Kettenhemd der päpstlichen Schweizer Garde

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

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Kettenhemd der päpstlichen Schweizer Garde

Beitragvon venator am Fr 28 Jul, 2006 14:48

Das Kettenhemd der Schweizergarde, meines Wissens nur von Offizieren getragen(?), ist ja im Prinzip immer noch das gleiche Modell wie um 1506. Ich tu' mich enorm schwer, darüber Bilder im Internet zu finden, war schon mal jemand von euch in der Waffenkammer des Vatikan und hat diverse Stücke fotografiert? Ich wäre äusserst dankbar über Bilder. Ich weiss nur, dass sie, der Epoche entsprechend, bis zur Hüfte kommen, manche Messing/Kupferecken am unteren Rand haben, so auch bei der letzten Gardevereidigung gesehen (Mensch, da starrt man stundenlang auf den Bildschirm und erblickt plötzlich so einen Kettenfitzel, stellt euch das Glücksgefühl vor :D ). Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Hemden uniform sind, das wäre ein Ausnahmefall. Wäre froh über jederlei Informationen von damals über dieses Rüstungsstück.
venator



Beitragvon Hagelhans am Fr 28 Jul, 2006 15:40

Bist Du sicher, dass es sich um komplette Kettenhemden handelt und nicht nur um Teilstücke an den duch Platten ungeschützten Stellen?

Die garde trägt übrigens fast auschliesslich historische Originalrüstungen.
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Beitragvon venator am Fr 28 Jul, 2006 18:22

Hagelhans hat geschrieben:Bist Du sicher, dass es sich um komplette Kettenhemden handelt und nicht nur um Teilstücke an den duch Platten ungeschützten Stellen?

So etwas wie Kettenschutz für die ungeschützten Stellen gab es gar nie. Das findest du höchstens bei Prunkrüstungen, des Gewichtes halber, aber solche Rüstungen sind sowieso Bullshit. Sei dir unbedingt bewusst, dass die Kettenrüstung die primäre Rüstung ist, und die Plattenrüstung, in ihrer in diesem Sinne kompletten Form, ab 1420 Einzug hielt, aber nur Verstärkung der Kettenrüstung war. Die Kettenrüstung wurde mit der Zeit(Später als vielen vielleicht bewusst ist) teilweise abgelegt, beispielsweise die Beinteile, seit dem Auftauchen der Landsknechte. Die einzelnen Teile blieben aber immer ganz, es gab einen Torso-Arm-(und Kopf-)Teil, Beinteile. Kleine Teile zum Schutze der Achseln, Genitalregion, Sonstigem sind eindeutig die absolute Ausnahme, wenn sie überhaupt vorkamen (Ich kenne keinerlei Quellen!).
Es handelt sich definitiv um komplette Kettenhemden, hüftlang, Armlänge ist mir unbekannt, wohl damals entweder langärmlig für Kavalerie und kurzärmlig bei Infanterie, Nahkampf sowie Fernkampf. Leider kann ich wegen dem kritischen Datum von 1506 überhaupt nicht sagen, wie die Hemden gefertigt wurden, damals war alles in Gebrauch. Darum mein Interesse.

Hagelhans hat geschrieben:Die garde trägt übrigens fast auschliesslich historische Originalrüstungen.

Ja, aber ich komme bei den Kettenrüstungen ins Zweifeln, die halten kaum zweihundert Jahre Dauergebrauch aus(Abnutzung der Ringe!), darum tippe ich schon darauf, dass es Replikationen ist. Trotzdem, sie sind historisch korrekt, darum mein Interesse. Von den Plattenrüstungsteilen, speziell Torsoteilen weiss ich, dass sie keine Originale sind, denn sie wurden im Laufe der Zeit am stärksten belastet. Mein Bruder war letzthin in der Waffenkammer, und ein Schmied hat gerade so einen Harnisch repariert; Ein Spinner hat eine Garde mit einer Schrotflinte angegriffen, der Harnisch hielt den Schuss. Aber die Rüstungen leiden trotzdem enorm, und es sind und bleiben leider Verbrauchsgegenstände.
Sonst aber, Aktivwaffen, zum Teil Bekleidung, alles Originale. Herrlich. Ich würde mich sehr über Fotos freuen, sofern vorhanden!
venator



Beitragvon Hagelhans am Fr 28 Jul, 2006 19:18

http://www.chronique.com/Library/MedHis ... ivalry.htm

Das hastings manuscript Betrift keineswegs nur Prunkrüstungen sondern die Norm im 15. Jh.

Wiso sollen Prunkrüstungen Bullshit sein? Nehmen wir mal die berümten Rüstungen von Maximilian I. oder die der Herzöge von Matsch. Dass sind vollfunktionsfähige Waffensysteme die sich von herkömlichen Rüstungen nur durch die gehobenere Qualität des materials, der Verarbeitung und der Verzierungen unterscheiden.
Ein geplatnerter Hatrnisch verstärkt nicht ein Kettenhemd sondern übertrift dessen Schutzfakor bei weitem.
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Beitragvon venator am Fr 28 Jul, 2006 22:07

Entschuldige mich, ich hätte meine Worte anders wählen sollen; Mit Prunkrüstungen meinte ich die Rüstungen, die noch bis ins 18. Jahrhundert gefertigt wurden, zur reinen Belustigung des Adels, in denen sie umherstolzierten, welche aber keinerlei Schutzwirkung hatten, und eben an manchen Orten Kettenapplikationen, daher kam ich darauf, weil ich diese nur von dort kenne. Daher Bullshit, aber ich bin hier recht abschätzig, nun ja. Entschuldige. Ich meinte nicht die Paraderüstungen Maximilians, diese sind Meisterwerke Handwerkskunst.

Trotzdem: Meinen Quellen nach sind solche Kettenapplikationen in Gesamtwesteuropäischer Sicht nicht verbreitet gewesen. Ohne Zweifel überstieg die Schutzwirkung der Platten die der Kettenrüstungen, ohne Frage. Das Kettenhemd als Unterrüstung blieb trotzdem lange noch in Gebrauch, erst 1570 kann als eindeutiges Stichdatum für das Ablegen des Kettenhemdes genommen werden.
Dennoch, der Druck der Wandlung seitens der Landsknechte war immens. Anfangs des 16. Jahrhunderts entledigte man sich so gut wie möglich vom Kettenzeug, das Beinzeug fiel oftmals schon weg. Wer konnte, behielt aber das Kettenhemd, und das waren ohne Frage nicht Wenige, besonders nicht in der damals über den Verhältnissen gerüsteten Kavalerie.
Wie immer gilt aber auch hier: Es gab zu keiner Zeit nur eine einzige Ausrüstung ;)
So meine Quellen. Danke für den Link, ich werde das alles noch durchlesen, scheint seriös.

LG venator
venator



Beitragvon Seegras am Sa 29 Jul, 2006 10:12

Sorry, du erzählst hier recht bogus.

Klar wurden noch im 17Jh. Kettenhemden gefertigt, aber seit Ende 14Jh war das nicht mehr die Hauptrüstung die durch Platten verstärkt wurde, sondern wurde separat getragen. Mit dem kommen des kompletten Armzeugs erübrigt es sich.

Und nein, spätestens ab 1420 ist das Kettenhemd nicht mehr die primäre Rüstung welche durch Platten verstärkt wird. Das war es noch um 1370 herum, aber um 1400 ist der Plattenharnisch grundsätzlich komplett.

Der Komplette Harnisch besteht spätestens seit 1450 aus Plattenbrust, Rücken, Helm, Bart, Armzeug, Handschuhe und Beinzeug. Darunter kommt das Doublet Armure (oder arming Doublet), welches tatsächlich unter den Armen Kettenzeug angenäht haben kann, und schliesslich das Kettenröckchen.

Sowas:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... 000557.jpg
Und das ist eine Kampfrüstung, schätzungsweise eines Adeligen, um vielleicht 1480/1490.

Klar trägt auch noch im 15en vielleicht ein Knecht ein Kettenhemd unter Brustplatte, aber nicht wegen der Schutzwirkung auf dem Torso, sondern damit seine Arme geschützt sind. Sobald Armzeug dazu kommt ist fertig mit Kettenhemd.

Apropos Arming Doublet, so sehen die Dinger aus:
http://www.historicenterprises.com/misc ... ve-dom.jpg
diese ohne Kettenverstärkungen, aber der eine mit Röckchen (das ist separat)
So zieht man sich an:
http://www.paladin-online.com/thekeep/A ... ngpage.htm
Die Kettenhaube passt aber hinten und vorne nicht zur Rüstung, und die Rüstung ist auch eher zweifelhaft.

Und hier ein Original aus dem 16en:
http://www.bayrose.org/wkneedle/Article ... arming.jpg

Was Prunkrüstungen aus dem 18Jh betrifft, die sind durchaus nicht schlecht und schützen auch ganz gut, nur wird das Zeug durch die dynamische Kriegführung da einfach obsolet. Zu teuer, zu schwer. Wie gut die gegen Musketen schützen weis ich nicht, aber die halten Pistolenschüsse locker ab. Und nebenbei haben die sehr moderne Geschübe und werden ganz ohne Kettenapplikationen unter den Armen getragen. Die richtig schlechten Rüstungen kommen aus dem 19Jh, Historismus, und dem 20Jh, Mittelaltermarkt/LARP-Szene.
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Beitragvon Hagelhans am Sa 29 Jul, 2006 10:37

Um nicht das ganze Manuskript durchwülen zu müssen:

http://www.chronique.com/Library/Armour/Armyd.htm

Das entscheidende Bild.





èbrigens, Seegras, das Doublet von Black Swan habe ich. Mit den entsprechenen Kettenteilen.
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Beitragvon venator am Sa 29 Jul, 2006 22:42

Danke Seegras, das war mir absolut eine Bildungslücke (Halte besser die Klappe ;) ). Habe mich nie richtig mit Spätmittelalter/Renaissance auseinandergesetzt, und nur Standartwerke gelesen, solche Teilrüstungen, die durchaus Sinn geben, kamen komischerweise nie drin vor, und es wurden tatsächlich nur Komplettkomponenten von Kettenrüstungen erwähnt. Waren diese ein gesamteuropäisches Phänomen?

Was Prunkrüstungen aus dem 18Jh betrifft, die sind durchaus nicht schlecht und schützen auch ganz gut, nur wird das Zeug durch die dynamische Kriegführung da einfach obsolet. Zu teuer, zu schwer. Wie gut die gegen Musketen schützen weis ich nicht, aber die halten Pistolenschüsse locker ab.

In Anbetracht der Tatsache, dass Hochrangige (Ab den halbmodernen stehenden Heeren, meine ich) nie beschossen wurden, war die Schutzwirkung nonsens und unwichtig, es ging hier ganz alleine um Prestige und Machtdemonstration. Und solche Prunkrüstungen wurden auf dem Schlachtfeld auch quasi nie getragen, vielmehr zu Vorzeigezwecken gebraucht, für Porträts, etc.. Sie waren nur noch Statussymbol und hatten quasi keine Schutzwirkung, waren übrigens enorm leicht und von leichter Qualität, das Tragen musste dem Adel ja genehm sein.

Die richtig schlechten Rüstungen kommen aus dem 19Jh, Historismus, und dem 20Jh, Mittelaltermarkt/LARP-Szene.

Wie wahr, wie wahr. Besonders zweiteres.
Was die Schweizer Rüstungen angeht, jetzt interessiert es mich erst recht, ob jemand ihre genaue Ausführung kennt!

LG venator
venator



Beitragvon schlumpf am Di 08 Aug, 2006 14:20

Salü venator

Komm doch ans Römerfest in Augst vorbei. Wir haben einer in unserer Gruppe wo bei der Schweizer-Garde dienst geleistet hat. Er kann dir sicher aus dem Nähkästchen plaudern.
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