Schweizer Kavallerietaschakos

[troupier suisse]

Kavallerietschakos Ordonnanz 1875 und 1883/84

Hier sind zwei neue Artefakte im Arsenal von Rost & Grünspan. Dank der Vermittlung und weitgehenden Finanzierung durch ein Ehrenmitglied kam ein Kavalleriekonvolut in den Besitz des Vereins. Es umfasst Kavalleriesäbel und Tschakos von Vater und Sohn aus dem Besitz der hochbetagten Enkeltocher/Tochter.

Die Stücke haben die letzten 50 Jahre in einer Rumpelkammer verbracht und sind dementsprechend lebesbedürftig. Die Tschakos wurden gebürstet, gefettet, poliert und wo nötig genäht und sehen jetzt wieder ganz respektabel aus. Die beiden Säbel werden unserem Waffenmech und seiner Polierscheibe noch lange gesellige Abend bereiten.

Zum einen steht hier links der Kavallerietaschako Ordonnanz 1875 von Dragoner Alfred Wüthrich aus Eggiwil, Landwehr Dragoner-Schwadron 11 Bern. Leider fehlt noch die schwarze Fangschnur und hinten am Tubus die Löwenkopfhalterung mit Ring.

Rechts steht der Tschako Ordonnanz 1883/84 von Guide Fritz Wüthrich, dem Sohn von Alfred, Landwehr Guiden-Schwadron 22.



Obschon Säbel und Tschakos ziemlich pflegebedürftig waren (oder noch sind), ist das interessante an dem Konvolut dass hier Männer mit Truppenstolz Objekte ihrer Dienstzeit bei der Kavallerie aufbewahrten und sie der nächsten Generation weitergaben. Der ältere Tschako wurde in den 50er Jahren unsachgemäss zivil repariert, was zeigt dass man versucht hat ihn zu erhalten.

Die Stücke hätten auf den Bazar wandern sollen, gelangten aber durch unser aufmerksames Ehrenmitglied zu uns, wodurch das Konvolut nicht auseinandergerissen wurde. Es ist ein schönes Beispiel von Waffenstolz und Familientradition aus der früheren Schweizer Milizarmee. Wenn jemand mehr zu den beiden Schwadronen sagen kann zB. Zuteilung, dann würden wir uns freuen.

[Seegras]

Mein Vater hat auch noch so ein Ding von seinem Vater oder Grossvater; sieht glaubs eher aus wie das rechte.

Ich wollt Ihm das schon abschwatzen, zusammen mit der Uniform. Die passt mir glaubs; der Tschako ist auf jeden Fall zu klein, und die Reitstiefel dazu auch.

[Dragoner]

Sehr schöne Stücke. Insbesondere der 1875er ist nicht zu verachten.
Nur ein kleiner Nachtrag: die Luzerner-Kokarde ist unter der falschen Seitenspange angebracht.

Gruss Dragoner

[troupier suisse]

Stimmt. Der wurde auch irgend wann einmal zerlegt und wieder falsch zusammengesetzt. Es hat sich jemand mit wenig Ahnung jedenfalls wirklich die Mühe gemacht die Teile zu säubern und zu pflegen. Der 75er wurde diesbezüglich wiederhergestellt, aber beim jüngerne Tschako steht die grosse Zerlegung noch an. Gehört die Luzerner Kokarde überhaupt auf einen 22er Guiden-Tschako? Weiss Du da über Landwehreinheiten bescheid?

[Dragoner]

Die Luzerner-Kokarde stimmt mit dem 22er Stern überein. Jedoch (ist mir vorhin gar nicht aufgefallen) ist der Pinsel falsch. Guiden waren eidgenössich und nicht kantonal... Das ganze scheint gebastelt zu sein.

Schwarzer Pinsel mit 22er Stern und Luzernen-Kokarde wäre richtig. Anderseits würden passen weisser Pinsel, eidgenössische Kokarde und 22er Stern mit Landwehrsternen.

Meines Wissens (habe gerade meine Unterlagen ausgeliehen) gab es um 1900 12 Auszugskompanien der Guiden und 12 Landwehrkompanien. Also Auszug 1-12 und Landwehr 13-24.

Dragoner

[troupier suisse]

Danke für die Infos Dragoner. Der Status Guide ist familiengeschichtlich verbürgt (aber ich seh' mich sicherheitshalber nach einem Dienstbüchlein oder sonstigen militärischen Urkunden um), aber die Kokarde ist zweifelhaft. Habe den Helm zerlegt und festgestellt dass es eine brutal verwurschtete und zurechtgebogene Infanteriekokarde ist, die einfach unter die Spange geschoben wurde. Ich vermute dass die eidgenössische Originalkokarde verloren ging und bei einer dilettantische "Reparatur" nach dem Ableben des Trägers (der hätte seine Einheit sicher nicht derart verwechselt) falsch ersetzt wurde.

Da bleibt aber das Phänomen der fehlenden Landwehrsterne. Der Filztubus hat keine Löcher die darauf hindeuten dass dort überhaupt einmal Sterne waren. Da wäre wiederum eine "Reparatur" mit falschem Pinsel möglich. Aber auch dass kann kaum zu Lebzeiten des Trägers geschehen sein, denn irgendwo hat man doch seinen Waffenstolz. An dem Helm wurde auf jeden Fall rumgebastelt, aber es gilt noch herauszufinden wo der Pfusch stattfand.

[Dragoner]

Gern geschehen,

sobald ich meine Unterlagen wieder bei mir habe, kann ich dir genaueres über die Kavallerieeinheiten sagen.

Dragoner

[four]

hallo troupier suisse, schöne stücke, insbesondere der 1875er dragoner, scheint zu passen, nummer und kantonszugehörigkeit passen.

beim guiden 22 luzern möchte ich noch etwas zu dragoner's angaben hinzufügen:

es gab (um 1900) 12 guidenkompanien, 2 pro division, auszug und landwehr, eidg. kokarden. später (um 1912) nannte man diese dann auch schwadrone und die waren jeweils in abteilungen unterteilt (1-6 je division) allerdings waren dann nur noch auszügler von 1-12 eingeteilt, landwehr wurde in die schwadrone 31-42 aufgeteilt. somit dürfte es nach meinen infos keine guidenschwadron oder -kompanie 22 gegeben haben....aber ohne gewähr O:)

grundsätzlich gab es total 24 dragonerschwadrone (ab ca 1928 denn 30, weil es keine guiden mehr gab...), kantonale, auszug und landwehr. die nummer 22 wäre richtigerweise luzern, also mit und ohne sterne möglich. Um 1900 gehörte die luzerner dragonerschwadron 22 zum 4. armeekorps, kavalleriebrigade IV, kavallerie regiment 8. auch bei den dragonern wurden aber (um 1912) die landwehr schwadrone in 31-54 umnummeriert. man könnte nun die sache noch komplizierter machen, wenn ich noch die kavallerie mitr kp erwähnen würde..

fazit: meiner meinung nach organisiere einen schwarzen pinsel und dann ist der tschako zumindest in nummer und kokarde identisch. ideal wäre natürlich das dienstbüchlein des ehemaligen trägers, welches die wahrheit an den tag bringen würde!
gruss
four

[troupier suisse]

Danke four für Deine zusätzlichen Angaben. Jürg Burlet hat mir auch noch einige Infos zukommen lassen, die ich dem Forum nicht vorenthalten will:

Zu den abgebildeten Tschakos soviel zum geschichtlichen Hintergrund:

Der 11er scheint gut zu sein, die Dragoner-Kompagnie 11 stammte aus dem Kanton Bern und gehörte vor 1874 zur Kavallerie-Brigade 3, nachher als Schwadron zum Dragoner-Regiment 4.

Etwas schwieriger wird es beim 22er:

Die Auszugs Dragoner Schwadron 22 gehörte nach 1874 zum Dragoner Regiment 8 und wurde vom Kanton Luzern gestellt, ab 1925 wurde sie ins Kavallerie Regiment 5 eingeteilt. Die Dragoner Schwadronen nummerierten im Auszug von 1 bis 24 und in der Landwehr von 31 bis 54.

Im Landsturm waren sowohl Dragoner wie Guiden unberitten und kamen in kantonale Landsturm Dragonerkompanien und nummerierten von 1 bis 13. Die Guiden nummerierten ab 1874 im Auszug und in der Landwehr von 1 bis 12. Nach 1911 nummerierte die Landwehr von 31 bis 42.

Mit der Heeresorgansation von 1925 verschwanden die Guiden und die noch dienstleistenden Guiden wurden zu Dragonern umgeteilt. Eine Guiden-Kompagnie oder -Schwadron 22 hat es nie gegeben. Bei der Zuteilung der Guiden in die Dragoner Schwadronen könnte aber eine solche Kombination entstanden sein. Hier wäre das Dienstbüchlein aufschlussreich!

Die Kokarde ist übrigens auf der falschen Seite unter die Schiene geschoben und zeigt nicht die Farben von Luzern, sondern von Zürich!

[four]

natürlich handelt es sich um eine zürcher kokarde....habe ich auch erst auf den 2. blick festgestellt aber ändert nicht viel an der sache, so oder so scheint am tschako leider etwas nicht zu stimmen.

als ergänzung noch eine information über die kavallerie bzw guiden (falls es jemand interessiert) die bestände der kavallerieschwadrone waren im jahre 1907 folgende:

- 4 of, 17 uof, 90 gfr und sdt, 3 handwerker, 4 spielleute, 4 of ordonnanzen, 4 trainsoldaten, 1 sanitätssoldat und 1 feldpostordonnanz, dazu 105 gewehre, 123 reitpferde, 8 zugpferde und 3 fuhrwerke!

guidenkompanie:
- 2 of, 8 uof, 30 sdt, 1 handwerker, 3 spielleute, 36 gewehre und 46 reitpferde!

das waren noch zeiten!