troupier suisse hat geschrieben:Zum geriet der Autor in den Verdacht dass seine Publikation moralisch zweifelhaft sei:
Und auf einer moralischen Ebene finde ich es auch nicht vertretbar dass man den Zugriff auf den Inhalt mehrerer hundert Jahre alter Dokumente wieder mit Copyrights zupflastert. Das ist unser kulturelles Erbe, und da sollten so viele Leute wie möglich Zugriff darauf haben.
Zum anderen standen auch rechtliche Bedenken zum Vorgehen des Autors im Raum:
Klar könntest du im Prinzip mal behaupten du hättest eins auf den Scan von dem Ding, aber andererseits behaupte ich dass die Schöpfungshöhe in dem Fall absolut ungenügend ist, und dass das nichts anderes ist als
http://de.wikipedia.org/wiki/Copyfraud
Dabei geht es NICHT um die Publikation als solches, sondern darum, dass der Publizierende einen Copyright-Vermerk draufgetan hat, auf einen Scan eines Werkes wovon er definitiv NICHT der Autor ist. Dass das Werk Urheberrechtlich gesehen gemeinfrei ist tut dabei gar nichts zur Sache.
Die Publikation an sich ist andererseits natürlich absolut unproblematisch, denn das Werk ist gemeinfrei, und jeder der will darf es republizieren.
troupier suisse hat geschrieben:Ich bin mir schmerzlich der Ironie bewusst, dass eben die Forderung nach breiter öffentlicher Zugänglichkeit letztendlich direkt dahin führte dass die Stücke aus den genannten Bedenken heraus nun überhaupt nicht mehr zugänglich sind.
Das nun wiederum ist eine sehr merkwürdige Argumentation, die aber leider gerade unter historisch interessierten Kreisen (Museen zum Beispiel) extremst verbreitet ist. Im Endeffekt lautet das Argument: "Wenn ich kein Monopol drauf bekomme veröffentliche ich es nicht!".
Und ich will das nicht als persönlichen Angriff verstanden haben, hier geht es um sehr viel mehr. Dass nämlich mit dieser Idee der historischen Forschung ein Bärendienst getan wird ist evident, insofern ist es extremst wichtig dass dieses Thema überhaupt aufgekommen ist. Ich bin troupier sogar dankbar dafür dass er da genau diese Position übernommen hat mit der wir immer wieder auf Seiten von Museen, Bibliotheken und Sammlungen konfrontiert werden.
Das Problem hier an sich ist dass sich in den letzten Jahrzehnten, nicht zuletzt durch die Propagande der Musik- Film- und sonstige Content-Industrie, die Wahrnehmung dessen was das Urheberrecht darstellt komplett gewandelt hat, und zwar durchaus diametral zu dem was das Gesetzt eigentlich aussagt. Allein schon der Begriff "Intellectual Property" ist komplett falsch. Urheberrecht hat nichts mit Materialgüterrecht zu tun.
Korrekt wäre "Intellectual Monopoly". Und genau darum geht es. Das Urheberrecht hat den Anspruch dem Urheber ein zeitlich begrenztes Monopol über seine Schöpfung zu geben, mit der Idee, dass dadurch Anreiz geschaffen wird neue Werke zu schaffen, mit dem Endziel dass der Korpus an Gemeinfreien Werken wachsen soll.
Das Monopol das dabei vergeben wird ist nicht nur zeitlich, sondern auch anderweitig eingeschränkt. Insbesondere bezieht es sich ursprünglich nur auf die Publikation (Druck). Mit der Zeit kamen dann noch weitere Monopolrechte dazu, und die zeitliche Beschränkung wurde immer weiter aufgeweicht. Das ändert aber nichts daran
dass ein Werk kein Eigentum des Urhebers ist.
Ein Werkexemplar kann natürlich Eigentum sein; zum Beispiel besitzt troupier ein solches Werkexemplar einer Quittung von Francois I. Er kann mit dem Werkexemplar machen was er will. Er kann es lesen, verkaufen, verbrennen, scannen, ausleihen, wegwerfen. Das darf er mit jedem Werkexemplar das er hat, auch mit denen die noch dem Urheberrecht unterliegen.
Da diese Quittung aber gemeinfrei ist darf er sogar noch mehr: Er darf es veröffentlichen, vorlesen, vorsingen, verfilmen usf. Im Prinzip darf er sogar dieses "(c) by troupier" drauftun, bloss ist das rechtlich ungültig und könnte als Versuch des Plagiarismus gewertet werden, da man davon ausgeht dass dies ein juristisches Statement ist. "scanned by troupier" hingegen wäre problemlos (aber nicht sinnvoll, gerade bei historischen Dokumenten möchte man sowas nicht. Das Statement würde man in dem Fall besser in den EXIF-Tag im Bild drin reintun).
Alle die nun diesen Scan der Quittung bekommen haben (heruntergeladen von Ihrem Browser und dargestellt auf Ihrem Monitor) haben einerseits ein Werkexemplar bekommen (Die Bilddatei) und andererseits ein gemeinfreies Werk. Und haben für ihr Werkexemplar (und das Werk an sich) exakt dieselben Rechte wie troupier. Alle dürfen das nun veröffentlichen. Aber genausowenig wie troupier dürfen sie behaupten sie wären der Urheber.
Zusammengefasst
- Der Autor ist nicht Eigentümer seines Werkes, er geniesst aber seit der Einführung der Urheberrechts ein beschränktes Monopol auf die Verbreitung des Werkes.
- Der Autor ist immer Urheber seines Werkes, auch wenn sein Werk mittlerweile gemeinfrei ist. Daraus ergeben sich aber unmittelbar keine Rechte an Werkexemplaren.
- Niemand kann irgendwelche Rechte an gemeinfreien Werken geltend machen welche entweder nie unter dem Urheberrecht lagen oder aus diesem herausgefallen sind. Auch der Besitzer eines Werkexemplars nicht, selbst wenn dieses Werkexemplar das Original ist.
- Der Besitzer eines Werkexemplars kann dieses im Rahmen des Urheberrechts benutzen, falls das Werk noch dem Urheberrecht unterliegt, oder hat die komplette Verfügungsgewalt über das Werkexemplar (und gar keine über das Werk) falls es gemeinfrei ist.
(Eigentlich wollte ich noch mehr auf die soziologische Komponente zu sprechen kommen, aber ich mache das glaubs in einem nächsten Posting).