Blutsegen 12. Jh

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

Moderator: troupier suisse

Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Murky am Mo 11 Jun, 2012 20:19

Hallo miteinander

Anbei ein paar Blutsegen und Wundsprüche für unsere neue "Alternativmedizin" im Hospital, die Beschwörungen. Ich dachte ich stelle die hier auch mal rein, um etwas den Waffen-Überhang zu kompensieren. ;-)
Unser Oberarzt Lukas beschreibt es so:
"In der Forschung spricht man nicht von Zauberei, sondern von Beschwörungen und Segen. Diese Beschwörungsprüche basieren immer auf einem heilsgeschichtlichen Gedanken und sind an Geschichten aus der Bibel angeknüpft. Diese Geschichten sind meistens in den Beschwörungssprüchen enthalten. Als diese Art von "Zauberei" ist also im christlichen Kontext durchaus erlaubt und hat nichts mit Hexerei zu tun. Diese Beschwörungssprüche sollen bei Krankheiten helfen. Es gibt beispielsweise Wundbeschwörungen, die bewirken sollen, dass die Wunde nicht eitert, nicht nässt und der Blutverlust nicht zu hoch ist. Es gibt weiter Blutstillbeschwörungen, die dazu dienen sollen, dass der Patient nicht zu viel Blutverlust hat. Es gibt zudem noch Wurmsprüche, die helfen sollen, dass die Würmer, die der Mensch in sich hat, heraus gehen. Es gibt Sprüche gegen Epilepsie, für die Geburt und Augenleiden."
Wir haben die Beschwörungen in Wellenberg ausprobiert, und sie haben gewirkt ;-)

Die Beschwörungen habe ich auf Pergament geschrieben, die kleinen Stücke sind kurze Formeln zum einbinden in den Verband oder "auflösen" in Öl oder Wein, die Längere Beschwörung ist zum aufsagen und ebenfalls verabreichen. Die längere habe ich auf ein Pergamentstück mit anderen Schreibtests geschrieben, Pergament war auch damals teuer, da wurde gespart.
Das Bild ist frei interpretiert von der "Passionale, pars aestivalis - Cod.bibl.fol.56 Zwiefalten, D" von 1130. Und Medizinischen Büchern aus dem 12. Jh. Die Schriftstile (alles Karolingische Minuskel) stammen alle auch aus Beispielen um 1180.

Beschreibstoff: Ziegenpergament
Tinte: Gouache (rot) und Eisengallustinte
Schreibfedern: Gänsekiele in verschiedener dicke

Man merkt übrigens dass ich hier das Pergament nicht überall sauber vorbereitet habe, dort wo die Tinte verlaufen ist. Ich reibe immer ein im Mörser zerstäubtes Gemisch aus Sandarak und Eierschale ein, so wird die Oberfläche schön glatt und die Tinte hält besser.

Grüessli, Daniel


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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon troupier suisse am Di 12 Jun, 2012 06:03

Ich dachte ich stelle die hier auch mal rein, um etwas den Waffen-Überhang zu kompensieren.


Die Feder ist stärker als das Schwert.

Kalligraphie ist ein interessantes Feld; besonders wenn sie sich auf historischem Terrain bewegt. Die Illustration im hochmittelalterlichen Stil ist auch schön gelungen. Deine Schreiberarbeit gehört für mich zu den ganz edlen Disziplinen die man in der lebendigen Geschichte anstreben kann. Gerade in Zeiten wo Internet SMS dem allgemeinen Schreibstil schlimmeres angetan haben als die letzte Rechtschreibereform (die ich nebenbei für den Triumphzug des grössenwahnsinnig gewordenen Mittelmasses halte), ist das Schreiben mit der Feder auf Pergament vor Publikum etwas vom pädagogisch wertvollsten. Mach weiter so.
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Murky am Di 12 Jun, 2012 10:49

Danke Troupier. Ich werde mich auch weiterhin dahinterklemmen, eigentlich ist das gar nicht so eine grosse Sache :-)
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Maja am Di 12 Jun, 2012 16:03

Sehr schön, man meint, ein Original zu betrachten!
Das Besprechen von Wunden und das "Gesundbeten" wurde im Mittelalter von der Kirche sogar gefördert, zu dieser "Weissen Magie" gehörten ja auch die vielen Amulette, das ganze Reliquienwesen, bestimmte Gebete usw. Wer jetzt aber etwas abschätzig die Nase rümpft, darf nicht vergessen, dass der Glaube (an was auch immer) zwar nicht alles, aber doch mitunter die erstaunlichsten Dinge bewirken kann.
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Frumfrondel am Di 12 Jun, 2012 18:42

Auch mir gefallen deine Schriften auserordentlich.

Helfen die Sprüche auch bei der Sommergrippe?
Wenn ja, könnte man damit viel Geld verdienen.

Spass beiseite:

Mir kommen dabei die Merseburger Zaubersprüche in den Sinn. Können "deine" Sprüche als "christliche" Nachfolgeversion angesehen werden. Gibt es da eine Zusammenhang?

Gruss Peter
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Maja am Di 12 Jun, 2012 19:48

Naja - probieren könnte man's ja - nützt's nichts, so schadt's nicht! Und gesünder als Aspirin ist es wahrscheinlich auch.
Die Merseburger Zaubersprüche beziehen sich ja hauptsächlich auf Tiere (Bienen, Pferde und dergleichen) und stehen sehr wahrscheinlich noch in viel älterer und damit vorchristlicher Tradition. Man kann nicht mehr sagen, an welche Instanz sie sich wandten, aber bekannte Heilige wurden hiermit sicher nicht angerufen. Die Übergänge sind ja auch fliessend und viele vorchristliche Vorstellungen haben lange, bis fast in unsere Zeit überlebt. In diesem Sinn kann man die Merseburger Zaubersprüche schon als Vorläufer bezeichnen. Im Mittelalter kannte man viele Zauberpraktiken, um Schutz, Hilfe oder Trost zu erflehen, die tatsächlichen Hilfsmöglichkeiten bei Krankheiten waren ja auch sehr beschränkt.
Sehr wahrscheinlich waren dabei Sprüche aus längst vergangenen - eben heidnischen - Zeiten schon noch in Gebrauch, aber von der kirchlichen Obrigkeit mit gewissem Argwohn betrachtet worden. Schon der Name "Zaubersprüche" hat ja etwas Anrüchiges für die Kirche: wenn schon müsste es Segens- oder Heilssprüche oder so etwas heissen oder sie müssten sich an einen bestimmten Heiligen richten, der für dieses spezifische Problem zuständig war.
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Tech am Di 12 Jun, 2012 20:50

Aus meiner Kindheit ist mir aus eine Sage in Erinnerung geblieben, welche sich im oberen Tösstal zugetragen haben soll:

Nachdem ein fremdartiger Vogel durch seltsames Geschrei: "Pest, Pest, Pest!" verkündet hat, waren schon am gleichen Tage die ersten Opfer der fürchterliche Krankheit im Ort zu beklagen, welche rasch um sich gegriffen habe. Bald darauf sei der Vogel wieder zurückgekehrt und habe froh verlauten lassen: "Binz und Bänz und Baldrio, hänks um die Hals, dänn chunsch devo!". Mit den gesammelten Kräuter (Binse, Benediktenkraut und Baldrian) seien die Einwohner, welche sie um den Hals trugen, stets vor der Pest verschont geblieben.

Vielleicht nicht ein Segen im eigentlichen Sinne, doch zumindest ein medizinischer Ansatz aus grauer Vorzeit überlasse ich Dir zur Komplettierung deines heilerischen Reenactments gerne.

"Ein fundamentaler Grundsatz für die kleinen Armeen besteht darin, immer in Massen zu handeln; durch seine Anwendung allein können sie einige bedeutende Unternehmen vollbringen, indem sie darauf verzichten, alles zu decken und nur das Hauptziel anpeilen." (Jomini, 1779-1869)
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Re: Blutsegen 12. Jh

Beitragvon Murky am Di 12 Jun, 2012 20:55

Schöner Spruch! Vielen Dank Tech. Danke auch Maja für die weiterführenden Worte. Ich war in diesem Fall tatsächlich nur der Schreiberling, die Recherche hat unser Arzt Lukas gemacht. Wir sprechen in diesem Fall ja auch von Beschwörungen oder Segen, um nicht mit der Zauberei in Konflikt zu geraten. ;-)
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