Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

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Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon PeterBraubach am Di 06 Jan, 2009 15:43

Hallo zusammen,


bei meinem Besuch in Bern diesen Sommer anlässlich der Karl der Kühne Ausstellung durfte ich auch das Rüstwams (der tausend Nestellöcher) in der ständigen Sammlung bewundern. Zu diesem Stück finde ich leider kaum informationen und nur schlechte Bilder.

(z.B. hier)

Meine Erinnerung an diesen Tag ist nicht die beste da ich mich mit mords Kopfweh herumgeplagt habe, allerdings entsinne ich mich auf eine Datierung durch das Museum von "um 1500" was mit der Beschreibung auf der Website übereinstimmt.

Allerdings verwundert mich das doch ein wenig da der Schnitt von dem Wams zumindest für mich nicht in diese Kategorie fällt sondern doch deutlich später.
Die Rückenpartien sind sehr klein geschnitten und die Front erstreckt sich weit unter den Armlöchern hindruch nach hinten. Diese Charakteristik kenne ich dann doch eher von späteren Stücken.

Selbst das Alpirsbacher Wams und das Wams aus dem Andreas Wild zugeschriebenen Reisläuferkostüm* haben die Seitennaht noch deutlich weiter in der Mitte des Armausschnitts. Erst bei den von Janet Arnold beschriebenen Schnitten nach 1550 habe ich das so ausgeprägt gesehn.
16. Jahrhundert hört meine Spielwiese langsam auf und ich kann anhand von Bildern noch nicht so wirklich eingrenzen wie schnell sich dieser Schnittwandel vollzieht.

(* Wobei das ja wieder ein Sonderfall zu sein scheint)


Vielleicht könnt ihr da helfen.

Fragen an der Forum:

- habe ich dieses Schnittdetail richtig gesehen?
- weiß jemand näheres zu diesem Stück?
- was meint ihr zu der Interpretation?
- habt ihr weitere Ideen?
- ... ?

Vielen Dank
peter
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Beitragvon Seegras am Di 06 Jan, 2009 16:11

Ich habe das Ding auch gesehen; und erklärt bekommen.

Das mit dem Schnitt ist so, dass das Ding verschnitten und neu zusammengenäht wurde. Es wurde nämlich in einem Frauenkleid aus dem 18Jh DRIN gefunden, wo es als Corsage gedient hat.

Insofern kann das wohl einiges erklären, aber ansonsten müsste man das wohl noch einmal genau ansehen um festzustellen wo es später geändert wurde.
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Beitragvon PeterBraubach am Di 06 Jan, 2009 16:25

Ok, das klärt ja schon einiges wenn nicht alles - demnach kann man den Schnitt ja vergessen. Danke!


... aber warum schreiben die sowas nicht dazu!? ... oder habe ich das Übersehn?

pb
Zuletzt geändert von PeterBraubach am Di 06 Jan, 2009 16:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitragvon Hitomi am Di 06 Jan, 2009 16:28

Frag am besten Harry vom Nürnberger Aufgebot an. (Schneiderstand grad beim Kochfeuer in Bern)
Er konnte zusammen mit der Textilkuratorin das Stück aus dem Kasten nehmen und Detailbilder machen. (weil sie von seiner Repro so begeistert war wobei seine von der Verteilung und Anzahl der Löcher aber an Koburg angelehnt ist)

http://www.aufgebot1474.de/index2.htm
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon petgerm am Mi 30 Dez, 2009 15:09

Nachdem ich mich an einer neuen Zeit versuche (1475, Armrustschütze,sehr originell, ich weiß), und bereits einige Fragen und Probleme auch Dank der Mithilfe einiger Forumsteilnehmer (Danke seegras) gelöst habe, sogar schon Teile der Rüstung bestellt habe, drücken mich anlässlich der Bilder dieses "Dings" wieder einige Fragen.
Anfang 1400 haben wir eigentlich überhaupt keine Belege von dem, was wirklich unter dem Rüstzeugs getragen wurde, die wenigen Sachen sind darüber (Stichwort Soest: sollte sich jemand am Samstag Abend über dem "Rosa Rie..Zwerg" erschrocken haben, ich muß zu meiner Verteidigung einwerfen, ich habe mit 8 befestigten Glöckchen frühzeitig gewarnt, das kann dieser wahrscheinlich immer noch flüchtende Hund sicher bestätigen... 8-[ ), was drunter war, das schweigt die Quellenlage, so ist mein 1400er "Rüstwams" rein spekulativ, und darum auch dunkelblau, man siehts nicht, wenn die Rüstung angelegt ist, ansonsten gleich ausziehen.
Das wollte ich in der neuen Darstellung vermeiden, aber auch wieder wenig, ein paar Bilder von Polsterwämsern über der Rüstung, ein paar zeigen buntes Gewand darunter, eines hat mir etws zu burgundische Ärmel, aber man sieht eben nur den Schulter-Armbereich, aber so richtig, vieleicht sogar noch süddeutsch, zumindest nlördlcih der Alpen...außer dem erhaltenen Rüstwams mit Ketternärmel, meines Wissens in USA, nur das soll Anfang 1500 sein, außerdem ist es horizontal gepolstert, da wurde mir mitgeteilt, sowas wäre 1475 out....(ich werde es mir vermutlich so machen, aus reinem Trotz, um die Quellenlage zu ärgern, zu einer meiner Darstellungen wird es dann schon passen, ich decke ja irgendwann von 1400-1540 ab.... :smt076 ). Nun erscheint mir das hier angesprochene Rüstwamsfragment zwar sehr stimmig (Belüftungslöcher, der verstand etwas von der Materie), auch wenn ich mich frage, wer auch damals soviel Zeit hatte, hunderte Löcher zu nähen...um dann zu sehen, wie Kettenzeugs draufgenäht oder geschnürt wird, Blechteile die Ventilation zuschnüren. Könnte es sich nicht vieleicht um das Wams darunter handeln, den die Hosen müsen ja irgendwie auch unter dem Rüstzeugs gehalten werden, und darüber gibt es so gut wie garnichts? Oder ist es sicher, daß es direkt unter der Rüstung getragen wurde, was würde man dan Eurer Meinung nach darunter tragen, Leinenhemd, Leinenweste? Ich will hier nicht, daß jemand meine Quellensuche macht, aber könnt ihr mir da weiterhelfen?
Danke
Peter
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon Wolfgang Ritter am Mi 30 Dez, 2009 15:26

Tatsächlich ist hier die Beleglage sehr dürftig, auf Anhieb fallen mir eigentlich nur die englischen Beschreibungen "How a man shall be armed for his ease when he shall fight on foot" von ca. 1450 hier: http://www.chronique.com/Library/Armour/armyd1.htm
und das "TRAYTESE OF THE POYNTES OF WORSHIP IN ARMES" BY JOHAN HYLL,
ARMORER SERGEANT IN THE KINGE’S ARMORY 1434, Bod. Lib., Ashmole. MS. 856, art. 22, pp. 376—~83 ein. Letzeres kann ich bei Bedarf gerne hier reinstellen, muss es aber erst suchen.
Im "how a man shall be armed" ist die Rede von
He shall have no shirt upon him except for a doublet of fustian lined with satin, cut full of holes

Bei diesem "cut full of holes" dürte es sich fraglios um ein solches Nestelwams gehandelt haben. Überlebende Wämser gibt es nur ganz wenige, in der Veste Coburg hängt noch eines, dass aber mienes Wissens aus dem 16. Jhdt. stammt.
Generell ist die Beleglage bei den Rüstwämsern sehr mau, da doch äußerst selten das Anziehen bzw. Anrüsten gezeigt wird.
Allerdings sehe ich nicht recht, weshalb ein fundamental anderer Schnitt als bei den sonstigen Wämsern vorherrschen sollte. Lediglich mag eine Wattierung ggf. relevant sein, denn unter Umständen kann ein einfaches "normales" Wams die Rüstteile nicht genügend abpolstern. Auperdem werden ja bestimmte Rüstteile am Wams befestigt so dass hier schon eine gewisse Stärke des Materials gegeben sein muss.
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon Wolfgang Ritter am Mi 30 Dez, 2009 17:57

Kleiner Nachtrag: hier sieht man ein schönes italienisches Exemplar eines Rüstwamses (wenn auch kein Nestellochwams): http://www.armsandarmourforum.com/forum/index.php?app=core&module=attach&section=attach&attach_rel_module=post&attach_id=4760

Das Manuscript von 1460 heißt "Epitoma historiarum Philippicarum Pompei Trogi", von Marco Giuniano Giustino, Kopist: Giovanni di Ser Niccolò de Castadis di Fano; der Titel der Illustration ist "Agesilaos Verwundung".

Zum einen interessant wegen der Hosennähte der beiden Knechte, aber auch wegen des Rüstwamses, genauer gesagt der Ringegeflechte für Schultern und Oberarme. Man sieht sehr schön. das das Ringegflecht aus Gründen der Arm-Beweglichkeit nicht überall fest mit dem Wams verbunden ist, sondern schienbar sogar nur übergezogen sein könnte.

P.S.: Ich hoffe der Link funktioniert, wahrscheinlich muss man sich beim Arms and Armour Forum anmelden - was ich aber sowieso empfehelne würde.
Ich weiß leider als Computer-Null nicht, wie ich hier ein Bild von meinem PC hochlade.....wer sich berufen fühlt, es mir zu erklären, bitte sehr und vielen Dank!!
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon Andrej Pfeiffer-Perkuhn am So 03 Jan, 2010 23:06

Die Beleglage zu rüstwämsern deutscher Herkunft ist nicht nur dürftig, sie ist schlicht nicht vorhanden. Ich kenn ein einziges Bild, das aber mehr Fragen aufwirft als klärt, weil der Stoff sehr merkwürdig dargestellt ist, mit einer Art Gittermuster und jeweils einem Punkt darin, was auf ein solchen Nestellochwams hinweisen könnte.
Zudem hat es kurze Ärmel an deren unterem Ende aber eine Nestel für das Armzeug befestigt ist.

Ich selbst benutze ein Rüstwams ohne direkte Vorlage, einfach ein Wams aus zwei Lagen festen Leinens mit einer dritten Futterlage aus dünnerem Leinen. Auf Polsterung habe ich völlig verzichtet und habe sie bislang auch nie vermisst. Wenn ich in den Quellen bislang etwas von Polsterung gelesen habe dann interessanterweise am Rücken.
Das Wams ist fest genug um Schultern und Arme der Rüstung gut zu halten und gleichzeitig dünn genug nirgends zu stören. Polsterung würde die Rüstung nur unnötig vergrößern und smit schwerer und unbeweglicher machen.

Mit der Deutung das mit "He shall have no shirt upon him except for a doublet of fustian lined with satin, cut full of holes" fraglos ein Nestellochwams gemeint sei kann ich mich nicht anschließen. Ebenso kann der Füllstoff, so dieses denn gepolstert wäre gemeint sein. Durch die Löcher würde der Füllstoff in lockeren Lagen liegen, was z.B. bei den mit Rohbaumwolle gefütterten Polaterrüstungen in Lücken und Stendal wohl gewollt war.

Auch das Bild von Wolfgang sagt wenig über ein Rüstwams aus, ich sehe da eher eine Art Ringpanzerweste. Immerhin war es in Italien lange Zeit üblich unter dem Harnisch noch ein en kompletten Ringpanzer zu tragen was man auf Bildern oft sieht wenn nämlich unter der Schulter noch ein kurzer Kettenärmel sichtbar ist. Diese Ringpanzerweste scheint mir da eine logische Folge zu sein, damit man sich das Geflecht im unteren Bauch- und Rückenbereich sparen kann.

Die Quellenlage für italienische Rüstwämser ist aber glücklicherweise ohnehin besser, ähnlich wie bei französischen bzw. burgundischen Stücken hat es da etliche Abbildungen.
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon petgerm am Mo 04 Jan, 2010 09:26

Interessant, danke für die prompten Antworten. Ich werde mich vermutlich zweigleisig bewegen, das Polsterwams nach dem existierenden Ren.-Vorbild sowie ein ungepolstertes Leinenwams. Da das nun direkt mit der Hose verbunden wird, nun eine Frage aus meinen Erfahrungen aus der 1400er Rüstung heraus. Wo befestigt ihr dann das Beinzeug, wenn am Wams, dann zieht das gewaltig das ganze System herunter (wurde bei uns schon getestet), oder mit Gürtel wie ich es derzeit mache? Nur nun läge das Kettenhemd direkt auf dem Konstrukt, von Hackeln und Hängenbleiben nicht zu sprechen, auch die Schnüre würden ja sicher schnell durchgerieben.
Danke Euch
Peter
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Re: Rüstwams/Doublet aus dem Hist. Museum Bern

Beitragvon Andrej Pfeiffer-Perkuhn am Mo 04 Jan, 2010 11:39

Wie genau das Beinzeug befestigt wurde gehört wieder einmal zu den Dingen die nicht wirklich klar sind. Es gibt eingie Zweifel das eine Befestigung am Rüstwams üblich war und sogar Bilder die eine Befestigung an der Hose nahelegen. Schlißelich gibt es einige Beinzeuge bei denen eine andere Befestigung als die Riemen vermutlich gar nicht nötig war.

Eine wiederum historisch nicht belegbare aber zumindest praktikable Lösung wäre diese: http://www.historicenterprises.com/misc/armingcoats.jpg
Dadurch das jede Nestel durch mehrere Löcher gezogen wird, verteilt sich der Zug auf den Stoff recht gut. Wirklich wichtig ist aber das das Beinzeug wirklich gut angepasst wurde. Kram von der Stange kann da nie mit guter Ware mithalten. Ich weiß das aus schmerzhafter Erfahrung.
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