Gebahren im Mittelalter

Allgemeines über die lebendige Geschichte.

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Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Christoffel am Mo 23 Nov, 2009 20:51

hallo!

Ich suche nach Informationen zu Sitten und Gebahren im MA.

Ich weiss, das zuerst die Herrin von der Zofe gelaust wurde, dann umgekehrt. Der Arm des Gesetzes war verglichen mit heute äusserst kurz, viele Dekrete der Obrigkeit verhallten ungehört. Es herschte nach heutigen Massstäben Anarchie.
Zu Tischsitten lässt sich ein Menge finden, aber das meine ich alles nicht.

Wie begrüsste man sich ?
Wie zeigte man sich die Wertschätzung ?
Wurden Standesunterschiede im Verhalten erkenntlich ?

Christoffel

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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Hagelhans am Di 24 Nov, 2009 13:14

Uh!
So etws füllt Bibliotheken!
Durch das gnze Mittellter hindurch gab es verschiedenste, sich wandelnde und auch regional sich unterscheidende Gebräuche.
Nur schon die Gestik und Körpersprche die in den Heiligendrstellungen versteck sind, sind schon fast eine eigene Wissenschft.

Wir könnten dieses Them hier nutzen und einige besonders wichtige, witzige oder für uns sonderbre Schen sammeln.
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Brundelinchen am Di 24 Nov, 2009 15:16

ich weiss, dass man nicht öffentlich gähnen durfte, da man meinte, wenn die Hand nicht vorgehalten würde, könne entweder der Teufel in den Menschen "einfahren" oder aber auch die Seele des Menschen ausfahren und er dadurch "toll" werden.
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Brundelinchen am Di 24 Nov, 2009 15:17

Generell, viele Redewendungen kommen aus dem Mittelalter, bzw. haben hier ihren Ursprung, davon lässt sich dann auch ein gewisses Verhalten und der umgang mit Menschen und Gegenständen ableiten.
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Andrej Pfeiffer-Perkuhn am Do 26 Nov, 2009 08:12

Christoffel hat geschrieben:hallo!
Ich weiss, das zuerst die Herrin von der Zofe gelaust wurde, dann umgekehrt.


Wo kommt denn das her? Warum sollte eine Frau von Stand ihre Zofe lausen? Kommt mir überhaupt wie ein Klischee vom schmutzigen Mittelalter vor.

Der Arm des Gesetzes war verglichen mit heute äusserst kurz, viele Dekrete der Obrigkeit verhallten ungehört. Es herschte nach heutigen Massstäben Anarchie.


Das ist mit Verlaub völliger Humbug. Es gebt mehr als genug Regesten und Gerichtsakten die das Gegenteil beweisen. Dazu eine Unmenge an Eichveordnungne und Marktregeln. Damals wurde alles reguliert und Rechtssicherheit war ein großes Ziel der Städte da nur so Handel möglich und Attraktiv war.
Grad im HRR wurde nach Herzenslust prozessiert und das eine Verurteilung konnte das soziale aus bedeuten, damas weit schwerwiegender als heute. Das der Arm des Gesetzes kürzer war liegt auf der Hand, einige Tagesreise weiter konnte niemand wissen was man auf dem Kerbholz hatte, allerdings war amn dort ohne Unterstützung der eigenen Stadt oder des eigenen Herrn auch ein mehr oder minder rechtsfreier Fremder.
Allenfalls die Fehde muss als Besonderheit betrachtet werden, für den einfachen Bewohner spielt das aber keine Rolle.

Zu Tischsitten lässt sich ein Menge finden, aber das meine ich alles nicht.

Wie zeigte man sich die Wertschätzung ?
Wurden Standesunterschiede im Verhalten erkenntlich ?


Wann und Wo? Das Mittelalter ist lang und Europa ist groß.

Schöne Grüße

Andrej
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon faustina am Do 26 Nov, 2009 09:15

Lieber Christoffel,

da sprichst du ein ganz schwieriges Thema an! 1. müsste man tatächlich wissen, von welcher Zeitperiode du sprichst...tja, und dann müsste man's tatsächlich wissen. Wie wer wen wann zu grüssen hat, liegt in schriftlicher Form (meines Wissens) so gut wie gar nicht vor. Es gibt keinen "Mittelalter-Knigge". Einen Einblick auf höfische Verhaltens(wunsch)formen bieten die höfischen Romane, allerdings sind die alle mit Vorsicht zu geniessen (bei der Übertragung ins reale Leben).
Da man es also nicht definitiv sagen kann, behelfen sich Re-Gruppen meistens mit einfachen Verbeugungen und einer klaren hierarchischen Struktur, der sich alle unterwerfen. Es ist klar, dass man dem Anführer respektvoll zuhört und sich erst hinter seinem Rücken über ihn lustig macht (es sei denn, man ist ein Mainzeider, dann wirst du nämlich von diesem angezeigt). :smt002
Auf Mittelaltermärkten bedienen sich die Schausteller gerne eines schwülstigen Deutschs, das für mittelalterlich betrachtet wird (und es nicht ist). Davon distanzieren sich eigentlich Reenactment-Gruppen (grösstenteils).

Liebe Grüsse
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Seegras am Do 26 Nov, 2009 11:10

Es gibt schon Verhaltensregeln die sich aus Text- oder Bildquellen erschliessen, um so ein paar Beispiele zu nennen:
- Der Mann geht Rechts von der Frau -- damit er mit dem Schwert die Frau verteidigen könnte...
- Kopfbedeckungen in der Kirche. Das ist etwas unklar, man sieht viele Abbildungen die Leute mit Kopfbedeckung zeigen, was auch logisch ist wenn man kein Kirchengestühl hat, und zum beten mit gefalteten Händen niederkniet. Andererseits sagt irgendein Brief an die Korinther dass Männer keine Kopfbedeckung tragen sollen, nur Frauen eine.
- Geschenke macht der Gastgeber und nicht der Gast (das andere ist die arabische Variante, die sich mittlerweile bei uns durchgesetzt hat).
Aber eine Sammlung von diesen Dingern kenne ich grad keine; und ausserdem ändert sich das natürlich enorm, von der frühmittelalterlichen Stammes- zur hochmittelalterlichen Feudal- und zur spätmittelalterlichen Bürgerkultur.

Hab was gefunden:
Gustav Ehrismann, "Duzen und Ihrzen im Mittelalter", in: Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1 (1901), S. 117-149, 2 (1902) S. 118-159, 4 (1903), S. 210-248, 5 (1904), S. 127-220.

Zumindest teilweise zu bekommen unter http://www.archive.org/search.php?query ... pe%3Atexts -- Als "text" bringts nix, weil das OCR von der Fraktur unlesbar ist; das PDF führt zu google, wo man nix findet; das djvu wird online angezeigt. Also jeweils "All Files: HTTP" auswählen und dann die gewünschte Datei anklicken. Die Bände sind von 1902, 1903 und 1907, was leider dazu führt dass nur der 3. Teil dabei ist, im Band von 1903 (das 13MB PDF).
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Andrej Pfeiffer-Perkuhn am Fr 27 Nov, 2009 11:03

Ebenso findet man Grußformen auf Bildqullen, Handschütteln, Kniefall, Bruderkuss und Hut lüpfen lässt sich zumindest im Spätmittelalter alles finden.
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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon Christoffel am So 20 Dez, 2009 22:05

Andrej Pfeiffer-Perkuhn hat geschrieben:
Christoffel hat geschrieben:hallo!
Christoffel: Ich weiss, das zuerst die Herrin von der Zofe gelaust wurde, dann umgekehrt.


Andrej als Antwort: Wo kommt denn das her? Warum sollte eine Frau von Stand ihre Zofe lausen? Kommt mir überhaupt wie ein Klischee vom schmutzigen Mittelalter vor.

Christoffel darauf: Nein Andrej, das stimmt. Es ist den Inquisitionsakten über "Monaillou" entnommen. Von wegen schmutzig: Eben diesem Buch entnehme ich auch, dass man sich in dem Pyrenäendorf damals, das heisst anfangs 14. Jh EIN LEBEN LANG NICHT GEWASCHEN HAT. Da habe sogar ich gestaunt.
Überhaupt ist das Buch sehr lesenswert. Eines der wenigen Zeugnisse der Lebensumstände der Niederen. Ich kann es weiterempfehlen.
Emmanuel Le Roi Ladurie: Montaillou Ein Dorf vor dem Inquisitor / Propylän ISBN 3 549 07390 9

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Re: Gebahren im Mittelalter

Beitragvon zellerin am So 20 Dez, 2009 22:53

Christoffel hat geschrieben:Christoffel darauf: Nein Andrej, das stimmt. Es ist den Inquisitionsakten über "Monaillou" entnommen. Von wegen schmutzig: Eben diesem Buch entnehme ich auch, dass man sich in dem Pyrenäendorf damals, das heisst anfangs 14. Jh EIN LEBEN LANG NICHT GEWASCHEN HAT. Da habe sogar ich gestaunt.
Überhaupt ist das Buch sehr lesenswert. Eines der wenigen Zeugnisse der Lebensumstände der Niederen. Ich kann es weiterempfehlen.
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Mmmm...und hier wird auch gleich das Problem deutlich, Du sprichst von einem Pyrenäendorf, das kannst Du m.E. nicht so einfach übertragen. Ich lese viele Akten und Rechnungsbücher des 15. Jahrhunderts, daher weiss ich, dass z.B. die Steinmetzen in Freiburg i. Brsg. alle 14 Tage einen halben Tag frei bekommen haben um ins Bad zu gehen; überhaupt tauchen zahlreiche Bader und Badehäuser in den Rechnungsbüchern des 15. Jahrhunderts auf, der Bader hat sogar das Recht nach der Messe seine Badetermine anzusagen. Aber für das 14. kann ich hier tatsächlich keine fundierte Aussage machen ;)
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