Reenactoren in Leihuniformen

Allgemeines über die lebendige Geschichte.

Moderator: Hagelhans

Beitragvon elias am Mo 22 Jun, 2009 19:34

Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich sinnvoll und notwendig ist, Aspiranten zum Schnuppern in eine ausgeliehene Ausrüstung zu stecken. Das Interesse sollte eigentlich bereits beim Besuch einer Veranstaltung als moderner Zivilist geweckt sein. Dann sollte sich der "Neuling" erst mal mit der Darstellung intensiv befassen und recherchieren, respektive seine eigene Ausrüstung aufbauen (da natürlich gerne mir Rat und Tat der "Aktiven").

Jemanden einfach in eine fremde Haut stecken und das Gefühl haben, er könne sich darin wohl fühlen und Freude an der Sache gewinnen, finde ich doch sehr spekulativ. Kann funktionieren, wird aber wohl meist nicht. Und wenn es funktioniert, dann meist wohl nicht für lange.

Ich spreche hier nur aus der Optik einer seriösen Darstellung im (Spät-)Mittelalter. Für modernere Darstellungen mag das anders sein.

Neulinge einzukleiden, damit sie mal mitmachen können, endet nach meiner Sicht eher in einer peinlichen Situation. Da sitzt nichts, da passt nichts, und der Aspirant fühlt sich unwohl. Zudem besteht das Risiko, dass dann auch die "innere Bereitschaft" (wenn ich dem so sagen darf) fehlt, sich mit der Darstellung auch wirklich auseinanderzusetzen.

Ich hatte am Sonntag im Tessin ein interessantes Gespräch mit einem beeindruckenden Musikerpaar. Die Frau hat sich für ein mittelalterliches Tanzseminar mit viel Mühe in mittelalterliche Kleidung geworfen und fand sich am Ende dermassen deplaziert, dass sie den ganzen Krempel verscherbelt hat und mit Mittelalter nichts mehr am Hut haben wollte. Offensichtlich ein perfektes Beispiel dafür, dass es in die Binsen gehen kann, wenn man sich nicht vorgängig bereits intensiv und mit Freude auf das Thema einlässt.

Was das gelegentliche Ausleihen von Teilen einer Ausrüstung angeht, sehe ich keine Probleme. Es fehlt ja immer irgendetwas. Einmal regnet es und man hat keinen guten Mantel dabei. Einmal brennt die Sonne und man hat sich noch keinen Strohhut leisten können. Den Dolch, den man sonst immer trägt, passt einfach nicht in die dargestellte Zeit. Also wieso nicht von einem guten Kumpanen/einer guten Kumpanin ausleihen. Aber komplette Ausstaffierung?

Ich würde daher folgendes postulieren:
Komplette Leihausstattung für Neueinsteiger - NO GO
Gelegentliche Ausleihe von Utensilien - IMMER DOCH
Der Pferd, der hat drei Beine. Auf jeder Seite eine. Und hat er einmal keine... umfallt
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Beitragvon gijoe am Di 23 Jun, 2009 03:38

Dein Beitrag bringt es auf den Punkt und deckt sich mit meinen praktischen Erfahrungen. Nur die Leute die von Anfang an ihre Uniform selbst besorgten und unseren sehr hohen Standard erfüllten sind geblieben. Wir haben zwischendurch mal den Standard gesenkt, Biwakmaterial war nicht mehr obligatorisch. Danach hatten wir mehr Leute, das sah gut aus, wir "standen gut da" \:D/ , aber wir waren limitiert !! Vieles war nur oberflächliche Show , kein Living History. Ich habe das Hobby nicht gewählt " gut dazustehen" mich als Kopf einer grossen Gruppe zu profilieren um mein Ego zu befriedigen, sondern um Geschichte zu erleben, zusammen mit Leuten die meine Interessen teilen.
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Beitragvon Voltigeur am Fr 07 Aug, 2009 21:55

Na, dann möchte ich etwas spät aber trotzdem auch meine Meinung dazu geben.

Bei uns fangen fast alle mit Leihuniformen an, anders wäre fast nicht möglich.
Erst mal reinschnuppern, dann überlegen und dann langsam ausrüsten.
Da man ja nichts Orginal bekommt muss ja alles neu hergestellt werden, eine gute Uniform braucht ein Jahr.
Biwakmaterial sollte dann schon auch kommen. Der finanzielle Aufwand ist enorm, keiner steigt da so ein. Erst mal ansehen, mitmachen und dann weiter sehen.
Wenn wir aber nichts leihen würden hätten wir keinen Nachwuchs, grade die jungen Leute können sich die Napoléonik doch fast nicht leisten.
Nur gute Veranstaltungen und das volle mitmachen in geliehenen Sachen bringt sie dazu einzusteigen.


Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, ein teil unserer Leute ist so hängen geblieben ( nicht alle )


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Beitragvon gijoe am Sa 08 Aug, 2009 03:34

Bei uns sind nur ganz wenige Leute hängengeblieben die ihre Karriere in Leihuniformen begonnen haben und die wären vermutlich auch sonst gekommen. Wir haben in der pre Internet Zeit Jahre gebraucht um eine einigermassen brauchbare Impression zusammenzustellen.
Aber wie schon gesagt, der Grundewarum man Leute in Leihuniformen steckt ist sehr selten de Nachwuchsförderung sondern das Ego.
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Beitragvon Hagelhans am Sa 08 Aug, 2009 07:24

Ein unterschioed liegz woh im: "Ich würde gerne einmal mitkommen habe aber leider keine Kleider. Kann mir jemand etwas leihen?" Oder im "Du muss unbedingt einmal mittkommen, ich kann Dir auch alles ausleihen."
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Beitragvon dustoff am Sa 08 Aug, 2009 07:28

Hagelhans hat geschrieben:Ein unterschioed liegz woh im: "Ich würde gerne einmal mitkommen habe aber leider keine Kleider. Kann mir jemand etwas leihen?" Oder im "Du muss unbedingt einmal mittkommen, ich kann Dir auch alles ausleihen."


Ja genau ....
Interessierte Leute müssen doch nicht gleich die ganze Ausrüstung kaufen .... sondern könnten sich nach einem Event dann entscheiden. Schliesslich ist heutzutage nichts mehr gratis. Ich finde das mit den Leihuniformen gut .... aber die Leihuniformen müssen natürlich authentisch sein.
Gruss
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Beitragvon gijoe am Sa 08 Aug, 2009 11:17

Hagelhans hat geschrieben:Ein unterschioed liegz woh im: "Ich würde gerne einmal mitkommen habe aber leider keine Kleider. Kann mir jemand etwas leihen?" Oder im "Du muss unbedingt einmal mittkommen, ich kann Dir auch alles ausleihen."

=D> Gute Definition !!!

Es gibt da auch noch die Version die Leute bewusst in Leihuniformen zu halten, das hat den Vorteil das der " Willige " an die Gruppe gebunden ist und die Uniform bei Bedarf schnell mit Ersatz gefüllt werden kann.
Man hat gar kein Interesse das die Leute eigene Gewandung haben und hält oft die Quellen geheim . So was funktioniert heutzutage aber nur noch bei wenigen Impressionen oder mit Leuten die mit dem Internet nicht viel am Hut haben.
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Beitragvon Voltigeur am Sa 08 Aug, 2009 11:47

Ich würde sagen die Version von Hagelhans trifft den Nagel auf den Kopf.

Leute dagegen ewig in Leihuniformen zu halten um willige auf abruf zu haben, kommt mir doch etwas ungewöhnlich vor.
Was sollten das auch für Leute sein ?

Dazu kommt, wenn ein neues Mitglied voll ausgerüstet ist braucht er ja keine Leihuniform mehr.
Diese wäre also wieder frei für einen neuen Interessierten.

Manchmal dauert es halt etwas länger bis sich ein neuer voll ausgerüstet hat, ( Bei den Preisen ist das logisch ) grade jüngere Leute haben dieses Problem, da ist schon klar das man Sachen etwas länger oder öfters an dieselbe Person verleiht.

Sowieso sieht man schnell ob die Person wirklich interessiert ist oder das ganze nur ein Strohfeuer war.


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Beitragvon gijoe am Sa 08 Aug, 2009 11:57

Leute dagegen ewig in Leihuniformen zu halten um willige auf abruf zu haben, kommt mir doch etwas ungewöhnlich vor.
Was sollten das auch für Leute sein ?

Das gibt es !!! Was das für Leute sind ? Schwierig zu sagen , sie besuchen vermutlich keine Foren.
Ich mag mich an Aufrufe zur Teilnahme an Events errinnern , "kommt zu uns" , mit dem Vermerk " Leihuniformen" vorhanden
Ich kanns mal anders Formulieren, du brauchst z.b. einen Waffenrock in XXL , Replicas gibt es keine auf dem Markt oder du ist nicht so der Internettyp, ich habe den Gegenstand deiner Begierde in meinem Zeughaus , schon habe ich dich \:D/
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Beitragvon Voltigeur am So 09 Aug, 2009 12:15

Nun Ja,

Ich will gerne glauben das es soetwas gibt, doch denke ich das , dass ausnahmen sind.

Wenn der XXL Mann wirklich mitmachen will bekommt er die nötigen Info's um sich auszurüsten.
Es gibt ja genügend Gruppen die man fragen kann, wenn die eigenen Leute keine Info's geben. ( Was sehr ungewöhnlich ist )

Jede Gruppe ( Verein ) möchte doch grösser werden, einen Mann so hinzuhalten führt doch zu nichts.
Irgendwann wird er zu einem anderen Verein gehen, wo er die nötigen Info's bekommt.
Dann ist ja auch nichts gewonnen.

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