Letov S.231 1:72 von KP
Oh ja, ich hatte mich vom Modellbau abgewandt um der Figurenmalerei mein Herz zu schenken. Endlich hatte ich die schiefen Tragflächen von kleinen Fliegern und fisseligen Panzerketten von Dragon hinter mir. Fortan wollte ich uniformkundliche Dokumente studieren um Ärmelaufschläge und Fahnen korrekt zu bemalen.
Da stiess ich überraschend auf den Modellbaushop Aeberhardt auf dem ruhigen Bruderholz. Mein Filus hatte ihn entdeckt und ich musste seine Beobachtung sofort verifizieren. Das überraschende war, dass ich den Laden von einst kannte, als er noch an der Hammerstrasse 183 in Kleinbasel lag. Seit man aber eine Kevlarweste und eine geladene Magnum braucht um sich in dieser Ecke Basels zu bewegen ohne plötzlich blutend und beraubt im Strassengraben zu liegen, hatte ich dort nicht mehr reingeschaut. Die Gefahr Opfer kriminellen Broterwerbs zu werden ist nun an der noblen Bruderholzallee 53 hingegen eher bescheiden.
Aeberhardt Modellbau hatte schon früher ein breites Spektrum antiker Exoten in den Metallgestellen stehen. Die neue Besitzerin hatte das ganze Sortiment übernommen und so stand ich unerwartet wieder vor Bausätzen die ich früher schon neugierig beschnüffelt hatte. Mein Interesse galt den veralteten Modellen aus dem Ostblock. Wenn sie auch nicht dem aktuellen Standard an Passgenauigkeit und Detailtreue entsprechen, hat es etwas prickelndes so ein Teil aus dem Kalten Krieg in Händen zu halten. Da standen klobige dicke Kartonschachteln mit schlichter Grafik aus Polen, der Tschechoslowakei und gar "Made in USSR".
Und dann waren da noch Packungen in exotischem Format, flach aber gross, etwa wie eine Riesentafel Schokolade. Das Bild eines eleganten Doppeldeckers sprach mich an. Die Aufschrift führte aus, soweit ich Tschechisch konnte, dass das Flugzeug darin in 1:72 war und von der Firma Kovozávody Prostejov (kurz KP) hergestellt worden war. Ein nicht näher deutbarer Inspektorenstempel liess das Jahr 1986 erkennen. Ich hatte keine Ahnung was die Letov S.231 für eine Maschine war, aber da das antike Modell nur Franken 5.- kostete konnte ich nicht nein sagen. Der Reiz lag in der Herausforderung ein veraltetes Modell möglichst gut umzusetzen.
Historia
Da sass ich wieder an meinem Pult und schnitt Flugzeugteile aus. Ich hatte das Gefühl dass alle Resin- und Zinnfiguren in der Vitrine hinter mir mich mit zusammengekniffenen Augen anstarrten und fortwährend "Judas" und "Brutus" nach mir riefen. Der Bauplan war in Tschechisch, Englisch und Deutsch gehalten (die KP-Modelle sollen hinter dem Eisernen Vorhang in der DDR beliebt gewesen sein). Mit den historischen Informationen im Bauplan und dem Internet fand ich mehr über die Letov S.231 heraus. Sie wurde 1933/34 als einsitziges Jagdflugzeug für die Tschechoslowakische Luftwaffe von der Firma Letov entwickelt.
1936 wurde die Letov S.231 von den Tschechoslowakischen Streitkräften übernommen und dem 2. Fliegerregiment in Ölmütz zugeteilt. Ausgestattet mit einem in Lizenz hergestellten Bristol Mercury V-32 Sternmotor, einer Bewaffnung von 4 Strakonice Maschinengewehren Kaliber 7,92 (zwei synchronisierte im Vorderrumpf und zwei in den unteren Tragflächen) und Schlössern für sechs kleine Pantof-Bomben, diente die Maschine aber nicht sehr lange bei der Truppe. Sie galt als schwerfällig weshalb sie bereits 1936/37 an die Luftwaffe der Republik Spanien für den Kampf gegen Francos faschistische Rebellen verkauft wurde.
Im spanischen Brügerkrieg fand dann auch der einzige Kampfeinsatz der Letov S.231 statt. Unglücklicherweise waren die Maschinen ohne Bauanleitung und Bedienungshandbuch in Bilbao angelangt, so dass man in Spanien einfach eilig montierte und das Fliegen mit ihnen "learnig by doing" lernte. Dies mag der Grund dafür gewesen sein, dass ein grosser Teil der gelieferten Maschinen gleich einmal bei Startunfällen zu Bruch gingen. Überlebende Letov S.231 bildeten die 71. Fliegergruppe von Hauptmann José Bastida.
Mit dem kleinen Modell kam auch ein anderer Reiz hinzu. Diese Modelle aus dem Ostblock, die sich mit osteuropäischen Streitkräften befassten, sind im Westen rar gewesen weil sich hier wohl auch aus politischen Gründen kaum jemand dafür interessierte. Hier war der Markt mit Amiflugzeugen und anderen westlichen Modellen geschwängert. Wer wollte schon ein wenig erfolgreiches Modellflugzeug einer exotischen Luftwaffe, wo die Maschine nach einem Jahr wieder ausgestaubt wurde? Hier stach mich ebenfalls der Hafer - Ich hatte immer ein Faible für Underdogs.
Baubericht
Nachdem die robuste Platiktüte offen war, legte ich alle Teile vor mir aus und erkannte dass hier einiges an Gräten wegzuschleifen ist. Wider erwarten war die Montage relativ leicht und sauber. Nur mit den oberen Tragflächen hatte ich zu kämpfen bis die richtig sassen. Wo Spalten klafften wurden sie mit Plastic Putty verschlossen und danach abgeschliffen. Aber ich wollte mich nicht mit einfachem Zusammenleimen zufriedengeben. Das Teil musste noch veredelt werden, soweit meine bescheidenen Modellbaukünste dies erlaubten. Eine Bespannung musste her.
Im Internet fand ich Bilder welche die Bespannung im Detail zeigen, und die Illustration auf der Schachtel war auch hilfreich. Ich wusste aus Erfahrung dass Textilfäden wenig taugten wenn sie beim Bemalen und Besprühen ausfransten und ausleierten. Also machte ich Plastikfäden selbst. Dabei war der Rahmenplastik des Bausatzes nützlich. Der Ostblockplastik liess sich beim heissmachen mit dem Feuerzeug prächtig zu dünnen Fäden ziehen. Damit zog ich die Bespannung zwischen den Tragflächen und dem Fahrwerk.
Für die Bemalung griff ich zu Model Color Acrylfarben von Vallejo, die sich beim Figurenmalen bewährt hatten. Der Doppeldecker war so klein, dass die Flächen sich problemlos bepinseln liessen. Auf Rumpf, Tragflächen und den Rädern malte ich Lichter (helle Stellen) auf, wie ich es bei den Zinnfiguren tat - nur um zu sehen wie sich das machte. Ich war zufrieden. Für den regelmässigen Rand zwischen Khakigrün und Graublau verwendete ich Tamyia Masking Tape. Es haftet gut, sorgt für scharfe Trennung, aber lässt sich auch leicht wieder abziehen. Ich nutzte es auch für die Metallstreifen am Motorring.
Haarig wurde es mit den Abziehbildern, den Decals. Sie waren nach 24 Jahren vergilbt und hatten einen Gelbstich bekommen. Ich wollte sie nicht direkt aufbringen sondern schnitt die Ränder um die Hoheitsabzeichen mit einer feinen Nagelschere ab. Was dann wegen Differenzen im Farbdruck bei den wasserlöslichen Decals noch als farbige Schatten hervorstach, wurde nach dem Auftragen einfach mit der Hintergrundfarbe übermalt. Ich hatte die Wahl zwischen der Tschechoslowakischen und der Spanischen Version, und entschied mich für erstere vom 2. Fliegerregiment in Ölmütz. Natürlich glänzten die Decals wie eine Schweineschwarte.
Aber nach Abschluss der viertägigen Bemalung sprühte ich einige zarte Schichten von Top Coat Matt von Mr.Hobby (das beste Mattspray das ich kenne) über die kleine Maschine und die Hoheitszeichen wurden diskret matt. Erst dann kam die Windschutzscheibe dran. Wäre die vorher montiert worden, hätte sich nach dem Mattsprayen ausgesehen wie zugefrostet an einem Wintermorgen. Also Scheiben erst am Ende montieren oder beim Sprayen abdecken. Ich hockte eine Woche lang so intensiv an der Maschine, dass meine Frau schalkhaft rumtönte dass ich sie mit einer kleinen Tschechin betrüge.
Schliesslich wurde das Flugzeugchen gestern fertig und irgendwie sieht es aus wie einer der Doppeldecker die King Kong auf seinem Wolkenkratzer ärgerten.
Aus derselben Bastelküche:
4th Kings Own, 28mm Victrix
Sergeant 3rd Battalion the Royals Scots, 90mm Elisena
Sergeant Bernard McCabe, 54mm Sparta
Oberst Nils Nilsson Brahe, 54mm Airfix
Gardist 2nd Foot Guards, 85mm Charles C.Stadden