"A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

Moderator: troupier suisse

"A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Michi am Di 18 Jan, 2011 17:13

Salü mitenand!

Da lebendige Geschichte Neuland ist für mich, ich mich aber fleissig informiere, nimmt es mich wunder wie
Ihr über folgendes denkt:


Überall wird über "a" - Darstellungen geschrieben, also schriftlich oder bildlich belegbare Kleider, Waffen, etc. die quasi nur authentisch sind wenn sie nach Funden rekonstruiert oder mit genauen Quellen- und Datumangabe belegbar sind.

Dann gibt es die liberaleren Darsteller die sagen, dass Autentizität nie erreicht werden kann - aber historisch korrekt sei auch noch akzeptabel (z.B. der Helm ist aus zwei Teilen gefügt und nicht aus einem Blech getrieben - oder die Hosen sind aus Wolltuch, handgenäht, auch die Bindung stimmt, allerdings halt industriell gewebt... und ja, die Schafrasse ist halt vor 300 Jahren ausgestorben...).

Was sagt Ihr zu (ich sag jetzt mal) gesundem Menschenverstand - man recherchiert seriös und entwickelt z.B. ein Gewand, das nach all den studierten Kupferstichen, Holzschnitten, Zeichnungen, Museumsbeispielen, Farbstudien, etc. absolut hätte in der ensprechenden Epoche getragen werden können, aber so nicht 100%ig belegt ist. Anschliessend stellt man die nötigen Stoffe (natürlich, Bindung korrekt, naturgefärbt) und Garne zusammen und näht von Hand unter fachkundiger Aufsicht mit den "richtigen" Nähten ein Gewand. Ist eine mit "gesundem Menschenverstand" erstellte Darstellung (wie sie hätte existieren können - es sind ja meistens nur Einzelfälle belegt) eurer Meinung nicht "a" oder historisch korrekt oder sind Reenactoren mit "a"-Anspruch effektiv Kopierer von Einzelbeispielen?

Es tut mir leid, wenn das etwas greenhornmässig rüberkommt, aber es nimmt mich wirklich wunder was Ihr darüber denkt. Was meinen Fall betrifft, so möchte ich schon etwas machen wie es wirklich hätte sein können und kein Guggengwändli. Vielen Dank für Eure ehrliche Meinung und Eure fachkundigen Inputs.

lieber Gruss,
Michi
Willtu glück und wolfeile han, so must von diner bosheit lan.
Bit gott das Er dir das ferzych, so wirstu glück han Ewiglich.
Min lieber junger, das pitten Ich dich.
Benutzeravatar
Michi
Rekrut


Beiträge: 43
Registriert: Mo 19 Jul, 2010 18:56

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Hagelhans am Di 18 Jan, 2011 17:35

Da gibt es wohl keine allgemein gültige Antwort. das ist sehr philosophisch und psychologisch!

Es muss wohl jeder seine eigenen Ansprüche definieren können und seine Grenzen kennen.
Ich selbst musste mich unlängst aus der erlauchten "A" Gruppierung entfernen da ich las dass Brillenträger den gewachsenen Ansprüchen an vielen Veranstaltungen nicht mehr genügten. Eine Brille in einem vertretbaren hist. Kontext zu tragen übersteigt entweder meine finanziellen Möglichkeiten bei weitem oder sprengt mein darstellerisches Können.
Damit muss ich mich abfinden.

Wenn jemand findet er müsse Baumwollhosen tragen weil Wolle zu sehr juckt, dann soll er dies. dass er dann nicht überal gerne gesehen ist, muss er halt in Kauf nehen und dazu stehen, dass der Stoff seiner Hose falsch ist.
"Wir sind alle Anerkennungsjunkies - Affen in Anzügen, die um Applaus betteln." -Jake Green.
Benutzeravatar
Hagelhans
Moderator


Beiträge: 4684
Registriert: Sa 10 Sep, 2005 13:56
Wohnort: Niederhasli Schweizerische Eidgenossenschaft

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon troupier suisse am Di 18 Jan, 2011 18:26

Ich denke, dass ein wichtiger Maßstab "nach bestem Wissen und Gewissen" ist. Niemandem der ernsthaft bemüht ist die nach seinen Möglichkeiten beste Impression zu bieten sollte man einen Vorwurf machen. Ich denke dass alle Darstellerinnen und Darsteller der lebendigen Geschichte schon Zeiten hinter sich haben, auf die sie mitleidig zurückblicken. Solange man gewillt ist zu lernen und an der Darstellung zu arbeiten, ist man meiner Ansicht mehr "A" als jemand der auf einem hohen Level stehenbleibt und glaubt nicht mehr lernen zu müssen.

Der Spass hört nebenbei meiner Ansicht nach dort auf, wo man jemanden wie Hagelhans wegen Punkten wie Defiziten in der Sehkraft ausschliesst. Wenn man solche Maßstäbe setzt, dann könnten wir auch gleich mit Körpergrössen, urban bleichem Teint oder fehlende Knochenschäden Messlatten legen, die kaum ein moderner Mensch nach historischen Vorgaben erfüllt. Dann könnte man ebenso bei Auftritten einen Securitas aufstellen, die alle Gewandete wegweist die zu bleich, zu gross und mit über 40 noch keine Mangelerscheinungen in ihrer Knochenstruktur haben.
Benutzeravatar
troupier suisse
Site Admin


Beiträge: 2989
Registriert: So 02 Apr, 2006 14:59
Wohnort: schweiz

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Phil am Di 18 Jan, 2011 21:11

Ich sehe es auch so. Es gibt überall Perfektionisten. Das ist dann aber oft auch eine Frage des Geldes und natürlich der Zeit, in der man sich schon damit beschäftigt.

Ist man weniger lange dabei und hat nicht das nötige Kleingeld, ist halt einfach nicht alles perfekt. Ich habe auch eine kunterbunte Mischung aus Reproduktionen und echten Stücken - und ich fühle mich damit wohl und habe Spass daran. Und ist es nicht Spass, der zuallererst kommen sollte.

Ich bin wie Hagelhans Brillenträger. Bei meiner 2. WK Darstellung an sich kein Problem, nur kann ich mir zurzeit keine "historische" Brille leisten und Linsen kann ich nicht tragen... Nun gut, so ist es halt. Ausserdem habe ich MS und würde eh nie zum Militärdienst zugelassen (meine Päuschen würden wohl auf wenig Gegenliebe stossen...). Spass macht mir die Darstellung aber trotzdem.
Gruss, Phil
Benutzeravatar
Phil
Gelehrter


Beiträge: 182
Registriert: Sa 07 Aug, 2010 19:09
Wohnort: Solothurn, Suisse

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon cantarella am Di 18 Jan, 2011 21:29

Phil hat geschrieben:Ich bin wie Hagelhans Brillenträger. Bei meiner 2. WK Darstellung an sich kein Problem, nur kann ich mir zurzeit keine "historische" Brille leisten und Linsen kann ich nicht tragen...

Kurzer OT-Hinweis: Bei Fielmann findet man zwischendurch günstige, 1940er-taugliche Brillengestelle. :-) Z.B. runde Drahtgestellbrillen à la John Lennon, die gehen auf jeden Fall, aber auch leicht ovale Drahtgestellbrillen. Kommt halt immer auf die Nationalität der WK2-Darstellung an.
the only way to get rid of temptation is to yield to it
Oscar Wilde
Benutzeravatar
cantarella
Mittelalter


Beiträge: 1055
Registriert: Fr 22 Feb, 2008 09:36
Wohnort: Bern

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Seegras am Di 18 Jan, 2011 23:28

Ich glaube ein wichtiger Punkt ist dass es darum geht so nah wie (finanziell, zeitlich) möglich zu kommen.

Es gibt vermutlich so eine Art Konsens wie nah das sein muss um von anderen historischen Darstellern (und Museen) akzeptiert zu werden, aber "korrekte Fertigungsart" gehört nicht dazu, nur "sieht korrekt gefertigt aus". Mit anderen Worten, wenn die Webart aussieht wie bei den erhaltenen Stücken, die Farbe wie auf den Bildern, der Schnitt und der Fall wie auf den Statuen und die Nähte wie handgenäht, dann ist es wohl genügend nahe, Ob die Wolle von einem modernen Schaf ist oder die Färbung chemisch, das ist dann nicht mehr so interessant. Selber zu wissen dass es so ist kann einem selber natürlich enorm helfen.

Nicht zu vergessen ist auch dass der Stand des möglichen sich ändert. Vor einigen Jahren hatte fast niemand naturgefärbte Kleidung, heute ist es sehr erschwinglich geworden. Und falls irgend jemand anfängt in grossem Still handgewobene Wollstoffe zu produzieren werden auch die sich verbreiten. Und wenn in 50 Jahren mittelalterliche Schafe geklont werden haben wir vielleicht plötzlich auch die absolut korrekte Wolle wieder ;)

Es hilft auch manchmal etwas wirklich historisch zu fertigen wenn es abstrus ist. Neongelbe Beinwickel sind schlecht erklärbar wenn man sie chemisch gefärbt hat. Aber wenn dieselben Beinwickel nach dem exakten Spätrömischen Rezept gefärbt sind, dann ist der Fall klar. Und man hat selber eine Erkenntnis gewonnen.

Was diesen Konsens (und den damit einhergehenden Wissensstand) betrifft, so hilft es sicherlich Leute zu fragen die bereits eine entsprechende Darstellung machen. Die können einem recht schnell sagen ob sie etwas akzeptabel finden, oder ob da generell mehr (finanzielles oder zeitliches) Engagement gefragt ist. Und falls "mehr" gefragt ist, sind die meistens auch sofort bereit zu helfen ("helfen", nicht "wir tun das für dich" ;)). Und wenn man was rumguckt und diejenigen frägt die offenbar die höchsten Ansprüche haben, dann kann man diesbezüglich nichts falsch machen.

Es gibt einige Leute die kopieren grad mal grundsätzlich Kleidung von Belegen; andere bauen sich irgendetwas das zeitlich und kulturell hineinpasst. Ich finde beide Ansätze legitim. Um dazu ein Beispiel aus einer anderen Epoche zu geben: Die Ordonnanz der britischen Navy wurde festgelegt in 10-Sätzigen Uniformbeschreibungen in der London Gazette. Dazu gab es jeweils ein Stück das bei einem bekannten Schneider ausgehängt war. Innerhalb der Grenzen der Beschreibung war der Offizier aber bei der Gestaltung frei. Und damit sah jede Uniform leicht anders aus. Nun gibt es Leute die einfach ein Stück nach der Gazette machen und die Bilder der überlebenden Stücke "mal angesehen haben", und welche die exakt eine Kopie eins der überlebenden Stücke anfertigen (lassen). Beides gibt historisch korrekte Uniformen; da tatsächlich damals das Vorgehen der Offiziere und deren Schneider nicht anders war.


Was die Brillen betrifft; da haben wir einen Spezialfall: Es geht hier beim angesprochenen Beispiel nicht um die grundsätzliche Verfügbarkeit des Dings (sowohl zur dargestellten Zeit als auch als Replika), auch nicht um die historische Ausführung, sondern allein darum ob die Brille zur entsprechenden Darstellungsrolle passt oder nicht. Und da sind wir dann bei den "zu alt", "zu dick", "zu braungebrannt"-Geschichten. Idealerweise sucht man sich dann etwas was hinkommt ("braungebrannter Adeliger, hmmm, ich glaubs ich muss Marine machen", "graue Haare? Sergeant würd durchgehen", "Schwarz? Ich stell Sarazene dar"), oder man lebt eben damit dass es nicht korrekt ist, und schaut wie man mit anderen Darstellern und dem Publikum klarkommt. Kommt halt auch auf den Kontext an. Den Japanern ist völlig klar dass die Deutschen nicht japanisch aussehen -- aber wenn in Japan Japaner Deutsche reenacten, dann wird das vermutlioch akzeptiert. Umgekehrt funktionieren hingegen im Japan Deutsche als Samurai vermutlich genausowenig wie in Europa japaner als Ritter. Aber generell werden Probleme bezüglich "Person passt nicht zur Darstellung" viel eher verziehen als "Ausrüstung passt nicht zur Zeit/Kultur".
Honi soit qui mal y pense
Benutzeravatar
Seegras
Living Historian


Beiträge: 1419
Registriert: Do 29 Dez, 2005 20:05

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Murky am Mi 19 Jan, 2011 08:47

Guter Thread! :-) Aus den bereits gesagten Statements liesse sich schon gut einen Qualitätsleitfaden fürs schweizer Reenactment erstellen.
Ich sehe es genauso wie meine Vorschreiber. Ich denke das beste ist eine Kombination aus "Nach Funden gearbeitet" (also "a", oder sagen wir mal in höchstem Masse belegbar) und "von Abbildungen und Wissenschaft interpretiert". Die Interpretation ist sicher schwierig, und je nach dem wie tief man in der Materie ist lässt es sich besser interpretieren. Wenn man ganz neu im Thema ist würde ich die Interpretation auf ein Minimum beschränken da man da natürlich auch auf den Holzweg kommen kann.
Welchen Level man aber für sich selbst setzt ist jedem einzelnen oder jeder Gruppe selbst überlassen. Wir versuchen unsere Darstellung auf eine Museumstauglichkeit zu trimmen, sind aber noch lange nicht da. Das braucht aber auch seine Zeit, und bis man beim selbstgefärbten Wollstoff ankommt gilt es auch noch seine Rolle zu definieren und die dargestellte Zeit zu studieren. Da reicht es meiner Meinung nach auch dass man anfangs einen industriell gefärbten Wollstoff trägt (mit der korrekten Bindung) und dafür Bescheid weiss wie man den Stoff denn gefärbt hätte :-)

Desweiteren bin ich der Meinung dass man gewisse, für die aktuelle Darstellung nicht relevante Dinge auch gut der heutigen Zeit entsprechend machen kann. Zum Beispiel dass man halt mal einen Tag durchaus die Zähne mittelalterlich pflegt (Süssholz, Kräuter kauen oder wasauchimmer), danach aber die Zähne herkömmlich putzt. Oder dass man eben Linsen trägt in der Darstellung (zu unserer Darstellungszeit 1180 gabs ja noch keine Brillen) man kanns sich ja vorstellen wies ist wenn man alles unscharf sieht. Oder dass es halt im Lager auf dem Klo Toilettenpapier hat statt Stroh oder Blätter, nachdem mans mal ausprobiert hat ists ja okay wenn mans lässt. Das kann sich aber natürlich jeder selbst zurechtlegen, solange es für den Zuschauer nicht sichtbar ist.
Daniel der Kaufmann
Comthurey Alpinum, anno 1180
Benutzeravatar
Murky
Gelehrter


Beiträge: 299
Registriert: Do 24 Sep, 2009 16:17
Wohnort: Zürich

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Phil am Mi 19 Jan, 2011 11:44

cantarella hat geschrieben:
Phil hat geschrieben:Ich bin wie Hagelhans Brillenträger. Bei meiner 2. WK Darstellung an sich kein Problem, nur kann ich mir zurzeit keine "historische" Brille leisten und Linsen kann ich nicht tragen...

Kurzer OT-Hinweis: Bei Fielmann findet man zwischendurch günstige, 1940er-taugliche Brillengestelle. :-) Z.B. runde Drahtgestellbrillen à la John Lennon, die gehen auf jeden Fall, aber auch leicht ovale Drahtgestellbrillen. Kommt halt immer auf die Nationalität der WK2-Darstellung an.


Hi Cantarella

ich werde mich sicher früher oder später danach umsehen. Danke vielmals für den Tipp. Ich benütze ab und an noch meine alte Brille, die ist ein bisschen wk2-zeitgemässer als die aktuelle, aber leider verschlechtern sich meine Augen zunehmends und ohne die aktuelle etwas gar eingeschränkt...
Gruss, Phil
Benutzeravatar
Phil
Gelehrter


Beiträge: 182
Registriert: Sa 07 Aug, 2010 19:09
Wohnort: Solothurn, Suisse

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon jboerner am Do 20 Jan, 2011 16:34

    Ich wunder mich einfach nur. Zunächst einmal über die Wortwahl
  • "liberal" (vs ""a" - Darstellungen")
  • "erlauchten "A" Gruppierung"

Warum muss immer mit Abwertungen, Übnerspitzungen zum selben Zweck o.Ä. in so einer Diskussion gearbeitet werden? Das erzeugt nur Spannungen.

Dann wundere ich mich über Verallgemeinerungen:
Der Spass hört nebenbei meiner Ansicht nach dort auf, wo man jemanden wie Hagelhans wegen Punkten wie Defiziten in der Sehkraft ausschliesst.

Das klingt zudem, als ob jemand aktiv ihn vom Platz gejagt hätte. Tatsächlich sagte er ja
Ich selbst musste mich unlängst aus der erlauchten "A" Gruppierung entfernen da ich las dass Brillenträger den gewachsenen Ansprüchen an vielen Veranstaltungen nicht mehr genügten.


Ganz generell hat jeder, der eine Veranstaltung macht, das Recht, seine eigenen Regeln aufzustellen. Sich hinzustellen, und das zu verurteilen, finde ich wenig "liberal". Ich brauch auch nicht mit Baumann in ein 4 Sterne Lokale einlaufen, und mich dann aufregen. Wenn die Anzug als Pflicht haben, ist es halt so. Ess ich halt woanders, wenn es mich stört.

Und dann kenne ich keine " erlauchte "A" Gruppierung". Wer soll das sein? Solche Regeln sind veranstaltungsspezifisch.

Dann wunder ich mich darüber:
Eine Brille in einem vertretbaren hist. Kontext zu tragen übersteigt entweder meine finanziellen Möglichkeiten bei weitem oder sprengt mein darstellerisches Können.

Also vielleicht bewerte ich das falsch, aber Du machst doch 15tes, oder? So teuer sind die doch garnicht? http://www.optiker-holz.de/hibri/histor ... er-holz.de

Dann wunder ich mich, dass hier damit auch wieder ne Diskussion anderer Stelle aufgegriffen werden muss. Konkret geht es meiner starken Vermutung nach ja um die Regeln für die Veranstaltungen des Reichsaufgebotes, wo keine modernen Brillen zugelassen sind. Da wurden doch schon Alternativen genannt? Und was hat das überhaupt mit dem Thema zu tun?

Und dann wunder ich mich etwas über die Ausgangsfrage. Nein, natürlich darf man jede stellen, klar. Und eine gewisse Bereichtigung hat sie auch. Ich wunder mich allerdings, warum sie kommt. Denn im Grunde würde sie schlicht gelösst, wenn man mal ein, zwei Veranstaltungen besucht. Modern. Also in 21tes Klamotte ;), und mit den Leuten redet, zuguckt, wie alles abläuft.

Wenn ich dann das Wundern einstelle, kann ich nur meine persönliche Sicht beitragen:
Wir versuchen auf Basis möglichst regionaler, zeitlich eng gefasster Quellen aus Bild, Text, Fund, unter Zuhilfenahme eines gesunden Blic kes über den Tellerrand (dass da heisst andere Zeiten und Regionen) nach bestem Wissen, Gewissen ;) und Möglichkeiten Dinge, Tätigkeiten etc. zu "rekonstruieren". Fixe Regeln gibt es dabei nicht; Quellen werden einer Quellkritik unterzogen, Details der einzelnen Dinge werden nach individuellen Gesichtspunkten abgewogen. Mögliche Eckpunkte sind (neben der Quelllage) Kosten/Nutzen, Wichtigkeit für die Funktion, Plausibität, Wirkung auf Besucher etc.
Vermeiden tun wir tunlichst Mechanismen wie moderne Erwägungen, Motivationen wie "Wunsch Vater des Gedanken", zu singuläres Vorkommen in Quellen, große Exotik, schlechte Ausführung gemessen an den erhaltenen Stücken, zu teuer/billig für die präsentierte Darstellung, zu große Nutzung moderner Denkweise.
Das Ganze im ständigen Austausch mit anderen und Hinterprüfung der eigenen Meinung und Herangehensweise. Selbstkritisch eben.

Und dann noch ganz generell:
Es gibt kein Gütesiegel (obgleich ich mir das in vielerlei Hinsicht wünschen täte, jedenfalls bezogen auf Museumsarbeit, aber das ist eine gaaaaaanz andere Geschichte). Es gibt keine "'A' Gruppe".
Dieser Buchstabe alleine, mit dessen Benutzung man schon, wie ich eigentlich finde, seine Geringschätzung für ein Wort- nämlich Authentiztät- ausdrückt, bzw. gegenüber einer sich vorgellten, undefinierten Personengruppe, sagt garnichts. Denn der Witz ist: Keiner der mir bekannten in meinen Augen sorgfälltig arbeitenden Leuten benutzt ihn. Wozu auch? Ob etwas glaubhaft- so die eigentlich Bedeutung des Wortes ist, mag für nen Film wichtig sein, aber eine Beschreibung eines Gegenstandes ist völlig unterschiedlich. "Replik"(kaum), "Replikat"(eher), "Rekonstruktion"... man kann etwas eine "Rekonstruktion eines Fundes" nennen, und weitere Angaben machen, das sagt etwas aus. Jenseits dessen kann man vlt. an einem gewissen Punkt etwas "spekulativ" nennen. Aber "authentisch"?
Daher nutzen solche Schubladen auch ab einem gewissen Punkt nichts.

Natürlich gibt es sie auch in anderer Richtung: "Gromi", "Fuzzie". Keine schönen Begriffe, aber ab einem gewissen Punkt wird es ja auch unschön: da, wo der Anspruch nicht zur Wirklichkeit passt; dort wo mit ersterem aber gar noch hausieren gegangen wird; dort, wo im Grunde der Satz "Ich habe meine Meinung, belästige mich nicht mit Fakten" regiert.
Dazwischen gibt es aber viele Schattierungen.
Die Frage ist, welche du dir selber gibst.
Benutzeravatar
jboerner
gesperrt


Beiträge: 122
Registriert: Fr 13 Mär, 2009 16:50
Wohnort: Erlangen

Re: "A" und "hc" oder gesunder Menschenverstand..?

Beitragvon Hagelhans am Do 20 Jan, 2011 17:08

@jboerner: eine Brille habe ich schon seit Jahren. genauergenommen zwei. Eine billige von http://www.optiker-holz.de/hibri/histor ... er-holz.de und ein Museumsreplikat von Serge und Marquita Volken. Nicht der Brille entsprechend ist das einfache Heft meines Schweizerdegens. Die Konstanzer Gürteltasche. Meine Gürtelschnalle ist verzinnte Bronze und nicht aus Silber oder Gold. Mein Eisenhut eben nur ein Eisenhut. Möglich dass Andere hier kompromissbereiter sind. Ich bin es nicht! Wen die Kleiderordnung eine einer Brille angepasste Darstellung verlangt, dann heisst dies für mich klar, dass ich mit meinen Spiessbürgersachen nicht passe. Würde ich trotzdem hingehen, müsste ich wohl jede menge Kompromisse ertrage die ich persönlich wiederum nicht als solche anerkennen möchte.
Ich denke eben, ich bin da etwas Hard Core. :smt047
"Wir sind alle Anerkennungsjunkies - Affen in Anzügen, die um Applaus betteln." -Jake Green.
Benutzeravatar
Hagelhans
Moderator


Beiträge: 4684
Registriert: Sa 10 Sep, 2005 13:56
Wohnort: Niederhasli Schweizerische Eidgenossenschaft

Nächste

Zurück zu Uniformen und Equipment

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: ichiro [Crawler] und 4 Gäste

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Style by Webdesign www, książki księgarnia internetowa podręczniki