägt, oder komplettes Fantasy-Zeug. Ein Trick ist da der, der in Freienfels angewandt wird: Schuhwerk. Wer Gewandung trägt und aussergewöhnliches Schuhwerk welches zur Gewandung zu passen scheint, zahlt nix. Die Leute an der Kasse haben zwar keine Ahnung von historischem Schuhwerk, aber sie erkennen einen modernen Kampfstiefel oder Birkenstock-Sandalen ;)

Aber generell kann ich als Besucher auf einer Veranstaltung machen was ich will; auch Dinge die eben gnadenlos historisch unpassend sind wie öffentlich Zigaretten rauchen, Eis lutschen, Fotografieren, Telefonieren und Getränke oder Essen in modernen Behältern rumtragen. Meist guck ich dass falls ein Verein da engagiert ist der wirklich historische Darstellung macht, ich nicht mit denen kollidiere. Entweder also in Kleidung einer anderen Epoche gehe, oder mich eben nicht rauchend und telefonierend sehen lasse ;)
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Re: Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Seegras am Di 08 Dez, 2009 14:28

Achja, noch so ein paar Tricks für Veranstalter wie man Geld reinbekommt:

Gastwirtschaft, Gastwirtschaft, Gastwirtschaft.

Und zwar gibts da vor allem zwei Kriterien: Preis und Verfügbarkeit.

- Preis: Die Leute erkennen sehr wohl wenn "Bier" von der Örtlichen Brauerei oder einer Grossbrauerei kommt und nun plötzlich viel teurer ist als in der Gastwirtschaft zwei Strassen weiter. Geht gar nicht. Für was immer ganz normale Getränke und Verpflegung ist kann man auch nur das verlangen was es sonst vor Ort auch kosten würde. Was man hingegen kann ist für Spezialitäten mehr verlangen. Für Ochs vom Spiess wird gerne etwas mehr bezahlt, auch für gutes Spezialbier; oder für Met. Summa summarum sollten aber die Preise sich noch im Rahmen bewegen, so dass es die Leute einlädt sich auch auf dem Anlass zu versorgen.

- Verfügbarkeit: Nichts ist schlimmer als mangelnde Verfügbarkeit. Das führt sofort dazu dass die Leute wieder woandershin gehen und sich woanders verpflegen, als dass Sie das auf dem Anlass tun. Schlangenstehen sollte grösstmöglich vermieden werden, und darf allerhöchstens bei speziellem Essen auftreten. So kann man sich entscheiden ob man kurz Spätzle holt oder für den Ochsen ein bisschen ansteht. Das geht. Wo es gar nicht geht ist bei den Getränken, da muss es auf jeden Fall möglich sein innert 5 Minuten zu einem Getränk zu kommen. Typische Fehler die da gemacht werden:
- Alles Essen am selben Ort zu finden: Die einen Warten auf den Ochsen, die anderen könnten schon lange
Spätzle haben, stehen aber hinten an.
- Essen und trinken am selben Ort: Noch schlimmer, die Wartenden fürs Essen blockieren die, die nur kurz
was zu trinken haben wollen.
- Zuwenig Stände für Getränke.
Der historische Handwerkermarkt Huttwil litt die letzten male genau unter einigen von diesen Verfügbarkeits-Problemen, mit dem Erfolg dass viel weniger Geld eingenommen wurde als möglich gewesen wäre. Ich wäre ja gern noch 20 Franken für 3-4 grosse Bier losgeworden, aber wenn ich jedesmal eine halbe Stunde anstehen muss? Nö.

- Dach: Falls der Anlass verregnet wird, und Leute trotzdem im trockenen Sitzen können hilft das extrem. Statt dass man plötzlich einen komplett leeren Markt da hat, sammeln sich die Leute immer noch irgendwo (und konsumieren weiter). Ein strategisch plazierter Musikant oder Gaukler, der dann da auftritt, statt auf einer Bühne wo das Publikum im nassen steht, hilft dann natürlich auch enorm um die Stimmung zu heben...

- Öffnungszeiten: Klar, die meisten Handwerker wollen irgendwann Schluss machen, einige Händler auch, aber das soll nicht hindern den Gastwirtschaftlichen Teil mindestens bis Abends spät offenzuhalten. Das kann durchaus den Umsatz verdoppeln. Die Händler und Handwerker wollen noch was Essen, eventuelle Darsteller kommen noch was trinken; und Alkoholika-Händler haben meist auch gar nichts dagegen ihren eigenen Stand weiterlaufen zu lassen. Was machbar ist hängt natürlich mit den Örtlichen Gegebenheiten zusammen, und der Art des Anlasses, aber bis zur offiziellen Sperrstunde sollte auf jeden Fall machbar sein. Im Extremfall (z.b. 600-Jahrfeier einer Stadt) kann man das auch extrem Verlängern (O-Ton in Appenzell: "Offen? Solange bis die letzten gehen"). Der Anlass muss da selber eine Balance finden, zwischen Händlern und Darstellern die irgendwann schlafen wollen, und der Gastwirtschaft die man möglichst lange offen hält. Eine Möglichkeit ist z.b. die Stände so zu sortieren dass am späteren Abend ein Teil des Marktes abgesperrt werden kann, und nur die die wollen und die Gastwirtschaftlichen Teile offen bleiben. Typischerweise betrifft das vorallem den Samstag, manchmal noch den Freitag. Sonntag sind meist alle Beteiligten froh wenn sie früh abbauen können.

- Unterhaltung: Beim "Dach" schon leicht angesprochen: Gaukler und Musikanten können helfen ein gutes Ambiente zu schaffen, weniger die die regelrechte "Konzerte" geben, als die die herumlaufen und irgendwo spielen wo gerade Publikum ist. Gerade bei schlechtem Wetter ist es hilfreich wenn man die irgendwo wo die Leute im trockenen sitzen können auftreten lässt. Ebenfalls kann man die auch Abends weiter auftreten lassen. Da sind weniger mehrköpfige Bands mit Dudelsäcken gefragt, als 2-3 Musiker mit Trommel, Schalmei und Drehleier, die einfach irgendwo hinstehen können. Sollte man also beim Organisieren nicht vergessen.

Idealerweise kann man eigentlich den kompletten Anlass via Gastwirtschaft finanzieren; ohne dass man Eintritte verlangen muss. Das befreit dann auch wieder jenste Leute die man sonst an der/den Kassen benötigen würde für die Mithilfe in der Gastwirtschaft...
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Re: Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Hagelhans am Di 08 Dez, 2009 15:14

@Seegrs: Guter beitrag. Alles gesagt. Zumindest vieles. Das heist, mir fällt auch gleich nicht mehr ein. Giebt sicher noch was... Wir solten mal einen Leitfden ausarbeiten....
Nur der Eiontrit, der hat halt so seine tücken. Besonders im urbanen Gebieten hat dieser auch noch den Nebenefekt, dss er Leute abhält und dies teilweise durchaus zum guten. Sonst hat man schnell mal das lokale Punk-Picknick vom Güterbahnhof auf den Mrktplatz verlagert. Dies muss nicht stören wen es nicht ausartet. Ich habe aber auch schon erleben müssen wie andere Besucher einfach nichtmehr durchgekommen sind weil eine unform von Sitzdemo in der Gasse abgehalten wurde. Inklusive zerschlagene Bierflaschen.



Noch zum Preis bei Handwerkern. Dss ist leider immer eine leidige Sache da es immer wieder Schlaumeier giebt die Gebührenreduktionen schmlos uszunutzen wissen. Fast jeder regelmässige MA-Markt Besucher kennt die "Hndgemchten" Laternchen aus Mitteldeutschland.

Es wäre wohl durchaus förderlich, wen die Schweizer Handwerker und Marktfahrer mal zusmmensitzen würden.
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Re: Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Maja am Di 08 Dez, 2009 19:47

Ach, wenn wir doch Deine Zusammenstellung und Tipps vor drei Jahren gehabt hätten! Die hätten wir für unser MA-Fest auf dem Schloss Werdenberg sehr gut gebrauchen können. Wir haben nämlich keinen Schimmer gehabt und einfach mal nach Gutdünken und Überlegen organisiert! Zum Glück ist's dann gut herausgekommen (Dank der Teilnahme von einigen "Insidern". Könnte man diese Punkte nicht mal - wie ja schon vorgeschlagen - ergänzen aus eigenen Erfahrungen und dann gewissermassen als Gebrauchsanweisung für alle Interessierten greifbar machen? Ich bin gern bereit, unsere Erfahrungen beizusteuern, auch wenn sie nur aus der Organisation (und Teilnahme) an zwei Märkten/Festen stammen. Wir haben für die Handwerker (die in der Regel wenig oder nichts verkauft haben) keine Standgebühr verlangt, waren ja froh, dass sie kamen. Kommerzielle Stände hingegen mussten einen Prozentanteil der Einnahmen abgeben. Haupteinnahme waren eindeutig die Beizen, wobei das Wetter hier auch eine entscheidende Rolle spielt, und das ist ja nicht vorhersehbar!

Vorweihnachtliche Grüsse aus dem leider nicht mehr verschneiten Werdenberg

Maja
Bedenke wohl, um was du die Götter bittest - sie könnten es dir gewähren!
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Re: Standgebühren für darstellendes Handwerk an MA-Märkten

Beitragvon Riiabona am Mi 09 Dez, 2009 19:20

Hagelhans hat geschrieben:
Es wäre wohl durchaus förderlich, wen die Schweizer Handwerker und Marktfahrer mal zusmmensitzen würden.


Das nenn ich eine gute Idee! =D> Ich denke, auf diese Weise könnten beide Seiten konstruktiv zusammen arbeiten, Erfahrungen austauschen und einander gegenseitig inspirieren, was man verbessern könnte und welche neuen Ideen durchaus fruchten könnten.

Also ich wäre dabei!
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