Nach einigen Tagen des auskühlen der Füße und setzten der Gedanken bin ich durchaus in der Lage einen kurzen Bericht zu unserem Marsch abzugeben.
Donnerstag 17.06. pünktlich 12 Uhr trafen Bernd und ich in Ligny am Abmarschpunkt ein. Ca. 20 Sachsen, ebensoviele Westphalen und leider nur 2 Colberger waren schon angetreten und wollten gerade abmarschieren. Dankbarerweise wurde auf uns gewartet bis wir uns auch abmarschbereit gemacht hatten. Um 12:30 Uhr ging es dann los, bei Sonnenschein und mäßigen Temperaturen wurden die ersten Kilometer auf unserem Weg zum Treffen mit der allierten Armee bei Belle Alliance unter die Füße gebracht. Die erste Etappe führte uns vom Schlachtfeld in Ligny etwa 12 Kilometer nach Norden, das Profil war ziemlich eben und wir kamen gut voran. Ohne größere Probleme erreichten wir unseren ersten Übernachtungspunkt, eine wunderschöne alte Farm bei der auch damals schon preussische Truppen gelagert haben könnten. Dort waren inzwischen noch 10 Colloredos und ein paar mehr Sachsen eingetroffen die am nächsten Tag mit uns marschieren wollten. Leichtes ziehen stellte sich bei mir in den Füßen ein.
Freitag 18.06. Ausschlafen bis 8 Uhr, auf viel militärisches Gehabe wird nicht wert gelegt, also fast so schön wie im Urlaub. _Gegen 11 Uhr gehts dann wieder los. Diesmal ist der Weg nicht mehr so schön eben. Etliche Anstiege warten auf uns. Nach jeder Pause tun die Füße mehr weh. Das Wetter ist wärmer und schwüler geworden, also nicht mehr so schön einfach zu marschieren wie am ersten Tag. Leider auch zwei unvorhergesehen Pausen. Das zieht sich also ziemlich hin. Die letzte Pause lassen Bernd und ich ausfallen um in einem Zug durch zu marschieren. Ankunft am Nachmittag in unserem Quartier. Wieder etwa 12 Kilometer näher an unserem Ziel. Die Füße schmerzen schon ziemlich stark.
Samstag 19.06. Wieder ausschlafen bis 8 Uhr, ich kann mich an keine Veranstalltung erinnern bei der ich so viel geschlafen habe. Allerdings hat das leider nicht viel Auswirkung auf meine Füße, tun immer noch weh aber es geht. Also weiter sind ja nur noch ca 10 Kilometer. Über Lasne geht es nach Plancenoit. Nach er Mittagspause hab ich das Gefühl meine Füße würden abfallen. Aber der Weg ist das Ziel, also schön gemütlich den anderen hinterher, den Weg kannte ich ja noch von vor 5 Jahren. Dann fängt es auch noch zu regnen an, was für eine Freude als die Kirchturmspitze von Plancenoit hinter den Hügeln auftaucht. Die letzten Kilometer bis zum Sammelpunkt bring ich noch hinter mich dann bin ich fertig. Füße tun höllisch weh, naß, kalt, hart, schön war's. Ich wickle mich in meinen Mantel und bin schon fast eingeschlafen, das gemeinsame Exerzieren lasse ich ausfallen. Der Bauer lädt mich ein in der Scheune im Heu zu schlafen was ich dankend annehme. Irgend wann werde ich von fürsorglichen Kammeraden geweckt die mir frische Waffeln bringen, selten habe ich besseres gegessen und bin auch schon wieder eingeschlafen. Nach etwa 1,5 Stunden gehts schon wieder, das Gefecht in Plancenoit hab ich leider verpasst, also den Geschützfeuer hinterher. Kurz vor Le Caillou hab ich den Rest der Armee wieder eingeholt. Die Fahnen unseres Bataillons steht mitten im dichtesten Kampfgetümmel, keine Chance hin zu kommen. Da gerade ein französischer Gegenangriff läuft stelle ich mich zur kurmärkischen Landwehr um unsere Geschütze zu verteidigen. Nachdem der Angriff abgewehrt ist besteht auch die Möglichkeit wieder zu meiner Einheit zu gelangen, also nix wie hin. Da komme ich gerade noch recht um den fliehenden Franzosen in der Dämmerung die letzten Salven hinterher zu schicken. Eigentlich wars das, ich bin so Müde das ich am liebsten wie damals mich gleich auf dem Schlachtfeld hingelegt hätte und die Nacht verbracht hätte aber das Lager ist in Hougomont. Nachdem wir es bis hierher geschafft haben werden wir die letzten 2 Kilometer auch noch schaffen. Während alle anderen mit den Bussen fahren marschieren wir glorreichen 4 noch die letzten Kilometer und sind tatsächlich 5 Minuten schneller da als die anderen die mit den Bussen gefahren sind. Nach einigen kurzen Gesprächen falle ich ins feuchte Stroh decke mich zu und bin schon eingeschlafen.
Sonntag 20.06. Wecken um 6 Uhr Meine Füße würde ich mir am liebsten abhacken, das kann nicht mehr weh tun. Auf den Weg zu den Toiletten sehe ich das Lager zum erstem Mal bei Licht, spontan fällt mir der Schluß von "Apocalypse Now" ein .... das Grauennnn ... als ich dann noch sehe das die Schlange der Wartenden etwa viermal so lang ist wie die Anzahl der aufgestellten Dixis ist es auch nicht mehr so wichtig, die paar Stunden kann ich es mir auch noch verkneifen. Der Weg zurück zum unserem Lager ist gespickt mit Augenkrebs verursachenden Unsäglichkeiten. Selten habe ich ein solches Gemetzel gesehen, tausende von niedlichen Polyestertierchen müssen gestorben sein um die Uniformen anzufertigen. Frauen in Uniformen kann man ja noch verstehen aber müssen sie auch noch geschminkt und dick mit Lippenstift eingepinselt sein??? ... das Grauen, das Grauuuueeeeennnn ....
Mit Rücksicht auf meine Füße beschließe ich an der Schlacht diesmal nicht teilzunehmen, aber als es dann heißt "Fertigmachen" meldet sich doch das Gewissen, der König und die Kameraden könnten mich ja noch gebrauchen, also doch raus. Hat sich auch gelohnt. Das Schlachtfeld war ein Weizenfeld am Fuße des Löwenhügels, an drei Seiten von Tribünen begrenzt. Für uns Preussen heißt es erst mal warten. Wieder fängt es an zu regnen aber zum Glück nur kurz. Der Ablauf war so ziemlich an die Orginalschlacht angelehnt, gut, das wir Preussen auch in den großen Kavallerieangriff mit einbezogen waren passt nicht so ganz, war aber sehr beeindruckend. Nach er Schlacht dann nochmal zurück ins Lager, dem Gefühl nach sind meine Füße bis zu den Knöcheln abgelaufen aber ich halte durch. Und dann ist es vorbei, nie wieder so eine Strapaze, ich hoffe das wir das nächste mal mehr sind.
Meinen besten Dank an alle die den Marsch organisiert haben und alle die mitgeholfen haben das es ein einmaliges Erlebinss geworden ist.
Gruß
Steve
@ Dietrich, gute Besserung an Dirk und nochmals "Danke"