von 14-18 am Fr 18 Jul, 2014 17:59
Das ist die Ruine eines "kurzen Seitengewehr 98" respektive eines "Ausgehbajonettes" der Reichswehr/ Wehrmacht aus den Dreissigern: Spitze abgebrochen und Klinge rund geschliffen.
Das Grundmodell wurde 1898 eingeführt bei den elitären Jägertruppen der kaiserlichen Armee zum Gewehr 98 als KS98: kurzes Seitengewehr 98. Es ist das letzte Seitengewehrmodell, welches die besondere Stellung der Jägertruppen innerhalb des preussisch/ kaiserlichen Heeres nach außen kennzeichnete (vergleiche: Seitengewehre M65, M71).
Zum Ausgehanzug durfte das Bajonett auch privat beschafft und getragen werden.
Privat beschaffte Stücke unterscheiden sich von den dienstlichen Kammerstücken dadurch, dass sie seitlich auf der Klinge ein Symbol des Herstellers tragen (zum Beispiel Ritterhelm, Eichhorn, hier: Waage) statt - bei den dienstlichen - nur den Namen der herstellenden Firma.
Zu den dienstlichen Kammerstücken gehört fast ausnahmslos auch die Stempelung des schmalen Klingenrückens wie folgt: Krone, darunter Herrscherchiffre (meist W für Preussens Wilhelm; selten L für den bayrischen Ludwig, noch seltener A für den August von Sachsen, nochmals seltener ein gotisches W für den schwäbischen Wilhelm), darunter Jahrgang der Abnahme, z. B. 99 = 1899; 16 = 1916. Bis etwa 1914/15 wurde auf dem Parierstück meist die Truppe gestempelt, bei der das Seitengewehr ausgegeben war, z. B. 9.J.3.14 = 9. Jägerbatallion, 3. Kompagnie, Waffe Nr. 14). Im Rahmen der Materialschlachten liess man das aber bald nach Kriegsausbruch.
Das KS98 wurde im 1.Wk sehr viel von Offizieren als privat beschaffte Seitenwaffe getragen, nachdem die sperrigen Degen im Grabenkrieg abgelegt werden mussten.
Für die Aera 1.Wk gilt: sowohl dienstlich oder privat beschafft: alle Teile aus Stahl, kein Zink. Frühe privat beschaffte Stück noch mit Nickel, später nur noch poliert. Masse und Fertigungsweisen sind bei Kammerstücken und privaten Seitengewehren gleich.
Da ein formschönes Bajonett, wurde das Modell auch zu Zeiten der Reichswehr und bei der frühen Wehrmacht noch oft als privat beschaffte Waffe verkauft; aber weiterhin nur im Ausgang. Dienstlich geführte Stücke dieses Seitengewehrmodelles gab es weder bei der RW noch bei der WH.
In dieser Zeit begann man, vom Grundmodell durch andere Masse abzuweichen: Klingenlänge kürzer + schmaler; Spitze anders gestaltet, andere Anordnung der Griffnieten; ebenso kam beim Griff jetzt das billigere Zink zum Einsatz (Problem heute: sich lösender Nickel und/oder metallischer Lochfraß im Zink). Es gibt Varianten, bei denen die Aufpflanzeinrichtung gleich ganz weg gelassen wurde: brauchte man im Ausgang ja auch nie. Für den Dienstgebrauch waren die privat beschafften Stücke zu keinem Anzug zugelassen!
Bei den Feuerwehren, damals Feuerlöschpolizei, wurde eine fast identische Seitenwaffe geführt. Griff und Klinge identisch, nur die Parierstange hatte auch oben am Klingenrücken einen nach vorn geschwungenen Fortsatz. Von der Seite betrachtet, sah die Parierstange somit s-förmig aus. Da ebenfalls nicht streng reglementiert, konnten sich auch hier die Hersteller austoben und man findet unterschiedliche Griffvarianten, Anzahl der Griffnieten, Anordnung der Griffnieten, Klingenformen lang + kurz mit unterschiedlicher Gestaltung der Spitze, ... eben auch nach Gusto der Einkäufer der lokalen Feuerwehren - der armen oder reichen Gemeinde.
Das bei einer bestimmten Jugendorganisation geführte Fahrtenmesser hat große Ähnlichkeit mit dem KS98. Aber: nochmals kürzere Klinge, diese auch mit einem blutrünstigen Spruch; im Griff ein dem Zeitgeist entsprechendes, rautenförmiges Symbol dieser Organisation eingelegt.
Revival nach Ende des 1000-jährigen Reiches: dieses Modell diente, jetzt mit dem im Griff eingelegten Liliensymbol der Pfadfinder, weiterhin der Erquickung der Jugend.
Da soll es heute böse Buben geben, die ganz geschäftstüchtig und gewinnorientiert die Liliensymbole gegen ältere Signetts austauschen ...
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"Es fürchtet die Deutsche Infanterie nur Gott - und die eigene Artillerie"