Ich möchte an dieser Stelle einen eher stillen Film zum Zweiten Weltkrieg empfehlen. Es kommen keine Kampfszenen vor, es gibt keine Toten und es kommt kein einziger Feind vor. "Biloxi Blues" von Mike Nichols entstand 1988 nach einem Theaterstück von Neal Simon. Die Hauptfigur ist Eugene Morris Jerome, der zu Beginn des Films als 19jähriger Rekrut der US-Armee im Sommer 1945 im Zug unterwegs nach Biloxi, Mississippi ist. Jeorme stammt aus einer jüdischen Familie in Brooklyn, New York und er hat einige persönlichen Ziele.
Seine Prioritäten sind in dieser Reihenfolge: Sich zu verlieben, seine Unschuld zu verlieren und ein grosser Autor zu werden. Er hat New York kaum je verlassen und die kommende Grundausbildung in Biloxi ist seine erste grosse Reise die über den Mikrokosmos seiner behüteten jüdischen Welt in Brooklyn hinausführt. Er wird die Welt der militärischen Grundausbildung kennenlernen und er muss Antisemitismus erfahren. Trotz der ständigen Konflikte hat der Film humorvolle Züge ohne dabei jedoch zur seichten Komödie zu werden.
Biloxi Blues atmet den Geist des Stücks als das es im März 1985 im Neal Simon Theatre in New York uraufgeführt wurde. Bereits beim Stück spielte Matthew Broderick die Rolle von Eugene Jerome. Der junge New Yorker Schauspieler war damals schon bekannt da er 1983 die Rolle des David Lightman in John Badhams WarGames spielte. Ebenfalls auf der Bühne stand Matt Mulhern, der auch im Film die Rolle des rauhen und wenig sensiblen Joseph Wykowski übernahm. Auch Penelope Ann Miller war als Daisy Hannigan sowohl am Broadway als auch im Film dabei.
Eugen Jermone erreicht in zehn harten Ausbildungswochen im feuchtheissen Biloxi zwei seiner Ziele. Er verliebt sich in die bezaubernde Daisy und er verliert bei einem übermütigen Ausflug mit Kameraden ins Bordell seine Unschuld. Einen wichtigen Impuls zu seiner Karriere als Autor gibt ihm indes ein anderer Rekrut, ebenfalls ein New Yorker Jude - der intellektuelle Arnold Epstein, gespielt von Corey Parker. Epsteins unscheinbare, ja schwächliche Erscheinung steht in scharfen Kontrast zu seinem starken Selbstbewusstein und seinem aufrechten Charakter.
Jerome und Epstein treffen schon in den ersten Minuten des Films auf eine andere Hauptfigur, die den Film fortan mitbeherrscht. Sergeant Merwin J.Toomey ist eine von Christopher Walkens Rollen die ich für ausserordentlich subtil gespielt halte. Die Filmgeschichte kennt viele Drill-Sergeants und alle gehen sie laut brüllend durch die Stuben und schreien ihren Rekruten die hässlichsten Dinge auf Atemdistanz ins Angesicht. Sgt.Toomey ist ein wohl ein harter Ausbilder mit leicht psychotischen Zügen. Doch er passt nicht ins übliche Klischee.
Seine stärksten Momente hat Sgt.Toomey wenn er Epstein und Jerome, die er als besonders aufsässige Rekruten betrachtet, in seiner kalten Art ins Auge fasst und sie in ruhigem Ton zynisch durch die Mangel dreht. Nur selten wird er wirklich laut. Bei der Verhaftung des Rekruten Hennessey flackern gar kurz Mitgefühl und Menschlichkeit auf, und am Ende wird er das Camp verlassen weil er ins Veteranenheim geschickt wird. Wie Eugene Jerome rückblickend zu Sgt.Toomey feststellt, sollte man den Reiz der Verschrobenheit nie unterschätzen.
Eugene Jerome und seine Kameraden, die er in Biloxi mit all ihren Licht- und Schattenseiten kennenlernte, müssen nach ihrer Grundausbildung nicht in den Krieg. Bevor man sie in den Pazifik schicken kann kapituliert Japan und der Krieg ist aus. Der Film endet wie er begonnen hat in einem Eisenbahnwagen. Diesmal fährt der Zug von Biloxi weg und der weitere Lebensweg der Rekruten mit denen Jerome sein Zimmer teilte wird von ihm in einigen Worten skizziert. Biloxi Blues glänzt nicht mit Säbelgerassel und aufregenden Spezialeffekten. Biloxi Blues bietet Charakterstudien.