Vernunft kann tödlich sein

Was demnächst im Kino, Fernsehen & Theater läuft oder gerade gelaufen ist.

Vernunft kann tödlich sein

Beitragvon Lucky Jack am So 12 Jun, 2005 08:53

Vernunft kann tödlich sein

Es ist die Resistenz gegen die Abgeklärtheit des Erwachsenenalters, die Jean-Pierre Jeunet in nahezu all seinen Werken («Delicatessen», «La cité des enfants perdus», «Amélie») predigt und auch in seinem jüngsten Film wieder aufnimmt: Vieles spricht dafür, dass Mathildes (Audrey Tautou) Verlobter Manech (Gaspard Ulliel) wenige Meter vor einem Schützengraben verendete. Doch kindliche Hoffnung und kaum vorhandene Indizien lassen Mathilde an sein Überleben glauben. Wie in «Amélie» ist Audrey Tautou als überfranzösische Kindfrau im Einsatz, die mit Kleinmädchen-Attitude durch die böse, kriegsgeschändete Welt wandelt.

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Von ihrer idyllischen Heimat über den bretonischen Klippen, wo sie mit Tante und Onkel lebt, bricht Mathilde wiederholt nach Paris auf, um dank diversen Gehilfen (Detektive, eine Prostituierte auf Rachefeldzug, Kriegsüberlebende - Jodie Foster spielt eine davon) Details über die letzten Tage ihres verschollenen Geliebten herauszubekommen. Kinderlähmung hat sie mit einem lahmen Bein zurückgelassen, doch kein Gang ist ihr zu weit.

«Un long dimanche de fiançailles» widmet den grössten Teil seiner Zeit dem Grauen des Krieges und den emotionalen Verwüstungen, die er anrichtet. Jeunets Liebe zu (optischen) Details dient in die diesem Fall dazu, das Schlimmste zeigen. So wird die Off-Stimme, die berichtet, wie Manech den Verstand verliert und fortan in einer Art Delirium vor sich hinvegetiert, nachdem ein Kollege von einer Granate über ihm in Stücke zerrissen wurde, auch von entsprechenden Bildern untermalt.

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Doch selbst wenn Jeunet seinen unverkennbaren visuellen Stil einsetzt, wirkt seine Geschichte niemals beschönigend oder gar romantisierend. Seine Adaption des Meisterwerks des im Frühjahr 2003 verstorbenen französischen Autors und En-gros-Drehbuchlieferanten Sébastien Japrisot (unter anderem «L'été meurtrier» - verfilmt mit Isabelle Adjani) karikiert zwar seine Akteure, trägt aber gleichsam dem Kriegswahnsinn Rechnung: Es gelingt Jeunet, den Tonfall des Films zwischen Humor und Horror oszillieren zu lassen und gerade dadurch der Realität nahe zu sein - ein Wagnis von einer Präzision und Kraft, das sich nur mit dem französischen Wort «Esprit» würdig bezeichnen lässt.

Irritierend ist dabei einzig und allein die Amélie-ähnliche Skizzierung von Audrey Tautous Charakter. Weder Herz noch Verstand möchten diese beiden so unterschiedlichen Filme auf diese Weise in Verbindung gebracht sehen.

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Spezieller Film aber gewaltig in seiner Darstellung über das Grauen des Grabenkrieges des ersten Weltkrieges....

:-s Mfg L-Jack
Lucky Jack



Vernunft kann tödlich sein

Beitragvon Napoleon am So 12 Jun, 2005 11:41

Leider gibt es nicht so viele Filme über den 1. wie den 2. Weltkrieg, die die Schicksale der Menschen so offen legen wie bei diesem.

Aber das liegt aber auch an der Zeit und den Herstellern solcher Filme. Dieser Film kommt aus Europa, auf dem Kontinent wo sich die zwei grössten Kriege der Zeit abgespielt hatten. Er zeigt unverblümt was sich vor, hinter und zwischen den Linien abgespielt hat. (Das soll nicht heissen dass alle Filme aus Europa besser sind als diese aus den Staaten).

Ein Film wie "privat Ryan" oder die Serie "Band of Brothers" stammen aus der Probagandamaschine Hollywood. Filme ohne Helden gibt es da nicht, denn die US Army braucht junge Männer. Es wird politisiert wo es nur geht. Der amerikanische Soldat kämpft und stirbt für sein Land. Das ist eine Ehre und jeder ist stolz. Und jeder wird mit einer grossen Prise glische gesalzen und beerdigt.

Krieg ist eine schmutzige Sache, darüber ist nicht zu diskutieren, aber ihn in strahlenden Farben als Abenteuer darzustellen, darf nicht im Namen derer geschehen die daran teilgenommen haben und gefallen sind.
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Beitragvon Parabellum am Fr 11 Jan, 2008 10:01

Habe den Film vor kurzem gesehen - ich fand ihn sehr eindrücklich (kann ich den Kommentaren oben nur anschliessen)- aber doch im ersten Anlauf sehr verwirrend. Da ich die DVD habe, konnte ich ihn mir drei mal anschauen und musste mir zudem noch Notizen machen - aber ich glaube, dass ich jetzt die ganze verwickelte Geschichte verstanden habe. Die wenn man sie dann mal verstanden hat, genial konstruiert ist.

Eine Frage habe ich noch, vielleicht weiss jemand etwas darüber. Frankreich war (nach Italien) das Land, in denen am meisten eigene Soldaten exekutiert wurden, um die Disziplin aufrecht zu erhalten. Im Film wird dargestellt, dass französische Soldaten die sich selbst verstümmelten (wohl nicht generell - aber in Einzelfällen) statt exekutiert (was nachweislich üblich war) ins Niemandsland geschickt wurden. Zudem wird behauptet, dass Petain diese Praxis angeordnet habe. Petain hatte die Massenmeutereien 1917 (nach der Nivelle Offensive) mit harten Massnahmen niedergeschlagen aber generell war er dafür bekannt, dass er eher milde mit seinen Soldaten war und im Gegensatz zu anderen Generalen versuchte deren Leben (wenn möglich zu schonen). Das war auch einer der Gründe, warum er in Frankreich nach dem Krieg eigentlich der einzige wirklich populäre General war. Nach der Niederschlagung der Meutereien 1917 gab es denn auch nur noch ca. 50 Exekutionen, während es vorher 2400 Verurteilungen gab, von denen ca. 600 vollstreckt wurden.

Meine Frage deshalb: Ist es reine Fiktion, dass man Veruteilte unbewaffnet ins Niemandsland zwischen den Fronten schickte oder gibt es einen realen Hintergrund.
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Beitragvon dustoff am Fr 11 Jan, 2008 11:18

Habe den Film vor kurzem gesehen - ich fand ihn sehr eindrücklich (kann ich den Kommentaren oben nur anschliessen)- aber doch im ersten Anlauf sehr verwirrend. Da ich die DVD habe, konnte ich ihn mir drei mal anschauen und musste mir zudem noch Notizen machen - aber ich glaube, dass ich jetzt die ganze verwickelte Geschichte verstanden habe. Die wenn man sie dann mal verstanden hat, genial konstruiert ist.


Den Film habe ich schon länger zuhause und habe ihn schon ein paarmal gesehen. Ist immernoch spannend wie beim 1.Mal.

Ist in meinen Augen einer der Besten 'Kriegsfilme'! Eben keine Hollywood Produktion ....

Das 'Making of ....' ist auch interessant. Vorallem die Szenen in Paris (aufm Computer generiert) und auf dem Schlachtfeld. O:)
Gruss
Danielle


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Beitragvon panzerschreck am Fr 11 Jan, 2008 17:27

hab ich schon lange in meine Sammlung. Hat mit gut gefallen,besonders das Making of.
Leider werden Kriegsthemen fürs Publikum interessant ,nur als Liebesgeschichte verpackt.
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