Aus dem ganzen Gebiet des Heiligen Römischen Reiches hatten Geistliche im 15. Jahrhundert sogenannte Suppliken, Bittgesuche, an den Papst gesandt, um auf diese Weise die Absolution von Strafen zu erlangen, die ihnen von niederen kirchlichen Gerichten wegen eines Verstosses auferlegt worden waren. Meist handelte es sich um die Mitwirkung bei einer Tötung oder Verletzung, dem Aufsetzen eines Schreibens, das zu einer Hinrichtung führte oder anderer Delikte. Wer als Kleriker sich einer solchen Tat schuldig oder mitschuldig gemacht hatte, konnte weder sein Amt weiter ausüben, noch geweiht werden.
In diesen Rechtfertigungen wurden mit Hilfe von Juristen Umstände und Tat möglichst genau aufgeschrieben, um eine bessere Chance auf eine Absolution zu bekommen. Dies ermöglicht nun einen Einblick in die Alltagswelt der Klöster, Dörfer und Städte und die spätmittelalterliche Gesellschaft. Wie kleine Miniaturen reiht der Mediävist Arnold Esch Episode an Episode, spannend, eindrücklich und unterhaltsam zu lesen. Da geraten beispielsweise zwei Pilger, die 1450 die Stadt Rom besuchen derart in Streit, wo sich jetzt das Grab der heiligen Margarete befinde, dass der eine den Dolch zückt und den andern ersticht. Tödlich endet auch ein Streit im Wirtshaus, wo ein Kaplan und ein Laie sich nicht einig sind, wer die Zeche bezahlen muss...die zuweilen gewundenen Erklärungsversuche, die daraufhin verfasst werden mussten, sind oft ebenso grotesk wie ihre Ursachen.
Arnold Esch: Wahre Geschichten aus dem Mittelalter. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst.
C.H.Beck, München 2010. 222 Seiten, 39.90 Fr.