Stoff für Reisläufertracht

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Straussenfeder am Mo 23 Aug, 2010 20:35

Hallo Michi

Eigentlich wurde schon fast alles geschrieben. Als Quelle möchte ich dir aber noch wärmstens dieses Buch empfehlen:
http://www.amazon.de/Landsknechte-Reisl%C3%A4ufer-Soldaten-Jahrhunderts-Dissertation/dp/3506744747/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1282591432&sr=8-1
Da drin findest du viele hilfreiche Tipps, besonders was die Merkmale und Unterschiede zwischen Landsknechten und Reisläufer betrifft, Farbstatistik, Verlauf der Modetrends, u.s.w.. Ebenso findest du da drin sehr wichtige Tipps, die dir helfen diese und andere Bildquellen richtig zu interpretieren und zu hinterfragen. Genau da liegt nämliich ein grosses Problem begraben, dass die alten Zeichnungen und Stiche oft - gerade bei den aufwändigen frühneuzeitlichen Gewändern - wichtige Details kaschieren oder Idealisieren. Zudem ist etwa ein Drittel des Buches Bibliographie.

Was die Wahl der Wolle betrifft, da liegst du sicher nicht falsch. Aber bedenke, dass du mit 1510 mitten in die Mailänderkriege stichst (...und da warst du, wenn du 1510 ein Reisläufer warst!). In Italien findest du zu jener Zeit schon Moden und Stoffe die im grösseren Stiel erst 50 bis 100 Jahre später die Alpen überquerten (auch Baumwolle!). Und vermutlich waren die Italienischen Stoffe von einer Qualität, von der selbst wir heute nur träumen - anders wären gewisse Schnitte gar nicht zu erklären. Ich will damit nur sagen, dass du mit der Wahl des Stoffes gar nicht so eingeschränkt bist. Vielmehr wird dir dein Schnittmuster die Wahl des Stoffes aufdrängen.

Bedenke auch, dass die Reisläufer (nebst der Beute) viel Geld verdienten (+/-4 Gulden pro Monat!). Will heissen, die Reisläufer waren reich genug, sich gut zu verzieren und sich in kostspielige Stoffe zu kleiden, was sie auch taten.
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon petgerm am Fr 27 Aug, 2010 05:47

nur eine Bemerkung, sowohl in dem vorgeschlagenenen, ziemlich guten Buch als auch in den Abbildungen von Matthäus Schwarz aus Augsburg sind sehr wohl geschlitzte Unterschenkel zu sehen. Gerade letztere Quelle dürfte als recht verlässlich und zeitlich sehr genau einzuordnen sein.
Nebenbei frage ich mich sowieso, wie die Schlitzungen und Farbwechsel, gepaart mit Bändern gemacht worden sind, hat man die Hosen wie einen Fleckerlteppich genäht oder alles erst nachträglich gemacht (sehr bizzar bei den Unterschenkeln des "Edelmannes" mit diesen schrägen Wülsten und Schlitzen).
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Hagelhans am Do 02 Sep, 2010 16:44

Ich habe eben ein absolut tolles Buch erhalten!
Landsknechte und Reisläufer: bilder vom Soldaten
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wieder mal ein Buch dass so ist wie ein nützliches Buch zu sein hat. Insbesondere sind die Quellenangaben bei den Bildern ausgezeichnet! Maler, Jahr, dargestellte Szene.
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Michi am Fr 03 Sep, 2010 05:57

Hagelhans hat geschrieben:Ich habe eben ein absolut tolles Buch erhalten!
Landsknechte und Reisläufer: bilder vom Soldaten
Matthias Rogg
verlag Schöningh
ISBN: 3-506-74474-7
wieder mal ein Buch dass so ist wie ein nützliches Buch zu sein hat. Insbesondere sind die Quellenangaben bei den Bildern ausgezeichnet! Maler, Jahr, dargestellte Szene.
wer sich für das 16.Jh. interesiert und dieses Buch noch nicht hat, dem möchte ich es wärmstens empfehlen.


..so ein Zufall! Ich habe das Buch gerade gestern in der Post gehabt. Freue mich darin zu lesen.
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon jboerner am Fr 10 Sep, 2010 13:07

@Peter: Ausgehend auch von den Gemälden im 15ten täte ich sagen: Flickerlteppich ;) Vermutlich gleichzeitig Reststoffverwertung bzw. billiger weil kleine Stücke verwendend. Ist, so spekuliere(!) ich, daraus entstanden, dass man mit anderen Farben flicken musste, und das ob schon vorher vorhandenem Mi-Parti in der Mode als schick angesehen wurde, keine Ahnung...
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Michi am Mi 29 Sep, 2010 18:50

Hagelhans hat geschrieben:Grundsätzlich kanst Du ja den luzerner Schilling als Primärquelle benutzen. Du must nur ein wenig aufpassen, da er in einigen Bildern ein wenig historisiert. Dies ist vorallem bei den Hellebarden aufällig.

http://de.wikipedia.org/wiki/Diebold_Sc ... C3%BCngere


Apropos Hellebarden und historisieren: ist die sog. Sempacher-Hellebarde für einen innerschweizer Reisläufer um 1510 zulässig deiner Meinung nach? Ich habe einiges darüber gelesen, aber wenn ich Zeichnungen anschaue, dann werden meist andere Hellebardenformen dargestellt (z.B. Urs Graf, Niklaus Manuel).
Gruss
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon jboerner am Do 30 Sep, 2010 09:49

Ich erlaube mir, darauf zu antworten, auch wenn die Frage an jemand anders ging: würde ich nicht, nein. Wie der Name schon sagt, datiert der Typ eher ins 14te. Im 15ten noch teils, meist dann mit Hakenergänzung noch gebräuchlich, aber im 16ten dann wirklich "mittelalterlich" im wahrsten Sinne des Wortes.
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Hagelhans am Do 30 Sep, 2010 15:44

Wen du mit Sempacher Hellebarde die Lamprecht Koller waffe von 1620meinst, dan ist sie wiederum zu früh für dich.
Zugegeben, sicher eine der schönsten waffen überhaubt. Aber ich würde Dir abraten. Gerade aus deiner zeit giebt es einige wirklich schöne Waffen. Zu empfehlen: Stangenwaffenkatalog Altes zeughaus Solothurn. Die "Sempacher" ist halt schon extrem aufällig Hellebardenrenaissanceund halt die hellebarde schlecht hin.
Nichtfachleute werden sie soffort als Hellebarde erkennen. Fachidioten wie ich werden sagen: "Schönes Stück. Ist aber frühes 17.Jh." :smt002
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Seegras am Do 30 Sep, 2010 22:29

jboerner hat geschrieben:Ich erlaube mir, darauf zu antworten, auch wenn die Frage an jemand anders ging: würde ich nicht, nein. Wie der Name schon sagt, datiert der Typ eher ins 14te. Im 15ten noch teils, meist dann mit Hakenergänzung noch gebräuchlich, aber im 16ten dann wirklich "mittelalterlich" im wahrsten Sinne des Wortes.


Die sogenannte "Sempacher Hellebarde" ist ein Historismus-Stück aus dem 17Jh nach Stücken aus dem späten 15Jh. Die wurden sozusagen alle von Lambert Koler (oder Lambrecht Koller), einem Huf- und Wagenschmied aus Würenlos zwischen 1660 und 1681 gefertigt.

Zwischen 1663 und 1681 hat er dem Zeughaus Zürich 1000 Stück davon geliefert, und 1667 dem Zeughaus Schwyz 200 Stück.

Grund für diesen Anachronismus war die Schlacht von Villmergen 1656, welche im Häuserkampf mit Stangenwaffen entschieden wurde.

Mit einer Hellebarde zur Zeit der Schlacht von Sempach (1386) hat die "Sempacher Hellebarde" nichts zu tun. Für die sogenannten "Solothurner Hellebarden" und "Berner Hellebarden" gilt dasselbe, auch die sind nach 1656 entstanden, da ist einfach die Formgebung jeweils anders.

(Naja, ist nicht gerade das was man so als Nicht-Schweizer so grad weis ;))
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Re: Stoff für Reisläufertracht

Beitragvon Michi am Fr 01 Okt, 2010 06:18

Vielen Dank für Eure Imputs! Eigentlich habe ich schon die Lamprecht Koller - Hellebarde gemeint und nicht eine aus der Zeit der Schlacht bei Sempach. Ich habe auch gelesen von der sog. Hellebarden-Renaissance und das noch relativ viele Exemplare erhalten sind und auch z.T. versteigert werden. Da ich für meine Darstellung doch ein passendes Gesamtbild anstreben möchte, bin ich halt ein wenig am werweisen was für ca. 1510 passend wäre. Seegras erwähnt dass die "neue" Würenloser-Hellebarde an Teile vom spät. 15. Jh angelehnt ist... wenn ich dann Bilder seiner Waffe von Reto Zürcher anschaue (um 1500), dann hat die noch recht Ähnlichkeit mit der Sempacher - die Spitze wird zwar schon länger und schmäler, aber die Gesamtform hat doch durchaus noch Ähnlichkeit...

@Hagelhans: Du hast natürlich recht, auch ich finde dass es sich um das absolut schönste Modell handelt - einfach ein Klassiker! ...darum würde die mir ja auch gefallen ;)

Aber eben, es sollte auf jeden Fall passen für ca. 1510.

Gruss
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