Nur Waffen und Uniformen?

Moderator: troupier suisse

Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon troupier suisse am Mo 30 Aug, 2010 07:34

Nun mal zurück zu diesem Satz von Falcon, der für mich persönlich tief blicken lässt:

Kann ja verstehen, dass jeder gern der grosse Krieger ist.


Erinnert mich doch sehr an die Perspektive hinter einem kürzlich in der Tagespresse gefallenen Satz:

Sie kleiden sich in bunte Gewänder und spielen Römerzeit oder Mittelalter. Das nennt sich dann Re-Enactment.


Man sollte sich eines vor Augen führen bevor man allgemeine Wertungen in den Raum stellt - für die öffentliche Meinung ist unsereins meist infantiles Volk das sich gerne verkleidet. Dabei macht es keinen Unterschied ob "jeder gerne der grosse Krieger ist" oder ob man verkleidet mit Raubvögeln durch die Botanik wandelt. Das Boot ist dasselbe.
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Falcon am Mo 30 Aug, 2010 09:35

Desshalb schrieb ich ja: ich kann es verstehen! Es fasziniert mich ja auch.

Mit dem Falken ist der Unterschied nur der, dass ich damit auch normal täglich arbeite, Es also mein normaler Alltag ist. Eine Wertung will ich ums Himmels willen keine abgeben.

Ich stehe hier ganz einfach am Anfang und habe nur ganz unbefangen wiedergegeben, was mir halt ein bisschen aufgefallen ist.
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Yaslaw am Mo 30 Aug, 2010 09:49

Das Glück seine tägliche Arbeit ins Hobby einzubringen haben nur wenige. Ich zum Beispiel habe leider noch keine Belege zu mittelalterlichen Programmierungen gefunden.

Aber grad im Mittelalterbereich findest du hier vieles wo es nicht um Waffen und Rüstungen geht. Schau dich mal um.
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Maja am Mo 30 Aug, 2010 12:48

Bezüglich Tragkomfort einer Bruche kann ich natürlich nicht mitreden ;-), aber ein Unterkleid tragen ja auch die Damen der Schöpfung und das ist aus Leinen, wie die Bruchen meiner Männer (und wahrscheinlich der meisten anderen auch). Dazu ist zu sagen, dass es kaum etwas Angenehmeres gibt als Leinen: im Sommer angenehm kühl, passt sich dem Körper an und mieft auch nach 48 Stunden in der Hitze nicht besonders. Auch wenn auf den ersten Blick viel Stoff um Beine und Hüften gewickelt werden, so ist die Bewegungsfreiheit und eben der Tragkomfort (siehe oben) wie mir bestätigt wurde, sehr gut, am Anfang vielleicht etwas Gewöhnungssache. Probier's doch einfach mal aus! Eine Bruche ist schnell genäht, Schnittmuster hat's im Internet oder Du bekommst's bei uns.
Bedenke wohl, um was du die Götter bittest - sie könnten es dir gewähren!
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Murky am Mo 30 Aug, 2010 21:30

Hallo Falcon

Hier noch eine Abbildung aus dem Codex "De arte venandi cum avibus", dem Falknerbuch von 1258–1266, das kennt ihr ja alle :-) Das passt ziemlich, oder? Die Falkner tragen denke ich hohe Lederstiefel, oder wie würdet ihr das interpretieren?
Der Kleidung nach zu urteilen waren diese zwei Falkner alles andere als arm :-)

Sorry für das grosse Bild aber ich wollte keine Qualität einbüssen. (rechts ist noch mehr dran)
Bild

Cheers, Dani
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon martin am Mo 30 Aug, 2010 22:32

Hallo Falcon

Das hier, scheinbar, so wenige Fragen zu Handwerk und Alltagskultur beantwortet werden liegt nicht daran das sie niemand beantworten könnte, sondern das sie noch niemand gestellt hat. Also nur her damit, irgend jemand wird Dir sicher weiterhelfen.

Nachdem ich ein paar Stunden hier verweilt habe und einiges nachgelesen habe, stellt sich mir die Frage:
Geht es hier fast ausschliesslich nur um Uniformen , Waffen und Krieger ?


Du scheinst hier von einer, wie in der modernen Gesellschaft (zum Glück) üblichen, Trennung von Zivil und Militärisch auszugehen. Dies scheint aber meiner Meinung nach „im Mittelalter“ so nicht gewesen zu sein. Die Übergänge waren fliessend und manchmal war es beides parallel.

Einige Beispiele:

Im Bayrischen Landfrieden von 1244 wurde reglementiert welche militärische Ausrüstung ein Bauer maximal besitzen durfte. Darunter waren auch so teure Stücke wie Eisenhüte und Kettenpanzerteile. Das hier reglementiert wird lässt vermuten das die Bauern gerne mehr besessen hätten.

Im Spätmittelalter war es Bürgerpflicht je nach Einkommen entsprechende militärische Ausrüstung zu besitzen. Im Homi war es zumindest üblich die Bürger einer Stadt zum Wachdienst auf der Mauer heranzuziehen.

Die Kleidung die der Niederadlige auf der Jagd trug scheint die gleiche zu sein wie die Abends im Feldlager oder Zuhause bei den täglichen Pflichten. Mir sind bis jetzt zumindest keine Unterschiede in den Miniaturen aufgefallen.

Gerade im Bereich Jagd und Krieg wurden teilweise die selbe Ausrüstung verwendet. Bei der Armbrust wurden meißt nur andere Bolzen verwendet, der Knebelspieß/Flügellanze zur Wildschweinjagd ist gleich gezeichnet wie der in der Schlacht.

Manchmal hilf es weiter, wenn man versucht nicht alles durch unsere neuzeitliche Brille zu betrachten. Da lösen sich dann auch einige Wiedersprüche auf.

Mich erstaunt nur der Widerspruch: Einerseits heisst es, Leder wurde mehr vom arbeitenden Volk benutzt z.B. für einen Schurz etc, andererseits soll es so kostbar gewesen sein, dass auch wohlhabende es nicht als Beinschutz benutzt haben sollen.
Einerseits war die Zunft der Gerber überall vertreten. Zaumzeug, Schildbespannungen, Sättel, Riemen , Schuhe, überall war Leder gegenwärtig, Andererseits , soll es so etwas spezielles gewesen sein?


Wenn man den enormen Schuhverschleiß und den Bedarf an Leder für andere, zum Beispiel auch die von Dir genannten, Gegenstände rechnet, dann bleibt warscheinlich nicht so viel Leder übrig, es gab ja noch keine Massentierhaltung. Wenn ich mich recht erinnere gibt es eine Aufzeichnung aus dem 13ten Jhd. , das einem Zimmermannsgesellen 7 Paar Schuhe im Jahr zur Bezahlung dazu zugeben waren, die wird dieser dann auch benötigt haben.

Zu Bruche und Beinlingen möchte ich Dir raten, es einfach mal auszuprobieren.Ich war vor einigen Jahren auch recht skeptisch aber jetzt finde ich sie ausgesprochen Bequem und Praktisch. Durch das herunterrollen, weglassen oder auch wieder hinzufügen der Beinlinge ist man jederzeit in der Lage die Klamotte schnell an die Witterung anzupassen.

Im Ausstellungskatalog zur „Manesse-Ausstellung“ von 1988 findet sich einiges zur Falkenjagd im späten Homi, darunter über 30 Miniaturmalereien von Falknern und einiges an Text, an Orginalen sind leider nur neuzeitliche Gegenstände drin. Ansonsten findesrt Du dort fast Alles was man für eine Darstellung so benötigt, Bilder aus Handschriften und Funde, auch sehr viele Alltagsgegenstände :smt047
„Codex Manesse; die grosse Heidelberger Liederhandschrift; Texte – Bilder – Sachen“ Verlag Edition Braus

Haben wir Dich in Wellenberg gesehen?

Grüße vom Bodensee
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Priska am Di 31 Aug, 2010 06:04

Ich hab nochmals nachgelesen und folgendes gefunden:

-"Lederne Beinlinge aus Ziegenleder aus Cordoba werden in der Geschichte vom Meier Helmbrecht genannt"
-"Im Buch ""Der Trojanische Krieg" von Konrad von Würzburg wird ebenalls lederne Kleidung genannt"
-"Aus Aufzeichnungen des französischen Hofes von 1352 ist ebenfalls Leder als Kleidungsmaterial überliefert (zwei Unterhosen aus Hirschleder für den Fürsten von Orleans)
(Quelle: Kleidung im Mittelalter von Katrin Kania, S. 49)

Weiss da jemand mehr?
Zuletzt geändert von Priska am Di 31 Aug, 2010 11:52, insgesamt 1-mal geändert.
Grüessli
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Wolfgang Ritter am Di 31 Aug, 2010 09:23

Hallo,
ich kann Deinen Eindruck, dass hier so überwiegend nur Militärgedöns thematisiert wird, eigentlich nicht bestätigen. Natürlich muss dabei auch beachtet werden, dass bei einer Darstellung, die im ersten oder zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, offenbar aus der Natur der Sache heraus das Militärische - sprich Waffen und Uniformen - eindeutig im Vordergrund stehen.
Da im Mittelalter mindestens kleidungstechnisch noch keine große Trennung zwischen Militär- und Zivilkleidung besteht, stellt sich da das Problem ganz anders dar.
Für mich besteht im Übrigen gerade in der Recherche ein beträchtlicher Teil des Hobbies, ich versuche da schon weitestgehend selbst Hand an zu legen. Dies geht anderen ähnlich, allerdings können halt die wenigsten schmieden oder plattnern, so dass die Fragen zu Bezugsquellen im Bereich Gedengel natürlich proportional häufig vertreten sind.
Andererseits stellen die meisten erst dann Fragen, wenn sie ihre eigenen Quellen schon erfolglos durchgeackert haben.

Unschlüssig bin ich jetzt bei der weiteren Diskussion: hast Du jetzt eine konkrete Frage zu Hosen (Beinlingen), Lederkleidung generell?
Da wäre vielleicht sinnvoller, konkret einen neuen Thread aufzumachen, denn so ist die Diskussio etwas zerfasert.

Sei es wie es will: auch wenn die Seite etwas äter ist, so kann der gute Marc Carlson immer noch mit einer wahren Fülle von Informationen aufwarten: http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/bockhome.html
Speziell hier gbt es eine Sammlung von Erwähnungen/Funden von Lederbekleidungsstücken: http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/leather.html

Generell wäre davor zu warnen, mit modernen Praktikabilitätserwägungen an Fragestellungen zu mittelalterlicher Mode und sonstiger Ausrüstung heranzugehen.
Da kann man ganz schnell eine moderne Sicht aus Bequemlichkeit aufpfropfen und damit die Darstellung verfälschen - siehe nur etwa die Anzahl all jener "Cowboywesten", sprich ärmelloser Wämser, mit denen SpäMi-Darstellern den lieben langen Tag auf Veranstaltungen im Simmer herumsitzen. Klar kann man die Existenz derlei ärmelloser Wämser belegen, nur bei welchen Anlässen und wer hat sie sichtbar zur Schau gestellt, sprich NUR Wams getragen ohne Schecke, Schaube etc. darüber?

Achso, hier noch ein paar hervorragende Seiten zur Recherche: http://www.larsdatter.com/
Und mein besonderer Favorit was Bildquellen angeht: http://www.imareal.oeaw.ac.at/realonline/

Grüße
Wolfgang
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Gerald von Ameningen am Di 31 Aug, 2010 17:11

Ich fühle mich mal eingeladen, über meine Erfahrungen mit Bruche und Beinlingen hoch zu Ross zu berichten. Ich habe einige mehrstündige Ausritte mit meiner eher dünnen Stoffbruche unternommen, entweder zusammen mit meinen zivilen Stoffbeinlingen oder auch komplett gerüstet, also mit meinen "Eisenhosen" (=Beinlinge aus Eisenringen) und habe noch nie wunde Stellen oder sonstige Probleme gehabt. Dazu muss ich noch sagen, dass ich einen entspannten, dem Westernreiten ähnlichen Freizeitreiterstil nach Penquitt reite, bei dem die Beine eher lose anliegen.

Freundliche Grüsse
Gerald von Ameningen
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Re: Nur Waffen und Uniformen?

Beitragvon Falcon am Mi 01 Sep, 2010 16:51

Also erstmal besten Dank für all diese Ausführungen. Wie gesagt steh ich Punkto Ausrüstung ja ziemlich am Anfang und möchte ja nur nach Möglichkeit Praktisches mit "Authentischem" verbinden.
Es soll ja dann nicht nur Deko sein.
Also Danke nochmals und das hilft mir schon mal einiges weiter.
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