Heute hab ich über einen tollen Gastvortrag in Zürich erfahren.
Ich werde dort sein. Vielleicht seht man ja noch wen.
Hier die Beschreibung:
Gastvortrag und Podiumsdiskussion
Zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs –
Wie sicher ist Kulturgut in Archiven und Bibliotheken?
Montag, 25. Mai 2009 — 18:15-20:00 Uhr, Historisches Seminar KO2-F-150
(Flyer http://www.hist.uzh.ch/zey/pdf/events/F ... 5-2009.pdf PDF, 2 MB)
Am 3. März 2009 ist das Historische Archiv der Stadt Köln eingestürzt. Während sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses sowie Benutzerinnen und Benutzer des Archivs noch rechtzeitig ins Freie retten konnten, sind durch den Einsturz angrenzender Gebäude zwei Menschen ums Leben gekommen. Der ursächliche Zusammenhang des Gebäudeeinsturzes mit dem Bau der Kölner U-Bahn direkt vor dem Stadtarchiv ist evident; erhebliche Schädigungen und Gefährdungen des Baubestandes entlang der neuen U-Bahn-Strecke waren schon Monate vor dem Unglück eingetreten.
Während die öffentliche Wahrnehmung in den ersten Stunden und Tagen nach dem Einsturz den Verschütteten galt, ist mittlerweile die kulturelle Katastrophe ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Das Kölner Stadtarchiv ist mit seinem einzigartigen Bestand von rund 65.000 Pergamenturkunden, 104.000 Karten, einer halben Million Fotos, 26 Regalkilometern an Aktenmaterial und wertvollen Nachlässen von berühmten Künstlerinnen und Künstlern sowie Literatinnen und Literaten ohne Zweifel eines der bedeutendsten kommunalen Archive in Europa. Nicht nur der beträchtliche Umfang von Archivalien, sondern vor allem die Kontinuität der Archivierung serieller Quellen seit dem 14. Jahrhundert zur Geschichte von Stadt, Region, Reich und Hanse haben die Bestände des Kölner Stadtarchivs zu europäischem Kulturerbe werden lassen. Der mehrfach bemühte Vergleich mit dem Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar im Herbst 2004 verdeutlicht die Dimension des entstandenen Schadens. Wurden dort vor allem frühe Drucke vernichtet, von denen sich grösstenteils auch noch andernorts Exemplare befinden, und nur wenige Handschriften, ist in Köln vor allem der massenhafte Verlust von unikalen handschriftlichen Überlieferungen und derjenige des Aktenbestandes zu befürchten.
Erste Einschätzungen nach mehrwöchiger Bergungstätigkeit haben für eine optimistischere Stimmung gesorgt, da bereits etwa 40.000 der rund 65.000 Urkunden und insgesamt weit mehr als 20% der Archivalien geborgen worden sein sollen, darunter so wertvolle Stücke wie eine eigenhändige Handschrift von Albertus Magnus. Allerdings sind die Schäden zum Teil gewaltig, so dass der von der Presse freudig aufgegriffene Optimismus verfrüht erscheint. Das ganze Ausmass wird sich erst abschätzen lassen, wenn die Bergungen abgeschlossen und die Tonnen von Schutt nach den schriftlichen Überresten minutiös durchkämmt worden sind. Allein diese erste Sichtung wird noch viele Monate in Anspruch nehmen.
In der Zwischenzeit konzentrieren sich die Fachleute auf die Rekonstruktion des Bestandes und vor allem auf die Restaurierung beschädigter Dokumente. Dabei kommt dem LWL-Archivamt für Westfalen in Münster eine Schlüsselrolle zu, da es über sehr gute personelle und technische Möglichkeiten zur Bestandserhaltung verfügt, vor allem über eine Gefriertrocknungsanlage zur schonenden Trocknung von durchnässtem Pergament und Papier. Der Leiter des Archivamts, Dr. Marcus Stumpf, konnte bereits zehn Tage nach dem Einsturz eine erste Wagenladung stark beschädigter Archivalien aus Köln entgegennehmen.
Wir freuen uns deswegen sehr, dass sich Herr Stumpf bereit erklärt hat, nach Zürich zu kommen, um aus seinem derzeitigen Tätigkeitsfeld zu berichten. Bei seinem Vortrag und der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Archivarinnen und Archivaren aus Zürich soll es aber nicht nur um den konkreten Fall, sondern auch um generelle Erfordernisse von Sicherung und Erhaltung von Kulturgut in Archiven und Bibliotheken gehen. Zur Sprache kommen werden dabei ebenso die normativen Vorgaben wie die praktische Umsetzung, ausserdem die Frage nach dem politischen Willen zur Investition und die öffentliche Wahrnehmung von schützenswertem Kulturgut.