Gambeson als tragbare Sauna

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

Moderator: troupier suisse

Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Di 29 Jun, 2010 15:44

Timotheus hat geschrieben:Jungs passt auf dass Ihr nicht die volkstümlichen Äpfel mit Birnen mischt...

Ich kann hier nur von dem Zeitraum sprechen in dem wir uns selber bewegen, vielleicht sieht es bei unseren Spämis schon wieder anders aus aber bei der hochmittelalterlichen Textilrüstung die UNTER einem Kettenhemd getragen wurde, sprach man vom sog. "Aketon". - dieser entwickelt definitiv weniger innere Hitze, da dieser eher dünner war und in der Regel aus ca. einem Dutzend Lagen Leinen bestand, keine Wolle, Rosshaar oder anderes Material... ebenso sind edlere Varianten bekannt, bei denen die äusserste Schicht aus dünnem Leder war -

Beim Aketon der bei guter Passform ein müheloses "Hineingleiten" ins Kettenhemd erhöglicht, ging es aber auch mehr darum Schürfungen und andere Verletzungen die durch das Kettenhemd selber verursacht werden konnten vorzubeugen.

Da aber sämtliche Metallrüstungen im Hochmittelalter (wie etwa eben Kettenhemden) als entsprechend seltener Luxus der kämpferischen Elite vorbehalten waren, handelte es sich bei dem eigentlichen "Gambeson" (zumindest im Hochmittelalter) um eine eigenständige Solitärrüstung die viel zu dick und meist auch zu steiff war um sie unter einem Kettenhemd zu tragen.

Da heute eben vielfach alle gepolsterten Stoffrüstungen fälschlicherweise unter dem Sammelbegriff "Gambeson" zusammengefasst werden, begenen wir daher oftmals armen schwitzenden Darstellern, welche sich unter ihren Kettenhemden in jene Skijacken-dicken gesteppten Dinger quetschen und bei Feldschlachten um 30 Grad Celsius dem Hitzschlag nahe sind.

Gute Quelle zu dem Thema: Henry Skodell, Schutzausrüstung des 11. Jahrhunderts in Mitteleuropa

Wer sich für einen historischen "Aketon" interessiert, der wirklich noch genug Bewegungsfreiheit unter der Kette ermöglicht, kann gerne mal unseren Dani (hier im Forum als "Murky" vertreten) kontaktieren - er hat die Herstellung seines Aketons Srtück für Stück dokumentiert und teilt seine Erfahrungen sicher gerne.

Beste Grüsse,

Timo


Servus,

z.T. stimme ich dir da zu- wie ich sagte, Differenzierung ist nötig. Nur ein paar Details:

- Rosshaar bezweifel ich arg. Hast Du da ne Quelle? Weil: das ist nen prima Polstermaterial, schützt aber null. Deswegen findet man es in Helmpolsterungen etc.
- Edlere Varianten mit dünnem Leder? Hätte ich auch gern nen Beleg für. Ist grad für den Luftaustausch sowie Reinigung mehr als nur suboptimal. Bei edleren kenne ich Seide, Damast, Brokat.

"[...]ging es aber auch mehr darum Schürfungen und andere Verletzungen die durch das Kettenhemd selber verursacht werden konnten vorzubeugen[...]" Also ich habe mich durch nen Ringpanzer noch nie verletzt. Wie kommst Du zu dieser Aussage? Modern oder historisch?

"[...]Hochmittelalter (wie etwa eben Kettenhemden) als entsprechend seltener Luxus der kämpferischen Elite vorbehalten waren[...]" Ist mir etwas zu pauschal. Es gibt ja durchaus Quellen für nichtritterliche Besitzer von Ringpanzern pre-1250.

"Gute Quelle zu dem Thema: Henry Skodell, Schutzausrüstung des 11. Jahrhunderts in Mitteleuropa"
Henry ist jetzt eine Quelle? ;) ;)
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Timotheus am Di 29 Jun, 2010 19:44

jboerner hat geschrieben:
Timotheus hat geschrieben:Jungs passt auf dass Ihr nicht die volkstümlichen Äpfel mit Birnen mischt...



- Rosshaar bezweifel ich arg. Hast Du da ne Quelle? Weil: das ist nen prima Polstermaterial, schützt aber null. Deswegen findet man es in Helmpolsterungen etc.
- Edlere Varianten mit dünnem Leder? Hätte ich auch gern nen Beleg für. Ist grad für den Luftaustausch sowie Reinigung mehr als nur suboptimal. Bei edleren kenne ich Seide, Damast, Brokat.

Kurz dazu - Nein - habe ich nicht -Rosshaar war aber einfach billig und einfach zu bekommen, auch wenn es als weiteren Nachteil anfängt zu klumpen sobald es nass wird. Trotzdem halte ich es aufgrund seiner allgemeinen Verfügbarkeit für eine glaubwürdige, vielfach genutzte Alternative etwa zu Stoffresten , -

Du selber schreibst von einer Schicht Leder (innen) was soll daran für die Zirkulation besser sein... - ich denke es gibt aber auch nicht für alles einen Beleg, wenn es so einfach wäre, müssten wir uns nicht die Mühe machen um Handwerk, Alltag und Leben nachzuempfinden - Sicher ist eine Quelle immer besser als eine naheliegende Annahme aber gerade frühe Geschchte ist nun einmal lückenhaft und hier geht es manchmal auch schlichweg darum Beleg-Lücken mit überlegten Wahscheinlichkeiten zu füllen.


"[...]ging es aber auch mehr darum Schürfungen und andere Verletzungen die durch das Kettenhemd selber verursacht werden konnten vorzubeugen[...]" Also ich habe mich durch nen Ringpanzer noch nie verletzt. Wie kommst Du zu dieser Aussage? Modern oder historisch?

Ich selber habe das auch noch nicht. Wir tragen Kettenrüstungen aber auch alle bestenfalls mal am Wochenende oder nur begrenzte Zeit, das heisst bevor es überhaupt anfangen kann unangenehm zu werden ist alles schon wieder vorbei und wir ziehen es wieder ab - wenn das Ding aber zu Deiner "Berufskleidung" wird, und die Polsterung welche Du auch immer darunter trägst zu dünn ist oder durchscheuert wird es Dir vor allem in den Beugen und an den Stellen wo es Falten wirft die Haut abschälen. Jeder der mal mit schlecht sitzender Kleidung eine längere Wanderung gemacht hat, weiss, dass selbst eine nur eine unvorteilhafte Textil-Naht die über Stunden an der gleichen Stelle scheuert gleich mehrere Hautschichten aufreiiben kann - bei der Kette reden wir von Stahl...

"[...]Hochmittelalter (wie etwa eben Kettenhemden) als entsprechend seltener Luxus der kämpferischen Elite vorbehalten waren[...]" Ist mir etwas zu pauschal. Es gibt ja durchaus Quellen für nichtritterliche Besitzer von Ringpanzern pre-1250.

Die gibt es vereinzelt sicher - beim Wert dieser Rüstungen waren es aber sicher Ausnahmen (Kriegsbeute, wie etwa ersichtlich auf dem vielzitierten Teppich von Bayeux, oder Ausstattungen/Leihgaben wohlhabender Herren an ihr Gefolge)

"Gute Quelle zu dem Thema: Henry Skodell, Schutzausrüstung des 11. Jahrhunderts in Mitteleuropa"
Henry ist jetzt eine Quelle? ;) ;)Falsch gewählter Ausdruck - mein Fehler...sollte
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Seegras am Mi 30 Jun, 2010 07:33

Timotheus hat geschrieben:Kurz dazu - Nein - habe ich nicht -Rosshaar war aber einfach billig und einfach zu bekommen, auch wenn es als weiteren Nachteil anfängt zu klumpen sobald es nass wird. Trotzdem halte ich es aufgrund seiner allgemeinen Verfügbarkeit für eine glaubwürdige, vielfach genutzte Alternative etwa zu Stoffresten , -


In einer burgundischen Ordonnanz aus dem 15Jh. wird explizit Rosshaar, Wolle und Stoffreste verboten. Und Baumwolle (die Bäuschchen) verlangt.

Timotheus hat geschrieben:Sicher ist eine Quelle immer besser als eine naheliegende Annahme aber gerade frühe Geschchte ist nun einmal lückenhaft und hier geht es manchmal auch schlichweg darum Beleg-Lücken mit überlegten Wahscheinlichkeiten zu füllen.


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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon aemkey am Mi 30 Jun, 2010 07:35

Da Jens wieder mitliest, werfe ich nochmals kurz meine Frage dazwischen.

Schöne Quelle für den Zeitrahmen: Königsspiegel.


Is das dieser hier? Link

Scheint mir eben komisch zu sein, laut den Angaben, die ich dazu habe, stammt das Buch aus Norwegen, was ja noch weiter weg ist als Paris. Kann mir da jemand helfen oder besitzt sogar dieses Buch?

Betreffend Polsterung unter der Kettenhaube scheiden sich ja auch die Geister der Fachwelt. Ich habe da schon alles gelesen und jede Argumentation spricht für sich. (Viel Polsterung= ungelenk, wenig Polsterung=ungeschützt, bis hin zu Lederwams mit viel Fett bestrichen).
Eine eindeutige Lösung wird es wohl nicht geben, am Schluss gilt es, den besten Kompromis zwischen Schutzwirkung und Beweglichkeit zu finden. (Wer schon mal mit einer Schutzweste im Militär im Feld rumgerannt ist, weiss, was ich meine).
Gruss Ulf
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Mi 30 Jun, 2010 10:02

Timotheus hat geschrieben:Kurz dazu - Nein - habe ich nicht -Rosshaar war aber einfach billig und einfach zu bekommen, auch wenn es als weiteren Nachteil anfängt zu klumpen sobald es nass wird. Trotzdem halte ich es aufgrund seiner allgemeinen Verfügbarkeit für eine glaubwürdige, vielfach genutzte Alternative etwa zu Stoffresten , -

Weihnachtsgebäck ;) (Spekulatius...) Wie gesagt: Rosshaar funzt nicht wirklich, weil es keinerlei Schnitthaltigkeit hat, und insbesondere bei Stichen, also einer der primären Schutzfunktion textiler Panzer, so garnicht wirkt. Sollte doch ne Quelle auftauchen, tät ich mich wundern. Man kann ja nie wissen, aber bis dahin...

Du selber schreibst von einer Schicht Leder (innen) was soll daran für die Zirkulation besser sein... - ich denke es gibt aber auch nicht für alles einen Beleg, wenn es so einfach wäre, müssten wir uns nicht die Mühe machen um Handwerk, Alltag und Leben nachzuempfinden - Sicher ist eine Quelle immer besser als eine naheliegende Annahme aber gerade frühe Geschchte ist nun einmal lückenhaft und hier geht es manchmal auch schlichweg darum Beleg-Lücken mit überlegten Wahscheinlichkeiten zu füllen.

Gar nix soll daran besser sein- das waren aber auch richtig dicke Panzer der einfachen Truppen, die sogar höheres Gewicht aber durchaus gleiche Schutzwirkung eines Krebses nebst Armzeug hatten. Ist ja was anderes als ein Aketon. Schreibst du ja selber richtigerweise.
Zum Rest: Die übliche Diskussion. Wirkliche Löcher mit Interpretationen zu füllen, mag ab und an notwendig sein, aber gerade hier ist kein solches, die Lücken ergeben sich aus modernen Befindlichkeiten und Anforderungen. Dem durch Spekulation nachzugeben führt zu Fantasy.


[i]Ich selber habe das auch noch nicht. Wir tragen Kettenrüstungen aber auch alle bestenfalls mal am Wochenende oder nur begrenzte Zeit, das heisst bevor es überhaupt anfangen kann unangenehm zu werden ist alles schon wieder vorbei und wir ziehen es wieder ab - wenn das Ding aber zu Deiner "Berufskleidung" wird, und die Polsterung welche Du auch immer darunter trägst zu dünn ist oder durchscheuert wird es Dir vor allem in den Beugen und an den Stellen wo es Falten wirft die Haut abschälen. Jeder der mal mit schlecht sitzender Kleidung eine längere Wanderung gemacht hat, weiss, dass selbst eine nur eine unvorteilhafte Textil-Naht die über Stunden an der gleichen Stelle scheuert gleich mehrere Hautschichten aufreiiben kann - bei der Kette reden wir von Stahl...


Also wieder Spekultion auf Basis moderner Annahmen. Wo ich gleich mal einhake. Weiteres Argument gegen solche ist, dass ich ganz ehrlich- und man wird mir das vermutlich wieder sehr schnell als Arroganz auslegen- einem Großteil der Darsteller das Know-How abspreche (und ebe auch mir!), auf Basis moderner "Erfahrungen" auf eine vergangene Epoche insofern rückzuschliessen, als dass man eine Allgemeinbild draus schliessen kann. Das hier ist das typische Beispiel: wie kommst Du darauf, dass man früher Rüstungen über, wie es sich bei Dir anhört, Tage trug, so dass so ein Problem überhaupt entstand? Insofern: Quelle für diesen Schluss? Ansonsten würde ich diesen auch nicht als Grund angeben.


Die gibt es vereinzelt sicher - beim Wert dieser Rüstungen waren es aber sicher Ausnahmen (Kriegsbeute, wie etwa ersichtlich auf dem vielzitierten Teppich von Bayeux, oder Ausstattungen/Leihgaben wohlhabender Herren an ihr Gefolge)

Jetzt mixen wir aber arg die Zeiten, der Teppich ist spätes 11tes- Zumal Du selber richtig schreibst: "vielzitiert". Und ebenso fälschlich. Das ist ein Comic, er stellt nicht die absolute Wirklichkeit dar. Der ist von französischen Nonnen gestickt worden. Man kann da kaum eine Plünderungspraxis draus schliessen, schon garnicht über alle Zeiten und Regionen weg, dagegen sprechen auch anderswo vorhandene Verordnungen. Ob und wie vereinzelt hängt star davon ab, wo und wann.

Das Thema Textilpanzer ist ein bedauerlicherweise sehr durch Fehlinformationen und moderne Szenemythen geprägtes, und auch kein sehr einfaches.
Ich hab hier zum Thema Aketon: http://www.diu-minnezit.de/1350_aketon.htm ein paar Quellauszüge gesammelt, da kann man für den betreffenen Zeitrahmen und die Regionen einige Aussagen nebeneinanderlegen.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Mi 30 Jun, 2010 10:14

aemkey hat geschrieben:Scheint mir eben komisch zu sein, laut den Angaben, die ich dazu habe, stammt das Buch aus Norwegen, was ja noch weiter weg ist als Paris. Kann mir da jemand helfen oder besitzt sogar dieses Buch?

Gibts online. http://www.google.de/search?q=kings+mir ... =firefox-a
Freilich ist der auch nicht ideal, weil nicht regional. Nur ist der Unterschied, dass es sich bei den Informationen nicht um modeabhängige, regionatypische handelt, sondern um, heute würde man sagen "Common Knowledge".
Aber eben auch da muss man die Quellkritik anlegen, klar.

Betreffend Polsterung unter der Kettenhaube scheiden sich ja auch die Geister der Fachwelt. Ich habe da schon alles gelesen und jede Argumentation spricht für sich. (Viel Polsterung= ungelenk, wenig Polsterung=ungeschützt, bis hin zu Lederwams mit viel Fett bestrichen).

Also ich weiss nicht, welche "Fachwelt" du meinst. Leider gibt es bislang keine gute Aufarbeitung des Thema.
Ich würde jedoch flapsig formulieren: Argumente sind (fast) nichts, Quellen sind (fast) alles ;) Insbesondere weil sie manche Fragen beantworten. "Ungelenk" z.B., naja: es sind eindeutig Textilpanzer mit 30 Lagen Textil und Leder beschrieben, das ist schon recht kräftig, aber es funzte scheinbar gut genug, dass es Leute, deren Leben im Gegensatz zu heute davon abhing, benutzten, und es sogar ob seiner Eigenschaften gelobt wurde.
Ich würde es einfach so machen, wie die Gesamtheitder verfügbaren Quelllage nahelegt. Und funzt das dann nicht, hat man ziemlich sicher etwas falsch gemacht.

Eine eindeutige Lösung wird es wohl nicht geben, am Schluss gilt es, den besten Kompromis zwischen Schutzwirkung und Beweglichkeit zu finden. (Wer schon mal mit einer Schutzweste im Militär im Feld rumgerannt ist, weiss, was ich meine).
Gruss Ulf

Natürlich, sind Rüstungen immer.
*Aber*: Der Kompromiss sollte nicht eigenerarbeitet sein. Das wurde der schon. Vor ettlichen hundert Jahren, von solchen, deren Anforderungen ganz andere waren, als heute. Heute lautet der Kompromiss oft "so gepolstert, dass ein Schwert vom Lieblingstschechen in stumpf nicht weh tut, der Ringpanzer nicht reibt, und ich am Montag wieder im Büro hocken kann, und so gefertigt, dass er billig ist und schnell zu machen".
Damals waren die Anforderungen in Folge zu erwartender Einwirkung von Pfeil-und Armbrustbeschuss, scharfen Waffen und anders verfügbaren Materialien und Lieferanten ganz andere. Insofern sah der Kompromiss anders aus.
Nur: was die damaligen erfüllt, erfüllt die heutigen wesentlichen (Thema Schutz) meistens viel eher.
Was Preis und Arbeitsaufwand angeht, ist das freilich ne andere Nummer.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Murky am Mi 30 Jun, 2010 15:59

Meii, das wird ja wieder richtig spannend hier. Das Thema Aketon/Gambeson/Polsterhaube ist ganz sicher ein schwieriges Thema da man ja keine Funde hat. Schriftliche Quellen gibt es soweit ich weiss schon, da habe ich aber jetzt keine aus erster Hand, nur ebenfalls von Webseiten welche Material gesammelt haben. Bilder hingegen findet man im Hochmittelalter einige die zeigen dass unter dem Kettenpanzer eine Polsterung getragen wurde.
Unsere Darstellungszeit ist 1180, ich beziehe mich nur darauf.

Grundsätzlich gibt es aus meiner Sicht schon logische Schlussfolgerungen die man anstellen kann, ohne eine Quelle zur Hand zu haben. Zum Beispiel dass ein Kettenhemd allein gegen einen Schwerthieb nur bedingt was nützt. Ebenfalls darf die Polsterung unter der Kette nicht zu dick sein, weil man sich sonst kaum bewegen kann, ich gebe Gerald bei seinen Ausführungen absolut recht.
Was die Materialien angeht kommt natürlich auch nur das in Frage was dazumal üblich war, Leinen, Wolle, Leder. Oder auch Stoffresten zur Polsterung. Ich kann mir auch Rosshaar vorstellen, da dies geflochten relativ schnittfest ist. Ich habe mich für meinen Aketon für 100 % Leinen entschieden weil ich dies am sinnvollsten fand.

Wie dick der Aketon hätte sein können kann man ebenfalls in der Praxis herausfinden indem man einen näht aufgrund seiner Recherchen und Schlussfolgerungen, und dann in der Feldschlacht einen durchgezogenen Schwerthieb abkriegt ;-) Ich hatte das Vergnügen am Heerbann einen etwas übermütigen Huscarl Wikinger zu treffen (bzw. er traf mich, voll auf die Schulter). Cotte, darüber Aketon mit 13 Lagen festem Leinen plus Kettenhemd, ich hatte nicht einmal einen blauen Fleck. Für mich proof of concept. Anfangs dachte ich der Aketon sei zu dünn, ich bin jetzt aber anderer Meinung. Aber Vorsicht, es handelt sich um einen Aketon, nicht um einen Gambeson. Der Aketon wirkt nur in Kombination mit Kette optimal. Den Gambeson würde ich dann entsprechend dicker machen, schon ca 20–30 Lagen, es kommt auf die Grammatur des Leinen an.

Letztes Wochenende sahen wir auch sehr gut was es ausmachen kann wenn man als Polsterung des Aketons kein Leinen oder Wolle hat, einige unserer Mitglieder hatten noch nicht die Mittel oder die Zeit einen eigenen Gambeson zu nähen, daher mussten bei ein paar noch die gekauften mit Polyesterfüllung herhalten. Diese aber speichert die Hitze und leitet sie nicht nach aussen ab. Fazit, Hitzestau. Ich lief aber den ganzen Tag mit meinem Aketon aus 13 Lagen dickem Leinen herum ohne zu heiss zu haben, auch unser Bruder Jörg in seinem Woll-gepolsterten hatte keine Hitzeprobleme. Dieselbe Erfahrung hat ja auch Gerald schon gemacht, dickes Leinen oder Wolle gibts zwar warm, ist aber atmungsaktiv und kühlt.

Es ist einfach wichtig den Flüssigkeitshaushalt immer in der Waage zu halten. Wie ihr das macht ist euch überlassen.
Ich habe nehme hier die Erfahrung aus der Feuerwehr wo man bei einem harten Atemschutzeinsatz auch sehr viel Wasser verliert und innert 20 Minuten umfallen kann wenn man sich nicht achtet (Und da saufen wir übrigens KEIN Bier um den Flüssgkeitshaushalt wieder auszugleichen sondern Wasser).


Weiter bitte ich zu bedenken, dass auch ich kein Historiker oder Archäologe bin und noch immer jeden Tag dazulerne. Ich bitte deshalb die Fachleute sich etwas zurückzunehmen.
Und übrigens, Leder ist Tierhaut, und die ist atmungsaktiv. Es gibt also überhaupt nichts daran auszusetzen Leder als Aussenmaterial zu verwenden.

Hier noch ein Bildli von meinem Aketon.
Bild
Daniel der Kaufmann
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon Gerald von Ameningen am Mi 30 Jun, 2010 17:01

Hallo Jens

Ich habe soeben Eure homepage besucht, die erwähnten Quellauszüge zum Thema Aketon aber nicht finden können. Wo genau muss ich suchen?

Mich interessieren auch insbesondere Deine Quellen für die "nichtritterliche Besitzer von Ringpanzern pre-1250". Wo finde ich die?

Du erwähnst wiederholt, dass die fehlende Schnittfestigkeit von Rosshaar gegen die Verwendung in einem Aketon spricht. Für den Schutz gegen Schnittverletzungen kommt jedoch vom Panzerhemd, weshalb sollte dann der Aketon schnittfest sein? Die Schwachstelle eines Ringpanzehemdes ist der inexistente Schutz gegen Schläge aufgrund seiner Flexibilität. Polsterung tut not.


Freundliche Grüsse
Gerald von Ameningen
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon jboerner am Do 01 Jul, 2010 10:04

Hallo Gerald (oder wie heisst Du wirklich?)

Ich hab die Seite des Aketons doch verlinkt?
Thema Ringpanzer: Joinville fällt mir spontan ein. Aber da gibt es an sich eine große Anzahl an Quellen, angefangen von Bildquellen- bei denen man freilich den Stand nicht genau ablesen kann, über diverse andere Textquellen. Wenn ich wieder an einer vorbeikomme, denk ich hoffentlich drann. Villard de Honnecourt ist auch ein Paradebeispiel. Bzw. dessen Skizzenbuch.

Thema Rosshaar: nein, ich habe doch schon explizit darauf hingewiesen, wie kommt ihr da immer nur drauf, dass ein Aketon polstern sollte? Nenn mir dafür doch mal eine Quelle. Und nein, die ürimäre Schwachstelle Ringpanzergeflechts beim Einsatz echter Waffen ist der mangelnde Schutz gegen Stiche; dort, wo Wuchtwirkung, die ein Ringpanzer im Gegenastz zur landläufigen Meinung ürbigens sehr wohl abschwächt, wirklich fatal wäre, kannst Du eh nicht so "polstern", dass Du nicht am Ende aussiehst wie ein Michelinmännchen. Was die Darstellungen etc. nicht nahelegen.
Und schluessendlich, und damit gehe ich auch auf "Murky" über: natürlich gibt es Originale von Textilpanzern. Nur eben nicht vor dem 14ten. Da muss man mal über den Tellerrand gucken, und anhand der anderen Quellen vergleichen, ob es da Änderungen im Aufbau gab. Legen diese aber nicht nahe. Zumal die Quelllage pre-1300 für Aketons i.A. wesentlich dünner wird, im Sinne von: es ist nicht wahrscheinlich, dass jeder Ringpanterträger einen trug. Manche Quellen negieren das ja sogar explizit, Zitat
Bilder hingegen findet man im Hochmittelalter einige die zeigen dass unter dem Kettenpanzer eine Polsterung getragen wurde

Nein, es gibt _einige_ Bilder für ganz spezifische Zeiten und Regionen, die ein gestepptes Textil zeigen.
Das ist ein Unterschied. Textil+gesteppt != "Polsterung".

Grundsätzlich gibt es aus meiner Sicht schon logische Schlussfolgerungen die man anstellen kann, ohne eine Quelle zur Hand zu haben

Genau da ist der Haken. Wie gesagt. "Logik" als Basis einer Rekonstruktion ohne Quellen taugt imho selten bis nie- weil sie auf Basis moderner Überlegungen und Anforderungen stattfindet. Wieviel Erfahrung hast du mit der Waffeneinwirkung einer gut rekonstruierten (scharfen) Waffe mit wirklich historischen (soweit in deinem Zeitrahmen eingrenzbar, was ja auf Grund fehlender Quellen primär mit Blick auf spätere klappt) Techniken auf eine gute Ringpanzerrekonstruktion (und damit meine ich nicht die gängige Indienkette)?

Was die Materialien angeht kommt natürlich auch nur das in Frage was dazumal üblich war, Leinen, Wolle, Leder. Oder auch Stoffresten zur Polsterung. Ich kann mir auch Rosshaar vorstellen, da dies geflochten relativ schnittfest ist.
Denkst du das, oder weisst du das? Und wenn dem so sein sollte, warum findet man in den erhaltenen Textilpanzern keines, wohl aber in den meisten Polsterungen von z.B. Helmen?

und dann in der Feldschlacht einen durchgezogenen Schwerthieb abkriegt

Entschuldige, aber das ist das Paradebeispiel: ein Gedengel mit stumpfen Dingern in einer heutigen "Feldschlacht" ist absolut nicht aussagekräftig hinsichtlich der Konstruktionsweise mittelalterlicher Schutzausrüstung.

Cotte, darüber Aketon mit 13 Lagen festem Leinen plus Kettenhemd, ich hatte nicht einmal einen blauen Fleck. Für mich proof of concept. Anfangs dachte ich der Aketon sei zu dünn, ich bin jetzt aber anderer Meinung. Aber Vorsicht, es handelt sich um einen Aketon, nicht um einen Gambeson. Der Aketon wirkt nur in Kombination mit Kette optimal. Den Gambeson würde ich dann entsprechend dicker machen, schon ca 20–30 Lagen, es kommt auf die Grammatur des Leinen an.

Okay, jetzt weisst Du, dass 13 Lagen Leinen helfen, wenn einem ein Klopper mit ner Eisenstange auf die Schulter kloppt. Was das Ding einem mittelalterlichen Kämpfer bringen täte, der mit scharfer und Spitzer Waffe in Gefahr läuft, umgebracht zu werden, nicht.
Und dass Polyesterfüllung nicht historisch ist, dazu brauch ich keinen Versuch.

Und übrigens, Leder ist Tierhaut, und die ist atmungsaktiv. Es gibt also überhaupt nichts daran auszusetzen Leder als Aussenmaterial zu verwenden.

Äh. Nein. Wirklich nicht. Ich müsste jetzt länger Ausholen, was beim Gerben passiert, aber das kannst du auch einfach mal nachprüfen: press dir ein Stück leinen vor den Mund und schnaufe, und dann ein Stück Leder, sehr vereinfacht ;)

Ich möchte niemanden angreifen, aber die Beiträge demonstrieren meiner Ansicht nach exakt das Problem mit Textilpanzern in der Szene: es gibt eine Menge Leute, die mit Begeisterung einen, nennen wir es mal "Kampfsport" machen, und sich mit stumpfen Sportgeräten auf Basis bestimmter Regeln hauen. Das ist schön und nett, hat aber mit historischen Kampftechniken nichts zu tun. Die Sportausrüstung, in dem Falle die Rüstung, wird hinsichtlich des Sports optimiert. Die Ergebnisse werden als Empfehlungen weitergegeben. Wirklich dediziert auseinandergesetzt wird sich mit den Quellen nur bedingt. "Gut" ist, was "polstert". Dagegen ist im Sportkontext nichts zu sagen, aber vom Aspekt der Rekonstruktion einer Rüstung ist das völlig aussagefrei. Damit will ich auch nicht sagen, dass alle solche Mist sind. Mehrere Leinenlagen halte ich im Grunde, spätere Quellen legen das auch nahe, durchaus für einen Textilpanzer für gangbar und teils belegbar. Ob es aber in diese Zeit, in diesen Kontext (Aketon) passt, das ist z.B. schon wieder sehr diskutabel.
Übrigens zur Wirkung von Aketons empfehle ich auch Joinville. Da wird auch explizit über den Zusammenhang mit Beschuss gesprochen.
Alle sekundären Aspekte wie Tragekomfort etc. will ich nicht komplett negieren, aber erst einmal geht es um die Schutzwirkung. Nicht aus heutiger, sondern damaliger Sicht.
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Re: Gambeson als tragbare Sauna

Beitragvon aemkey am Do 01 Jul, 2010 11:22

@Jens: Der Link http://www.diu-minnezit.de/1350_aketon.htm funktioniert nicht, ich komme auch immer nur auf die Sartseite.
Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe. (Keilschrifttext aus Ur um 2000 v. Chr.)
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