Nun, da Voltigeur und Napoleon vor Ulm im Felde liegen, will ich dies nutzen ihnen ein wenig in den Rücken zu fallen. Den Advocatus diaboli möchte ich spielen und eine Sache auf den Tisch werfen die auch schon in diesem Forum zur Sprache kam. Kann einer der nicht im Zelt auf Mutter Erde nächtigt ein echter Re-enactor sein? Es gibt Hardliner für sich jeder disqualifiziert der eine andere Art der Nachtruhe bevorzugt.
Ich will vorausschicken dass ich mich vor einer guten Dekade von der Bühne des Re-enactment verabschiedet habe. Einst gehörte ich zu jenen pathologischen Fällen die sich tief in ihre "Sache" versenkten, ja geradezu reinbuddelten. Meinen letzten echten Auftritt im Feld hatte ich mit dem 1st Battaillon the Gordon Highlanders (153rd Infantry Brigade, 51st Highland Division), wobei es um die Darstellung des Feldzugs in Nordwestfrankreich 1944 ging.
Das authentische Schlafen im authentischen Zelt war mir damals nicht authentisch genug, da ja das Frontschwein der britischen Armee wahrlich nicht jede Nacht im Feld den Luxus eines Zeltes geniessen konnte (wobei es übrigens vielen Soldaten in unzähligen anderen Kriegen nicht anders erging). Also buddelte wir paar "Mordus", wie die Franzosen solche Hartgekochten nannten, Schützenlöcher für die Nacht und deckten diese mit unseren Ground-Sheets.
Das Smallpack als Kopfkissen, den flachen Helm ins Gesicht gerutscht und die sperrige Enfield als stete Prinzessinenerbse drückend in der Seite oder im Rücken, lag meinereiner einigermassen gekrümmt in seinem Dreckloch und spielte schlafender Soldat im Krieg. Das war ja alles gut und recht, aber es hatte keinerlei pädagogischen Wert, da nun mal keine Zuschauer die ganze Nacht am Rand des Loches hockten um uns beim authentischen Ratzen zuzusehen.
In jenen längst vergangenen Tagen schnupperte ich auch in anderen Ebenen herum, so etwa bei den Darstellern des US-Sezessionskrieges und zwar bei den Unionstruppen. Auch das Schlafen auf dem gummierten Regenschutz unter der Zeltplane oder im geschlossenen Zweimannzelt hatte seinen Reiz und hilft dem Re-enactor die Epoche besser zu verstehen. Und die Begleiterscheinungen werde ich auch nie vergessen - mit allen lästigen Nuancen die sie mit sich brachten.
Angeheiterte Kameraden die mitten in der Nacht über die Zeltschnüre stolpern und einem das Dach über dem Kopf einreissen. Camps wo wegen der Sensibilität von Feld und Flur keine Wassergräben um die Zelte gezogen werden durften, und ausgerechnet dann nächtliche Schauer einem die grosse Flut unter die Decke trieben (gefolgt von einem Tag des authentischen Schlotterns in nassen Klamotten). Müde Krieger die ins falsche Zelt und den darin Ruhenden auf Bauch und Kopf tappen.
Besonders unvergesslich ist mir jene authentische Nacht am Rande eines Waldgebietes, wo ich mir im Schlaf Zecken einfing, auf die bekanntlich die Buttersäure des Schweisses eine besondere Anziehungskraft ausübt. Und Schweiss vergiesst der passionierte Re-enactor im Sommer ja genug. Der Zeckenbiss in die Kniekehle hatte keine dauerhaften Folgen. Bloss mein Hang zum authentischen Übernachten kühlte danach allmählich ab.
Aus der Sicht des Schaukelstuhlstrategen werfe ich heute keinem Re-enactor das Übernachten in geschützen Unterkünften vor. Schon zu meinen aktiven Zeiten überliess ich diese Entscheidung jedem einzelnen und verspürte keinerlei Dünkel bloss weil ich im Dreck schlief und der Sergeant im Massenlager einer Turnhalle. Ich verwerfe das hinkende Argument, dass die Jungs damals monatelang so nächtigten, und ein wahrer Re-eactor dies folglich auch für nur einige Nächte ertragen müsse.
Dann müsste er folgerichtig in der steten Erwartung eines überraschenden Feuerschlags feindlicher Artillerie oder eines Stosstrupps in einen leichten Schlaf fallen, der es ihm ermöglicht jederzeit mit der Flinte aufzuspringen und ins Gefecht zu ziehen. Kein Re-enactor wird je das Leben im Krieg wirklich erfassen können, und darüber sollte er froh sein. Solange einer eine korrekte und authentische Darstellung beim Auftritt im Feld bietet, darf er meinetwegen schlafen wo er will ohne abgewertet zu werden.