Kriegsdenkmünze für die Feldzüge 1870–71 und Centenarmedaille
Manche Dinge kommen überraschend, so wie etwa der Fund meiner Gattin im geerbten Nähkästchen. Zwischen Knöpfen, Fingerhüten und alten Nadeln kam eine Ordensschnalle aus Familienbesitz zu Tage, die lange im verstauben Holzkästchen schlummerte. Mein militärgeschichtliches Faible war naturgemäss sofort geweckt, umsomehr da eine der Auszeichnungen die Jahreszahlen 1870-71 und die Randschrift AUS EROBERTEM GESCHUETZ trug. Das verlangte nach Recherche.
Bald war deutlich dass es sich um ein im späten 19. Jahrhundert sehr verbreitetes Duo in Kaisers Landen handelte. Konkret waren dies die Kriegsdenkmünze für die Feldzüge 1870–71 und die sogenannte Centenarmedaille zum 100. Geburtstag von Kaiser Wilhelm I. (den er infolge Ablebens 1888 nicht mehr selber feierte, was indes sein Enkel Wilhelm II. eifrig nachholte). Beide Auszeichnungen wurden an Veteranen von 1870-71 abgegeben.
Die Kriegsdenkmünze für die Feldzüge 1870–71
Nach dem Deutsch-französischen Krieg stiftete Kaiser Wilhelm I. eine Erinnerungsmedaille für die Veteranen des Waffenganges. Diese Kriegsdenkmünze gab es in zwei Ausführungen. Für Nichtkombattanten wurde sie aus Stahl gefertigt. Das auf der Rückseite abgebildete Kreuz ist mit einem Eichenkranz umrankt. Sie trägt die Inschrift "Für Pflichttreue im Kriege". Die vorliegende Ausführung wurde indes an Kombattanten vergeben.
Die Kombattantenausführung zeigte auf der Rückseite das Kreuz von Lorbeer umrankt. Die eingemittete Inschrift auf ihr lautet "Dem Siegreichen Heere", während ein umlaufendes Schriftband lautet "Gott war mit uns, Ihm sei die Ehre". Zusätzlich ist bei den verliehenen Originalen die Randschrift AUS EROBERTEM GESCHUETZ zu lesen. Dies daher weil die Medaillen auf rund 280 Zentern französischer Geschützbronze gegossen wurden.
Die Kombattantenausführung wurde laut Statut vom 20. Mai 1871 an folgende Personen verliehen:
a) alle diejenigen Offiziere, Militairärzte, Beamte und Mannschaften der Deutschen Armeen, welche in dem jetzt beendeten Kriege an einem Gefecht oder an einer Belagerung theilgenommen haben, oder welche zu kriegerischen Zwecken vor dem 1. März d. J. die Grenze Frankreichs überschritten haben;
b) alle diejenigen Offiziere, Aerzte, Beamte und Mannschaften der Marine, welche in dem jetzt beendeten Kriege an einem Gefecht theilgenommen haben, sowie die Offiziere, Aerzte, Beamte und Mannschaften, welche vom 11. Dezember v. J. bis 2. März d. J. zur Besatzung Meines Schiffes Augusta gehörten.
Man trug diese Medaille auf der linken Brust an schwarzen Band mit weissem Rand und rotem durchgezogenen Streifen. Das Band war bei Kombattanten und Nichtkombattanten gleich bis auf eine Aufnahme. Militärbeamte und Personen die nicht zu den Streitkräften gehörten trugen die Nichtkombattantenmedaille an einem weissen Band mit schwarzem Rand und rotem durchgezogenen Streifen.
Zum 25. Jahrestag des Sieges erfuhr die Medaille am 18. August 1895 die Stiftung von 25 Gefechtsspangen mit den Namen von Schlachten oder Belagerungen, von Weissenburg bis Metz. Diese Gefechtsspangen mussten von den Tragberechtigten allerdings aus eigener Tasche bezahlt werden, weshalb sie nicht so oft getragen wurden wie die Medaille an sich.
Centenarmedaille
Die zweite Medaille an der Spange ist die Centenarmedaille, die wegen ihres gelben Bandes im Volksmund den Beiname "Zitronenorden" erhielt. Ihre volle Bezeichnung lautete "Medaille zur Erinnerung an des Hochseligen Kaisers und Königs Wilhelm I., des Großen, Majestät" Sie ist der geprägte Ausdruck des Dranges von Kaiser Wilhelm II. seinen Grossvater Wilhelm I. zu ehren und zu erhöhen. Davon zeugt die Inschrift auf der Frontseite neben dem Bildis Wilhelms:
WILHELM DER GROSSE DEUTSCHE KAISER KÖNIG VON PREUSSEN
Wilhelm II. war sehr darum bemüht, seinen Grossvater den Zusatztitel "Der Grosse" zu verschaffen, was sich allerdings nicht durchsetzte. Die Medaille wurde aus offenbar noch übriggebliebener erbeuteter Geschützbronze gegossen. Die Rückseite nennt Anlass der Stiftung der Medaille und die Lebensdaten Wilhelms I.
ZUM ANDENKEN AN DEN HUNDERTSTEN GEBURTSTAG DES GROSSEN KAISERS WILHELM I. 1797 - 22. MAERZ - 1897.
Die Medaille wurde an sämtliche Offiziere, Militärbeamten, Unteroffiziere und Mannschaften vergeben die am genannten Tag den Streitkräften angehörten. Zudem verlieh man sie an Veteranen der Deutsch-dänischen Kriege 1849 und 1864 sowie jenen des Krieges 1866 und des Deutsch-französischen Krieges 1870-71.
Für einen Nähkästchenfund war dies ein hübsches Ensemble. Besonders wenn es mit der Familiengeschichte meiner Gattin zusammenhängt. Auch wenn es nicht wirklich kostbare Raritäten sind. Nach dem Ultraschallbad sehen sie
in der Vitrine neben der Pickelhaube M1895 jedenfalls sehr dekorativ aus.
Thematischer Querverweis >> Helm mit Spitze (Pickelhaube) M1895 KJR 145