Mal gelassen bleiben. 10'000 Dollar kann man auch für ein angebrochenes Päckli Hustenbonbons verlangen, aber ob es jemand kauft ist eine andere Sache. Und in den USA dürften die Preise für europäische Antiquitäten sowieso etwas höher liegen als hier in der alten Welt. Dort drüben sprudelte ja auch die Quelle der wunderlichen Hypotheken.
Mein abgegriffenes Exemplar wird im Moment Seite für Seite behutsam mit dem Staubpinsel gereinigt. Man glaubt nicht, was sich in fast 500 Jahren so am Bund ansammelt. Da ist von Staub über Haare bis zu toten Mücken alles drin.
Ein Inkunabelnsammler hat mir vor etwa zehn Jahren mal geraten, die Papierreste im Einband näher ansehen zu lassen. Die Buchbinder haben früher mit ungebrauchten oder alten Druckseiten gearbeitet um den Einband zu verstärken. Daher könnte unter dem Pergament eventuell eine zusätzliche kleine Rarität hocken (oder Seiten eines obszönen Katalogs der schon damals Ramsch war). Auf jeden Fall gäben die verwendeten Drucke einigermassen Aufschluss darüber, ob es noch der Originaleinband sein könnte, oder ob das Buch später neu eingebunden wurde (wenn etwa zurechtgeschnippelte Seiten von Mozarts Memoiren verarbeitet wurden).
Ich werde noch ein Paar Aufnahmen von den deftigsten Schadstellen online bringen (Wurmlöcher, handschriftliche Ergänzungen und der ausgeschnittene Titel auf dem Schmutzitel), damit Ihr das wirklich mal gesehen habt. Es stand einmal der Gedanke einer fachmännischen Restauration im Raum. Allerdings gibt es den Standpunkt dass heutzutage der konservierte Originalzustand einer ergänzenden Auffrischung vorzuziehen sei. Da liess ich es lieber bleiben, bevor ich viel Geld für irreversibles Lifting ausgab.
Sehr lesenswert hierzu ist übrigens dieser Beitrag von Christian Beintker, der für Zurückhaltung bei Restaurationen von Büchern votiert:
http://www.uni-muenster.de/Forum-Bestan ... ker01.html
Darin wird auch davor gewarnt, alte Einbandtechniken durch unsensible Eingriffe zu zerstören.