Ich war ein paar Tage in Berlin und nutzte den Aufenthalt zu einigen Gesprächen mit der dortigen älteren Generation. Erstaunlich war bezüglich "Im Westen nichts Neues" die Erkenntnis, dass braune Propoganda auch auf dieser Ebene bis ins 21.Jahrhundert hinein nachwirkt. Man erklärte mir nämlich dass Erich Maria Remarque gar nie an der Front gewesen sei. Der habe seinen Roman nur mit Rumfragen bei alten Kämpfern zusammengeschustert und sei in Wirklichkeit bei einem Armierungsbataillon gewesen.
Der 1898 als Erich Paul Remark geborene Schriftsteller war zwar nicht von Anfang an dabei, denn er wurde erst im November 1916 eingezogen und begann seine Zeit in Feldgrau beim Rekrutendepot des I.Ersatzbataillons 78. Im Juli 1917 kam er an die Westfront (2.Kompanie, Feld-Rekruten-Depot, 2.Garde-Reserve-Division). Die Versetzung zur Feldeinheit führte ihn zur 2.Kompanie der Reserve-Infanterie-Regiments 15.
Keine zwei Wochen nachdem er an die Front kam verwundeten ihn am 31.Juli 1917 Granatsplitter an einem Arm und einem Bein und er erleidet einen Halsschuss. Sein guter Freund Christian Kranzbühler wurde kurz zuvor ebenfalls verwundet und verlor dabei ein Bein, wobei Remarque ihn aus der Gefahrenzone schleppte. Nach seiner Genesung arbeitete Remarque in einem Feldlazarett. Den Krieg beendete er als Soldat im I.Ersatzbataillon des Infanterie Regiments 78.
Zugegeben er war nicht lange an der Front, aber der neu erstarkende Nazionalismus wollte dem Schriftsteller und seinem Erfolgsroman jede Glaubwürdigkeit nehmen und den Autor partout als Lügner in jeglicher Hinsicht hinstellen. So wurde das Gerücht verbreitet dass sein richtiger Name "Kramer" sei und er ihn einfach umgedreht habe. Dieser Karmer habe auch gar nie an der Front gedient, und hier kommt nun die Legende ins Spiel der ich vor einigen Tagen als putzmunteres Latrinengerücht begegnete.
Kaum war der Roman publiziert worden, sahen gewisse Kreise damit das Ansehen des deutschen Frontsoldaten geschmäht und beeilten sich herumzuposaunen dass Remarque gar nicht wusste wovon er schrieb. Bald tauchten angebliche Kriegskameraden auf, die behaupteten den Schriftsteller als Armierungssoldat im Armierungsbataillon 35 kennengelernt zu haben, wo er weit hinter der Front gemauert und betoniert habe, fern von Kugeln und Granaten. Es erinnert an die dubiosen "Swift Boat Veterans for Truth" aus deren Riehen im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf plötzlich "Zeitzeugen" auftauchten um zu verbreiten dass Kandidat John Kerry gar kein Vietnam-Kriegsheld sei.
Remarque hatte sich in der Zeit zwischen 1916 und 1919 offenbar wirklich einige Husarenstückchen geleistet, so etwa das schalkhafte herumgeistern in Offiziersuniform. Aber es ist auch gewiss dass er den Horror des Krieges an der Front und im Lazarett kennengelernt hatte. Dass es heute noch Leute gibt, die ihm mit abgestandener Propoganda von 1929 jede Kompetenz absprechen befremdet mich doch ein wenig, hatte man doch seither genug Zeit sich genauer zu informieren.
Link:
http://www.remarque.uos.de/intern.htm