Der Trend, der keiner sein soll!

Allgemeines über die lebendige Geschichte.

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Beitragvon gijoe am Mi 18 Jun, 2008 08:46

Normalerweise sind auch die Gruppen die einen hohen Standard anstreben zu Anfängern ziemlich tolerant.
Es wird nicht so heiss gegessen wie gekocht wird.

Eigene Erfahrungen haben gezeigt, einen hohen Standard aufrecht zu erhalten extrem schwierig ist !
Lässt man die Zügel schleifen, schaut groszügig über das ein oder andere hinweg wird die Qualität schnell zusammenbrechen ! Und das faszinierende ist, dass nach einer gewissen Zeit diejenigen Leute die angefangen haben die Regeln zu brechen, reklamieren das die Events nicht mehr so gut wie früher sind
:-s
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Beitragvon Parabellum am Mi 18 Jun, 2008 09:36

Sehr viel sehr gescheites ist jetzt schon geschrieben worden (und das meine ich für einmal nicht ironisch). Und was ich jetzt schreibe ist im einen oder anderen Beitrag schon angetippt worden. Ich möchte es aber an dieser Stelle klarstellen, damit kein Missverständnis im Raume bleibt.

Du sprichst vom Trend. Das ist schon ein weitgefasster Ausdruck, der viele Interpretationen zulässt. Vor allem ist "Trend" eine statistischer Begriff, der nichts weiter bezeichnet als eine Tendenz über einen bestimmten Zeitraum. Der Trend an sich ist weder etwas negatives noch positives.

Nun hast Du Dich entschlossen in einem Forum Deine Beiträge zu posten und Beiträge zu lesen, dessen Mitglieder sich zu einem guten Teil einer authentischen Geschichtsschreibung verschrieben haben. Wenn also hier abschätzig von Trend gesprochen wird, dann ist das der Trend zum billigen, nachgemachten, unauthentischen. Aber selbstverständlich möchten wir in unseren Aktivtäten einen Trend ausmachen, nämlich den Trend zu Verbesserung unserer Darstellungen, unserer Detailkenntnisse, Wissen vom Leben in historischen Zeiten, Arbeitsmethoden etc. etc. usw. usf.

Was können wir daraus schliessen: Du bist bei einem elitären Haufen gelandet, der dazu steht, dass er etwas erreichen will, was weit über dem Durchschnitt steht. Der Trend der Masse wird belächelt, der Trend der Elite zur Pefektion wird gepflegt und gehegt. Take it or leave it.

Und um das schnell wieder zu relativieren (die Suppe wird nie so heiss gegegessen, wie sie gekocht wird): Jeder kennt auch die eigenen Unzulänglichkeiten und mit einem ironischen Augenzwinkern kann die Suppe genüsslich geschlürft werden. :smt047
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Beitragvon troupier suisse am Mi 18 Jun, 2008 11:27

Dieser Thread ist allgemein erfreulich ruhig geblieben, trotz des kontroversen Themas. Wie Parabellum schon gesagt hat, wurde viel Gescheites gesagt. Dafür sei allen Beteiligten gedankt.

Ich möchte für meinen Teil nochmals folgende Aussage etwas herausheben:

Ob meine Gürtelschnalle jetzt aus einem anderen Jahrhundert stammt oder ob meine Tunika aus einem Stoff gefertigt wurde, den es damals noch nicht gab, mindert doch meinen Spass und die gute Erfahrung nicht, welche ich an einem Anlass haben kann.


Es mindert sicher den Spass nicht, aber die Qualität der Darstellung ist für viele hier im Forum massgebend. Nicht dass ich missonieren möchte um Dir diese Philosophie aufzudrängen. Ich will versuchen die Problematik mit folgendem Gleichnis zu schildern. Nennen wir es den Marty McFly-Effekt und besuchen wir eine Re-enactmentszene im Jahr 2508. Dort treffen wir auf eine Gruppe die sich der Zivildarstellung des 20.Jh verschrieben hast. Uns fällt ein Mann auf der wir folgt gekleidet ist:

Schnürschuhe eines Berliner Herstellers um 1911 mit dazugehörigen schwarzen Knöpfgamaschen. Schwarze Socken mit Sockenhaltern von 1922. Weisse Schlaghosen von 1974 und ein passendes Polyesterhemd. Eine Krawatte wie sie Elton John bei einem Konzert 1982 getragen hat. Eine Helly Hansen Windjacke von 1992. Auf dem Kopf einen Motorradhelm mit einem Rolling Stones-Aufkleber aus der Zeit um 1975. Zur Ausstattung gehören ferner ein Walkman von 1987 und ein lederner Aktenkoffer aus den 1950ern. Der Darsteller hat die Impression eines Büroangestellten in einer grösseren Stadt im 20.Jh gewählt und betont dass er eben gerade für den Arbeitsweg gekleidet sei. Ein passendes Mofa um die Darstellung abzurunden restauriert er gerade, wird aber auf nächste Saison fertig sein. Alles was er trägt ist authentisch nach Vorbildern aus dem 20.Jh nachgefertigt. Bloss hat kaum je ein Büroangestellter so ausgesehen hat zwischen 1911 und 1992.

Deswegen ist es wichtig, dass die Ausstattung nach Möglichkeit in der Zeit harmonisch abgestimmt ist, weil die Darstellung ansonsten an pädagogischem Wert einbüsst. Da können sogar nur Jahrzehnte eine Rolle spielen, ganz zu schweigen von Jahrhunderten.
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht besetzt. (Oscar Wilde)
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Beitragvon Si-dam-Tanu am Mi 18 Jun, 2008 12:41

Vielen Dank für eure Beiträge!

Mir war durchaus bewusst, dass sich mein Thema leicht provokant äussert.
Aber ich habe erfahren, was ich wissen wollte. :smt002

Bleibt noch zu sagen, das meine bitte für mehr Tolleranz nicht für die "Plastiksoldaten" gedacht war, sondern mehr für neueinsteiger, die die Sache auch ernst nehmen!

Auch spricht meine Kritik nur eine Minderheit an, denn wie ich herausgefunden habe, ist eine grosse Mehrheit dieser Gemeinschaft sehr Hilfsbereit. Muss auch gesagt werden! (:smt047 @ santosdumont)

Ich find es einfach schade, wenn jemand zu schnell Urteile fällt.
Deshalb versuchte ich auch, so diplomatisch wie möglich vorzugehen.
Ich möchte mir keine Feinde machen, sondern Verstehen können. Deshalb bin ich allen dankbar, die mir dabei geholfen haben!
Schliesslich bin ich im Forum und auch im Reenactment ein Neuling.

Vielleicht begründen sich meine Gedanken auch damit, dass ich vergass: Egal wo du glaubst hineinzupassen, es gibt immer welche, die dies bestreiten wollen. Nach dem Prinzip, man kanns eben nicht mit allen gleichgut haben. :smt001

Ich sehe Gewisse Dinge jetzt mit anderen Augen, nochmals vielen dank!

Grüsse
Tanu
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Beitragvon CPT. Newman am Mi 25 Jun, 2008 11:05

@ Si-Dam-Tanu
Reenactment ist für mich das Darstellen Authentischer Ereignisse und oder Historischer Personen, dass es nicht immer Spass macht beweisen wundgelaufene Füsse, frostbeulen im Winter, nasse Hintern im Felde usw. weil es eben authentisch zu geht. Wenn du NUR Spass haben willst, geh zu einem Karnevalverein und Kostümiere dich dort, dann würde ich sagen ist Reenactment nicht das Richtige für jemand der halt es gerne Bequem haben möchten und den Spass im Vordergrund sieht! Mir geht der "Spass" flöhten wenn jemand auf seinem US Camp von 44 sitzt, zwischen den Beinen die PET Flasche vom Lidl, das Handy am Ohr und ne Fluppe mit Filtter im Mund.
@ Hitomi,
100% Authentisch wird wohl niemand hinbekommen, wer möchte schon ernsthaft angeschossen werden, oder Not leiden, aber trotzdem bleibt für mich Authentizität ein wichtiges und erstrebenswertes Ziel in meinem Hobby (Dieses Wort mag ich nicht) den ich sehe darin auch einen Aufklärenden Auftrag!
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Beitragvon Hitomi am Mi 25 Jun, 2008 15:11

@ Cpt Newman
Häufig wird das Wort "Authentisch" dazu verwendet, diversen "Authentischen" Geramschel vermischt zu tragen. Es ist leider schon etwas zum Modewort verkommen, daher halt ich mich lieber ans "glaubwürdig" (sonst sind wir wieder bei der Handgesponnen, Handgewobenen, Pflanzengefärbten Wolle vom Mittelalterschaf von Pro-Specie Rara angekommen. Und nein - die Diskussion hat weder Sinn, noch führ ich die)
Natürlich ist es erstrebenswert, so nahe wie möglich an sein Vorbild heranzukommen, wo es erhaltene Originale gibt, vereinfacht dies die ganze Darstellung schon sehr. (z.B. wofür soll ich mir einen Hut aus den 50ger machen, wenn ich einen echten aus den 50gern habe)
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Beitragvon CPT. Newman am Mi 25 Jun, 2008 16:17

Vieleicht wäre es einfacher wenn der Unterschied klar wäre zwischen Authentisch und Original, ich möchte bei meiner Darstellung halt Authentisch aussehen, wenn ich Originale trage die seit 60ig Jahren etwas mitgemacht haben, kann ich dem Bild des Frisch aus Britanien eingeschifften Soldaten von 1944 leider nicht entsprechen mit meinen von Moten und Gilb zerlederten Klamotten, so was gehört ins Museum. Von daher denke ich ist es Legitim Qualitative und Hochwertige Repros zu tragen auch unter dem Aspekt die wenigen Originale als wichtiges und Geschichtliches Kulturgut zu erhalten.
Wenn du einen 50iger Jahre hut hast und diesen trägst OK!
Besteht nur die Frage sieht man das, dass es ein Original ist, wenn ja, siehst du schon nicht mehr nach 50iger Jahren aus sondern nach jemand der einen Hut an hat der 50 Jahre alt ist (?!)
Und vor allem, möchtest du einen Hut der erhalten ist zu einer Veranstaltung tragen und in somit zerstören?
Authentisch und Original, zwei paar schuhe...
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Beitragvon Hagelhans am Mi 25 Jun, 2008 16:26

Sind wir hier nicht wieder bei "glaubwürdig" angelangt?
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Beitragvon zellerin am Mi 25 Jun, 2008 16:31

Naja, wie gut ein Original noch aussieht hängt halt davon ab wie es gepflegt wurde, wie oft es getragen wurde etc. Ich habe z.B. noch drei alte Nachthemden meiner Grossmutter aus den 30-40gern und die sind weder vergilbt noch haben sie Mottenlöcher. Sie lagen halt nur die letzten Jahrzehnte unbenützt im Schrank und wurden höchstens zum Hemdglunki mal hervorgeholt. Wenn man so ein gut erhaltenes Original tragen kann...warum nicht. (Sie liegen allerdings weiterhin unbenützt im meinem Schrank, da ich die Zeit in die sie gehören nicht reenacte ;)
Ein Kleid aus derselben Zeit hat meine Grossmutter mir einmal für eine Theateraufführung in der Schule ausgeliehen und das rötlich-violett des Kleides sah noch sehr neu aus, meine Grossmutter hat das Kleid nur an der Hochzeit ihrer Schwester getragen, sonst hing /bzw. hängt es in ihrem Schrank.
Bei Originaluniformen kann ich mir aber vorstellen, dass man schwieriger an selten getragene und liebevoll aufgehobene Exemplare kommt, unmöglich ist es aber aufgrund der nicht so lang zurückliegenden Ereignisse nicht.
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Beitragvon Parabellum am Mi 25 Jun, 2008 16:33

Ich glaube, man sollte mit den Formulierungen nicht zu spitzfindig sein. Wenn ich die Diskussion resümiere, dann komme ich zum Schluss, dass man sich eigentlich mehrheitlich einig ist. Ich möchte die Diskussion nicht abklemmen, aber das Problem liegt darin, dass wir hier weitgehend über die Bedeutung von Fremdwörtern diskutieren, da gibt es eine gewisse Interpretationsbreite. Was uns weiterführen würde, wäre eine präzsise Definition der Begriffe und zwar nicht für den Allgemeingebrauch, sondern spezifisch für Reenactment.
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