Gambeson als tragbare Sauna

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Murky am Mi 07 Jul, 2010 21:07

jboerner hat geschrieben:Servus,

Sicher? Aketon stammt vom arabischn "al-qutn" ab, und ich meine mich auch an bereits recht frühe Erwähnungen als Stopfmaterial zu erinnern. Rohbaumwollimporte gibts auch schon ziemlich lange, wir reden hier jetzt nicht über Tuche.


Ja, das mit dem "al-qutn" weiss ich. Ich könnte auch "Polsterwams unter dem Kettenhemd" sagen, das ist es was ich meine :-). Aber egal, falls das mit der Rohbaumwolle stimmt, nimmt mich Wunder wofür die die denn importiert haben wenn nicht für Stoffe... kannst du mir hier eine Quelle angeben? Speziell die frühe Erwähnung als Stopfmaterial, das wär wirklich spannend. Ich kenne bis jetzt nur die eher Frühmittelalterlichen Quellen wo meist nur Wollfilz als Stopfmaterial vorkommt, habe aber bis jetzt noch nichts vom 12. Jh.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Löwenherz am Mo 12 Jul, 2010 10:27

Hallo Zusammen

Ich habe für meine Darstellung (1200) einen reinen Textilpanzer genäht. Er besteht aus zwei Lagen Nadelfilz, eingepackt in 2 Lagen Leinen und alles abgesteppt. Er ist etwas über 6kg schwer und ca 3cm dick. Er hat sich im Schwertkampftraining (allerdings stumpfe Schwerter!) bestens bewährt.

Diesen Gambeson (zumindest Abschnitte davon) haben wir für unsere Demonstration in Huttwil benutzt. Wir haben mit einem 55 Pfundbogen und diversen Spitzen darauf geschossen. Alle ungeschliffenen Spitzen prallten bis auf eine Nähe von 5m ab! Wir wollten dem Publikum die Bedeutung verschiedener Pfeilspitzen zeigen.

Zum Thema Bogenstärke: Die Eglischen Bogen (Funde Mary Rose) mit ihren riesen Zugstärken wurden erst im 100 jährigen Krieg berühmt. Die Bogen vorher, waren meines Wissen so um die 70 Pfund. Wenn man keine Rüstungen zu durchschlagen braucht, macht es wenig Sinn, solch hohe Bogenstärken zu haben. Da die Zielgenauigkeit darunter leidet!

Lasse mich gerne belehren :smt002
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Hagelhans am Mo 12 Jul, 2010 12:56

Wiso macht es keinen Sinn einen über 70 Pfund Bogen zu gebrauchen? Höhere Spannkraft ergiebt längere Schussweite. Wen ich die Schlachten des 100 Jährigen Krieges so durchgehe, dan war die Primärervorderung an Langbogen einfach möglichst viel, möglichst schnell möglichst weit zu schiessen. Der direkte und gezielte Schuss war wohl zweitrangig, nicht?
Um sich vor diesem von oben kommenden Pfeilhagel zu schützen war wohl ein Eisenhut die wichtigste Schutzbewaffnung.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Löwenherz am Mo 12 Jul, 2010 14:18

Ja, im Hundertjährigen Krieg. Deshalb habe ich auch geschrieben vorher.

Und weshalb mehr, wenn nicht nötig? Es braucht regelmässiges und langjähriges Training um mit solch einem Bogen mehr als nur ein paar Pfeile zu schiessen. Für die Jagd reichen 70 Pfund vollständig aus, auch in unserer Zeit.

Habe dies nur erwähnt, von wegen Gambeson mit Pfeilen bespickt. Und wegen des Beschusstests.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Hagelhans am Mo 12 Jul, 2010 14:52

A¨h!
dan habe ich Dich missverstenden. tschuldigung!
ich glaubte Du wolltest damit sagen, dass die Bogen stärker wurden um Rüstungen zu durchschlagen.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Mo 12 Jul, 2010 20:56

Worauf basiert denn die Annahme, dass Bögen vor dem 100jährigen nur 70 Pfund gehabt hätten?
Ich mein, die sind jetzt nicht von heut auf morgen aufgetaucht, die stammen ursprünglich von den Walisern, mit denen die Engländer im 13ten ihre erste Bekanntschaft (im Kriege nebst Bögen) gemacht haben.

Ansonsten stimme ich Hagelhans bedingt zu, der Direktbeschuss kam seltener vor, allerdings treffen Pfeile im ballistischen Beschuss nicht nur direkt von oben.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Seegras am Di 13 Jul, 2010 07:04

Typischerweise kann man davon ausgehen dass der Mensch physisch derselbe bleibt. Der Moderne Soldat trägt um die 30kg Gefechtspackung. Der mittelalterliche ebenfalls, das meiste davon in Form von Rüstung. etc.

Insofern ist durchaus zu erwarten dass wenn es keinen technischen Grund gibt, die Stärken von Bögen über die Zeit nicht variieren (sondern allenfalls über die Personen die sie benutzen.).

So einen technischen Grund haben wir z.b. bei den orientalischen Reiterbögen (ebendiese mit denen Kreuzritter mit Pfeilen gespickt wurden): Diese sind von Bau- (keine Eibe) und Verwendungsart (vom Pferd) her anders als ein "Mary Rose" Langbogen. Ich könnte vermuten dass die schwächer waren, aber behaupten würde ich das nicht. Es gibt garantiert Untersuchungen dazu, und bevor ich die gelesen habe behaupte ich gar nichts.

Aber das kann unmöglich mein Problem sein. ICH habe eine 15Jh-Langbogner-Ausrüstung, die ist gut belegt. Es ist die Aufgabe derjenigen die Waliser im 13Jh oder Sarazenen im 12Jh darstellen da die Belege zusammenzusuchen.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Löwenherz am Di 13 Jul, 2010 12:26

Als Bogenbauer habe ich eine kleine Ahnung von Bögen. Daher weiss ich, dass die Reiterbögen bedeutend niedrigere Zugkräfte(ca 60 Pfund) haben als Englische Langbogen (ca 100 Pfund). Es kommt aber nicht nur auf die Zugkraft an. Die Vorspannung, Abschussgeschwindigkeit, Pfeilgewicht etc. haben haben einen grossen Einfluss auf die Durchschlagskraft eines Pfeiles. Ein Experiment wäre spannend! Oder weiss jemand schon davon?

Wieso ich vermute, dass die anderen Bögen weniger stark waren? Weil ich sonst nicht weiss, weshalb die Englischen Langbogen soviel besser hätten sein sollen. "Plötzlich" waren Bogen da, die eine Ritterrüstung durchschlagen konnte!

Übrigens, man hat bis heute keine Überreste eines walisischen Langbogen gefunden! Der älteste Berich stammt von Gerald de Barri, bei der Belagerung von Abergavenny Castle im Jahre 1182.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Murky am Di 13 Jul, 2010 15:10

Wir waren hier ja mal bei den heissen Gambesons/Aketons ;-) Ist super ist die Diskussion soweit gereift, ich konnte auch das eine oder andere rausziehen, vielen Dank.
Um wieder auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Was klar ist ist dass es sehr stark auf die dargestellte Zeit ankommt was für Materialien verwendet wurden. Grundsätzlich lässt sich sagen, ja, klar ein Gambeson wärmt, Wolle/Wollfilz/Leinen/Rohbaumwolle als Stopfmaterial atmet aber und leitet somit viel von der Wärme und auch etwas von der Feuchtigkeit nach aussen ab. Das heisst, der Hitzschlag wird verhindert wenn man sich das Tragen (und schwitzen) gewöhnt ist.
Lässt sich das so zusammenfassen?

Es wäre sicher Spannend noch einen extra Gambeson/Aketon Thread zu eröffnen wo wir nach Darstellungszeit Inputs sammeln können... Da ist ja doch einiges an Wissen vorhanden im Forum.

Gruss, Daniel
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Mi 14 Jul, 2010 12:41

Löwenherz hat geschrieben:Wieso ich vermute, dass die anderen Bögen weniger stark waren? Weil ich sonst nicht weiss, weshalb die Englischen Langbogen soviel besser hätten sein sollen. "Plötzlich" waren Bogen da, die eine Ritterrüstung durchschlagen konnte!
Das taten sie nicht "plötzlich". Ein halbwegs starker Bogen mit entsprechender Spitze auf dem Pfeif gefährdet einen Ringpanzerträger. Ein darunter getragener Textilpanzer hilft, aber kann konstruktionsbedingt an den Extremitäten- die ja auch zuerst mit Platten ergänzt wurden- nichts reissen. Im Falle der Beine wurde der Ringpanzer, der bis dato ja ohne textile Ergänzung getragen wurde, eben um die "Diechlinge" oder besser das "Senftenier" erweitert.
Nun ist es eben so, dass einzelne Bogenschützen reine sonderlich große Gefahr darstellen, auch wenn Hollywood das einem glauben machen mag, kritisch wird es erst mit der Masse- die dann eben auch nicht auf Einzelziele schiesst, sondern auf Fläche. Und das wiederrum benötigt genügend trainierte Schützen. Die wiederrum nicht auf Bäumen wachsen, und, müsste man sie erst anlernen, schweineteuer wären. Deswegen lohnt das nur, wenn das Bogenschiessen Teil der Kultur ist. Was es in Wales war, in England nicht, daher später per order di mufti nachgeholt. Und auch der Grund, warum es im deutschen Sprachraum nie nennenswerte Mengen an Bogenschützen im Kriegsfalle gab. Hat also wenig mit der Waffe an sich zu tun.

@Daniel: Filz eben ja, aber Wolle? Und Leinen wird nicht gestopft, sondern in Lagen übereinandergelegt. Überhaupt kenne ich keinerlei Quellen für das "Stopfen".
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