Résistance Re-enactment

Allgemeines über die lebendige Geschichte.

Moderator: Hagelhans

Beitragvon Tech am Fr 16 Okt, 2009 12:40

Die Ansichten über ein zulässiges Reenactment einer Widerstandsbewegung sind so unterschiedlich, wie die persönlichen Meinungen, welche jeder im Laufe seines bisherigen Lebens zu formen vermochte, resp. sie geformt wurden.

Ein möglicher Ansatz zur Klärung bietet vielleicht ein Regelwerk aus der damaligen Zeit, welches bis zum heutigen Zeitpunkt immer wieder auch zu ähnlichen Diskussionen Anlass gegeben hat: Das Kriegsrecht laut Genfer und Haager Konvention
http://de.wikipedia.org/wiki/Haager_Landkriegsordnung

Innerhalb des humanitären Völkerrechts entwickelte sich neben dem Haager Recht, dessen zentrale Komponente die Haager Landkriegsordnung ist, noch das in den Genfer Konventionen formulierte Genfer Recht. Dieses regelt, ausgehend von seinen historischen Ursprüngen, vor allem den Umgang mit den sogenannten Nichtkombattanten, also Personen, die im Fall eines bewaffneten Konflikts nicht an den Kampfhandlungen beteiligt sind. Dabei handelt es sich um verwundete, erkrankte und gefangengenommene Soldaten sowie Zivilpersonen. Demgegenüber enthält das Haager Recht überwiegend Festlegungen zu zulässigen Mitteln und Methoden der Kriegführung und damit vor allem Regeln für den Umgang mit den an den Kampfhandlungen beteiligten Personen, den Kombattanten.


Vielleicht geht es bei dieser Diskussion auch darum, ob nun ein Zivilist an einer kriegerischen Aktion teilnehmen durfte, resp. darf.

Kombattanten sind nach dem humanitären Völkerrecht Personen, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Konflikts zu Kriegshandlungen berechtigt sind. Sie haben Anspruch auf eine Behandlung nach den Regeln der Genfer Konventionen. Sie können natürlich bestraft werden, wenn sie Kriegsverbrechen begehen. Sie verlieren den geschützten Kombattantenstatus, wenn sie nicht unterscheidbar von Zivilpersonen kämpfen, ihre Waffen nicht offen tragen oder die Uniform des Kriegsgegners tragen. In diesem Fall steht ihnen aber dennoch ein humanitärer Schutz zu, unter anderem ein faires Gerichtsverfahren und menschliche Behandlung, so, wie es für Strafgefangene in einer zivilisierten Rechtsordnung auch gilt.


Ob nun im Rahmen des Reenactments die Darstellung von Widerstandsorganisationen gebilligt werden soll, darüber urteile ich nicht. Einzig gebe ich Anlass zum Nachdenken, da auch im Falle eines deutschen Einmarsches, oder später eines beabsichtigten Durchmarsches der WAPA-Armeen in der Schweiz der Aufruf zum Widerstand erfolgt wäre. Dass es zu unregulären Kombattanten gekommen wäre, ist nur stark zu vermuten.

"Ein fundamentaler Grundsatz für die kleinen Armeen besteht darin, immer in Massen zu handeln; durch seine Anwendung allein können sie einige bedeutende Unternehmen vollbringen, indem sie darauf verzichten, alles zu decken und nur das Hauptziel anpeilen." (Jomini, 1779-1869)
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Beitragvon gijoe am Fr 16 Okt, 2009 15:09

Ich finde petgerm s Beitrag ziemlich gut.
Wenn wir ehrlich sind haben wir mit dem Thema WWII ein ziemlich heikles Hobby gewählt. Das Thema ist viel zu nahe und noch viele Erinnerungen lebendig.
Es ist nicht das Ziel unseres Hobbys zu provozieren !
Man braucht keine SS Runen um einen deutschen Soldaten darstellen. Es braucht keine schwarzen Hemden und faschistische Symbole um einen italienischen Soldaten darzustellen und es braucht keine Waffen um einen Zivilisten der Kriegszeit darzustellen.

Zum Thema Partisanen fällt mir noch eine Geschichte ein.
Da war der französische Veteran bei dem ich anfangs der 90er zweimal die Ferien verbrachte. In seinen Geschichten gab es keinen Freund oder Feind . Nur Menschen die Gutes oder Schlechtes taten. Er erzählte von der Tapferkeit der deutschen Soldaten, er schämte sich für den Rückzug seiner Armee, er traf in Deutchland Menschen die ihm halfen und er sah die Grausamkeit der SS gegen russische Kriegsgefangene. Aber am meisten aufgewühlt hat ihn das was seine bewaffneten Landsleute unter dem Deckmantel des Widerstandes unter der eigenen Bevölkerung angerichtet haben........ Ihn, dem Veteranen der sich mit 16 Jahren freiwillig zur Armee gemeldet hat um gegen die Deutschen zu kämpfen. Ich habe diesen Mann bewundert.
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Beitragvon Napoleon am Fr 16 Okt, 2009 16:33

Ob heikel oder nicht spielte bei der Auswahl meiner Darstellungen keine Rolle. Hat es nicht und wird es auch nie sein. Höchsten den Ort an denen ich die Darstellung mache. Da sollte man etwas Feingefühl haben.

Es kommt doch auch sehr darauf an wie man etwas darstellt. Auch wenn es "erst" 65 Jahre her ist und es noch Wunden gibt, das ganze auszublenden bis es keine Personen mehr gibt die etwas darüber erzählen können hat doch sehr wenig mit dem zu tun, sondern nur damit, das ganze unter der Oberfläche zu halten. Man spricht nicht darüber. Oder zur Zeit aktuell, man verbietet es.

Mir ist schon klar, durch eigene Erfahrungen, dass alles was vor 1900 dargestellt wird so ziemlich frei von diesen Problemen ist, aber die Geschichte ist geschrieben und durch unsere Darstellung wird diese weder neu geschrieben noch umgeschrieben. Wir haben es in der Hand auf- und zu-erklären.

Krieg ist und bleibt die Hölle. Für Soldaten wie auch für Zivilsten und es geht nicht um die Sache oder eine Einstellung, sondern nur um sich und das nackte Überleben. Greueltaten dürfen deswegen nicht ausgeblendet werden, auch wenn wir die nicht darstellen. Ich verlange von jedem Darsteller, egal aus welcher Epoche, dass er/sie sich mit solchen Dingen auseinandersetzt. Es gibt auch mehr als nur schönes rumsitzen mit Bier und einer Wurst auf dem Grill. Ist wie all die Mittelaltermärkte bei denen ausdrücklich nur das "schöne und saubere" Mittelalter gezeigt werden darf.

Übrigens. In jedem Schweizer Soldatenbuch wurde bis in die 80er Jahre hinein genau diese Bild geschrieben, dass sich der Soldat und die Bevölkerung mir allen ihren zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Besatzer zu wehren hat.

Ich finde nichts verwerfliches an der Darstellung von Widerstandsbewegungen. Schliesslich haben viele von ihnen geholfen den Krieg zu verkürzen in dem diese Truppenbewegungen gemeldet, Sabotage betrieben, Piloten und Flüchtlinge versteckt haben, und vieles mehr. Die Widerstandsbewegungen allgemein in einen Topf zu werfen mit Mördern, Vergewaltigern und Kriegsverbrechern finde ich sehr befremdend.
Jeder Erfolg, den man erzielt, schafft uns einen Feind. Man muß mittelmäßig sein, wenn man beliebt sein will.
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Beitragvon elias am Sa 17 Okt, 2009 06:34

Wie mehrmals schon erwähnt, ist es unmöglich, Widerstandsorganisationen über einen Leisten zu schlagen. Sowohl regional als auch in der Art der Organisation und deren Ziele. Trotzdem, schönreden sollten wir hier gar nichts. Egal aus welchem Jahrhundert und für welche Seite ich militärisches Reenactment mache, ich muss mit immer bewusst sein, dass die Darstellung einen abscheulichen Hintergrund hat.

Ich habe nicht ganz unbewusst, die französische Résistance und den FFI als Leitgedanken aufgegriffen. Hier geht der Begriff viel weiter, als einfach nur mit einem Schiessprügel auf die Besatzer zu halten. Unter de Gaulle und Jean Moulin wurden die diversen Splitterorganisationen und Maquisards auf gemeinsame Zielen verpflichtet und als wichtiger Faktor in der Kriegsführung gegen die Besatzungsmacht eingesetzt. Und dies wie gesagt nicht nur bewaffnet, sondern insbesondere auch in Sabotage, Logistik und Nachrichtenwesen (inkl. Untergrundzeitungen). Teilnehmer an eigentlichen Kampfhandlungen trugen nach meinen Recherchen meist Armbinden mit dem Lothringerkreuz und sind somit als reguläre Kombattanten zu sehen.

Dass der moralische Kern der Resistance nicht Partisanentum ist, zeigt meiner Ansicht nach der folgende Youtube Beitrag recht gut:
http://www.youtube.com/watch?v=2Kge9NJj-D0
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Beitragvon elias am Sa 17 Okt, 2009 07:41

Die Motivation - oder darf man sagen: Legitimation? - des französischen Widerstands sehe ich nicht zuletzt in der doch sehr spezifischen Art der Besatzung und in der engen Kollaboration durch das Vichy Regime.

Der Maquis entstand nach dem Erlass, dass zahlreiche Franzosen zum Arbeitsdienst in der Rüstunsindustrie nach Deutschland verfrachtet werden sollten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Service_du_Travail_obligatoire

Wer für den Feind nicht Waffen herstellen wollte, hatte eigentlich keine andere Wahl, als sich in den Maquis (die südfranzösichen Wälder) zurückzuziehen und sich den Maquisards anzuschliessen.

Soweit also eher unkritisch; einfach eine Verweigerung gegenüber einer Zwangsmassnahme.

Etwas heikler werden dann sicher Massnahmen gegen Kollaborateure, also Landsleute, die der Gestapo in die Hand gespielt haben. Auf jeden Fall kann ich nachvollziehen, dass Kollaborateure nicht zu jenen Personen gehören, mit denen man sich abends noch gerne auf ein Glas Pastis trifft. Vorallem nicht dann, wenn gerade ein weiterer Deportationszug mit lauter bekannten Gesichtern die Stadt verlassen hat.

In dieser Konstellation entsteht automatisch auch viel Raum für halbseidene Akteure mit krimineller Energie. Dass diese dann sehr viel Schaden anrichten können, ist so tragisch wie auch wahr. Der "rechtsfreie", oder besser gesagt schwer kontrollierbare Raum wird immer auch von fragwürdigen Gestalten besetzt (siehe auch Fussballspiele). Also ist es nichts als logisch, dass in diesem Umfeld Verbrechen und Gewaltakte stattfinden konnten.

Was aber wenig mit dem organisierten Widerstand und seinen Zielen zu tun hat.
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Beitragvon Voltigeur am Sa 17 Okt, 2009 21:24

Eine Frage, ich habe jetzt nicht alles gelesen,
aber der Titel ist ja klar verständlich.

Résistance Re-enactment

Wie sollte man das anstellen ?
Tagsüber normal herum laufen und nachts das Biwak überfallen ?
Am hellichten Tag waren diese Leute ja nur biedere Leute die nicht aufallen wollten,
ihre nächtlichen actionen sind wohl schwer darstellbar und ein Eisenbahngleiss zu spengen ist wohl auch nicht machbar im raume des Reenactments.

Die Frage ist irgendwie komisch, eine solche Darstellung ist doch praktisch unmöglich. Ich verstehe nicht ganz was das soll ?


Grüsse vom Voltigeur
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Beitragvon troupier suisse am So 18 Okt, 2009 05:42

Die Frage ist irgendwie komisch, eine solche Darstellung ist doch praktisch unmöglich. Ich verstehe nicht ganz was das soll ?


Die Frage dünkt mich etwas arg akademisch. Aus diesem Blickwinkel wären Darstellungen von britischen Bomberbesatzungen gleichermassen unmöglich, denn die tätigten ihre Aktionen ja auch Nachts und dazu in der Luft. Also eigentlich gar nicht darstellbar auf einem Stoppelfeld.

Oder sollte ein Aspekt der Geschichte wegen der Nachtfrage einfach nicht dargestellt werden? Dann würden Sonne und Mond darüber befinden, was das Publikum sehen darf und was nicht? Ein ganzer Faktor im Kampf gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft würde wegen Tageszeiten von der Darstellung ausgeschlossen? Maquisard war zudem ein 24-Stunden-Job, wo der Sonneschutzfaktor je nach Fall schon eine Rolle spielte.

Fallschirmjäger müssten normalerweise aus Flugzeugen springen, eine RAF-Bomberbesatzung müsste normalerweise einen Bomber haben, und bei Waterloo-Reenactments sieht man auch schon mal Uniformen, die rein historisch 1815 in Belgien eigentlich nicht anzutreffen waren. Wenn jeder seine Impression in den Rahmen absoluter Korrektheit bezüglich Schauplatz, Chronologie, Uniformierung und Ausrüstung stellen würde, würden viele Reenactoren daheim sitzen und Briefmarken sammeln.
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt. (Oscar Wilde)
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Beitragvon elias am So 18 Okt, 2009 08:06

Voltigeur hat geschrieben:Résistance Re-enactment

Wie sollte man das anstellen ?
Tagsüber normal herum laufen und nachts das Biwak überfallen ?
Am hellichten Tag waren diese Leute ja nur biedere Leute die nicht aufallen wollten,
ihre nächtlichen actionen sind wohl schwer darstellbar und ein Eisenbahngleiss zu spengen ist wohl auch nicht machbar im raume des Reenactments.

Die Frage ist irgendwie komisch, eine solche Darstellung ist doch praktisch unmöglich. Ich verstehe nicht ganz was das soll ?


Grüsse vom Voltigeur


Dem widersprechen aber zahlreiche Bild- und Filmdokumente. Du magst für die Anfänge der Résistance recht haben und für überall dort, wo gegen die Besatzer "kein Land zu gewinnen" war. Da wäre es auch dumm, offen mit einer Waffe und einer Armbinde herumzulaufen.

Mit der Bildung des FFI bin ich jedoch der Meinung - man möge mich korrigieren - dass sich dies entscheidend geändert hat und sich der ehemalige Untergrund offener in das "Tagesgeschehen" integrierte. Ab Oktober 1944 waren Teile des FFI fest in die französischen Verbände integriert und zählten als reguläre Truppen.

Und genau das macht es aus meiner Sicht auch spannend. Als Résistant habe ich enorm viele Möglichkeiten, eine Darstellung zu bestreiten. Vom simplen Zivilisten und Helfer zum Mitarbeiter einer Untergrundzeitung über den Informatnen und Saboteur bis hin zum FFI.
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Beitragvon gijoe am So 18 Okt, 2009 11:23

Hmmm.......aber hauptsächlich stellt man so doch einen Zivilisten im besetzen Frankreich dar , mit einem normalen Leben das er für den Widerstand tätig ist wäre nur Nebensache.
Wenn es gut umgesetzt werden kann warum nicht, aber die Partisanenimpressionen die man im Internet sieht sind eher paramilitärisch anmutende Zivilisten mit Gewehr
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Beitragvon dustoff am So 18 Okt, 2009 11:33

Ein gutes Beispiel war die franz. Frau mit Fahrrad in Uffheim ... im Korb mit Eier lag eine HD und eine Pistole ...... ein gute Idee!!!

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Gruss
Danielle


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