Wams 1470er Jahre

Ob Tunika, Topfhelm oder Brogans, hier wird es gezeigt und diskutiert.

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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon Chnobli am Mi 30 Jun, 2010 09:06

Hier mein bwscheidenes Wissen über diese Cochenille:

Cochenille ist ein roter, wasserlöslicher Farbstoff, der aus drei verschiedenen Schildlausarten gewonnen werden kann.

Kermes-Schildlaus (Kermes vermillio PLANCHON),
polnische Cochenillelaus (Porphyrophor apolonica L.)
amerikanische Cochenillelaus (Dactylopius coccus Costa)

Die polnische Cochenille fand erstmals in einer Verordnung Karls des Großen im Jahre 812 nach Christus Erwähnung. Diese Schildlausart wurde auch als „Johannisblut“ bezeichnet. Sie lebt unterirdisch an den Wurzeln eines Nelkengewächses.
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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon jboerner am Mi 30 Jun, 2010 09:46

Also ich würde da jetzt auch nicht von der Farbe zur Färbung umschwenken, thematisch.
Rotfärbungen gibt es eine ganze Menge, die verbreitetsten waren sicherlich Krapp und Rotholz.
Kermes, polnische Cochenille, Blaubeeren in bestimmter Behandlung etc.
Dazu gibt es vom 14ten ab ne ganze Latte an Primärquellen, ein paar haben wir hier:
http://www.diu-minnezit.de/1475_pflanzenfarben.html aufgeführt
Schönes Buch bezogen auf Nürnberg, aber auch als Beispiel fürs SMA i.A. ist http://www.diu-minnezit.de/buecher.php? ... id=3&lid=0

Ob moderner Verfügbarkeit ist es persönliches Ermessen, ob man Cochenille- die heute primär aus Amiland kommt- einbezieht, oder nicht. Gemäß den Originalen die ich kenne oder aus zweiter Hand beschrieben bekommen habe gehe ich persönlich davon aus, dass die Färbung nur bedingt unterschiedlich war und ist.

Hinzufügen muss man ausserdem, dass die historischen Färberezepte oft wesentlich komplizierter sind als heutige "Rekonstruktionen", was aber auch daran liegt, das manche zwar tradiert wurden, aber schlicht nicht überprüft- da kommen Zusatzstoffe vor, die keinerlei Auswirkungen auf die Färbung hatten. Andere wieder schon, aber nur eine Nuance, weswegen, und das findet sich auch in den Textquellen, spezielle Töne (v. z.B. Rot) herauskamen, die teils je nach Jahr und Mode verändert wurden, und gern spezielle Namen bekamen, insbesondere nach ihrem Bezugsort ("Pariser Rot"). Nun weiss aber keiner mehr, was das war. Macht aber ja auch nix, man rekonstruiert ja kaum eine Klamotte mit exakt diesem Ton.

Ergo würde ich, wenn ich Rosa haben wollen würde, halt schlicht eine verfügbare Färbung - damals wie heute- wählen.
Lachsfarben ist popeleinfach, da langt ne Kaltfärbung mit Krapp auf dem Balkon. Intensiveres "Pink" täte ich mit Rotholz machen.

Was nun wiederrum Bilder betrifft, mag es eine Litanei sein, aber ich sag es trotzdem: Quellkritik.
Mi-Parti sieht man oft, ja. Aber: die Bilder haben fast immer einen Kontext. Paradebeispiel ist der Sachsenspiegel, hier werden Lehens-und Dienstabhängigkeiten dargestellt. Das negiert nicht die Nutzung von Mi-Parti im Alltag, aber ich würde da schon etwas aufpassen. Meine Empfehlung wäre. Mi-Parti eher für spezielle Sachen aufzuheben, wenn man schon so 2-3 Garnituren "normales" hat. Und freilich erst nach Prüfung regionaler Quellen.

Der Spieleteppich ist nun so nen Ding: dort wird so garkeine Alltagskleidung dargestellt.

Und nochmal zu Rosa: Ich erklärs mal am praktischen Fall: wenn jemand Geld für eine aufwändige Färbung hat, warum sollte er dann ausgerechnet einen blassen Ton, und damit überhaupt nicht die repräsentative, deutlich sichtbare Ausprägung der Färbung nehmen? Hat er aber keins, stellt sich dei Frage nicht, dann kauft er billigen zweiten Zug und ziemlich sicher auch des günstigsten Farbstoffes.

Heisst konkret: Stelle ich was gut betuchtes dar, und gar nicht noch die Schlonzklamotte für keine-Ahnung-was, dann nehm ich kein Rosa. Stelle ich was einfaches dar, und ich mach mir meinen Sonntagsstaat, dann passt rosa nicht.
Stelle ich was einfaches dar, und es ist der Kittel, der dreckig werden kann, bin ich auch mit Rosa zufrieden.

Spekulativ würde ich vermuten, dass die Wertigkeit auf der Straße auch so war: da hat ein Kittel in Rosa den Charakter eines ausgebleichten Kik-T-Shirts.

Ausser es sind so dämliche Anlässe wie bei nem Turnier des englischen Königs in den 1350gern, wo einer als Pabst-Verulke in Punkt auftrat und sowas... ;)
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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon Varuna am Mi 30 Jun, 2010 09:59

Chnobli hat es schön ausgeführt, allerdings scheint sich die chemische Zusammensetzung der amerikanischen und der polnischen Laus leicht zu unterscheiden. Im Flinkhandforum haben die das mal sehr gut auseinander genommen, ich werde es hier mal kurz zusammentragen:

____________________
Zu den färbenden Inhaltsstoffen:
Polnische Cochenille enthält 62 - 88% Karminsäure und 12 - 38% Kermessäure (+Flavokermessäure)

Amerikanische Cochenille enthält 94 - 98% Karminsäure und 0,4 - 2,2% Kermessäure (+Flavokermessäure)

[Quelle: Schweppe, S. 265,266]

Bei Kermes ist der Hauptfarbstoff die Kermessäure, bei Cochenille die Karminsäure.
_______________

Das heisst, wir müssen leider davon ausgehen, dass die Farbstoffe nicht identisch sind, da nicht nur die Farbkonzentration unterschiedlich ist, sondern auch die chemische Zusammensetzung. Blöd, blöd...

Den ganzen Threadfindet ihr hier:
http://www.flinkhand.de/forum/viewtopic ... &&start=40

Krapp gibt in einer schwachen Form ein Rosa/Lachs, Jack, hast du keine Bilder von Deinen Nesteln?

Rotholz taucht zumindest in den deutschen Färberbüchern Ende des 15. Jhr. auf, d.h. ist es wohl vorhanden. In welchem Manuskript genau müsste ich zu Hause nachschauen.

Gruss, Céline

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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon jboerner am Mi 30 Jun, 2010 14:57

Céline, steht doch in meinem Link ;) Rotholz hat es schon im Innsbrucker Färbebuch von 1330. Desweiteren im Oberdeutschen Färbebüchlein, im Nürnberger Kunstbuch...eigentlich in allen ;)

Die Diskussion über die chemische Zusammensetzung von Cochenille finde ich aber etwas müßig. Da müsste man wenn schon konkrete Versuche auf Basis exakt nachvollzogener Rezepturen machen, um den Unterschied in der Färbung zu erörtern. Dann aber auch mit allen anderen Farbstoffen, die eher auf Basis moderner chemischer Erkenntnisse benutzt werden. Wie gesagt, die reine Krappfärbung, wie wir sie heute z.B. machen, scheint gemäß der Färberhandschriften eher die Seltenheit gewesen zu sein.
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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon Varuna am Mi 30 Jun, 2010 17:12

Hey Jens,

habe meinen Beitrag geschrieben, während Du Deinen verfasst hast (das geht während der Arbeit halt recht lange), darum habe ich keinen Bezug auf deinen Link gemacht. :)

Gruss, Céline

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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon Chnobli am Do 01 Jul, 2010 15:14

Hallo Jens
Ich habe mir deine echt tolle Seite angeschaut und bin bei deinem Wams über folgende Aussage ins Grübeln gekommen.

Jens schrieb:
... . Es ist mit Nesteln aus rotem Leinen verschlossen.

http://www.diu-minnezit.de/indexfrm.php?tid=4&lid=0

Welchen Farbstoff hast du genommen?
Färben die Nestel bei Regen ab?
Was für eine Leinenenfaden nimmst du für die Nesteln?
Warum hast du dich nicht für Seide entschieden?


Gruss Chnobli
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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon jboerner am Fr 02 Jul, 2010 09:37

Hallo Chnobli,

Du meinst vermutlich http://www.diu-minnezit.de/1475_wams_leinen.html , Du hast nur den obersten Frame verlinkt.
Also zunächst einmal ist das Leinen modern chemisch gefärbt. Eine Bezugsquelle für historisch gefärbtes rotes Leinen habe ich leider nicht, und bislang auch nur wenig Experimente damit gemacht. Das Leinen aber rot gefärbt werden wurde und konnte, dafür gibt es erhaltene Textilreste und Textstellen als Quellen (such mal bei Tempus Vivit zum Thema, da wurde das besprochen ua.).
Rote Farbe für Nesteln an sich ist so ziemlich die beliebteste gemäß der Abbildungen, die ich dazu kenne.
Leinennesteln wiederrum gibt es mehrfach, erhalten z.B. im KHM Wien an Helminnenpolsterungen von Turnierhelmen, Textstellen diesbezüglich ebenfalls, allerdings primär aus dem Rüstungssektor.
Benutzt habe ich beides in Kombination schlicht weil das eher nen Gammelwams ist, und da strapazierfähige einfache Nesteln eher passten, sowie weil Rot nen schönen Kontrast bot ;)
Inzwischen benutze ich die aber nicht mehr, sondern welche aus Leder.
Was meiner Ansicht nach übrigens das Hauptmaterial für Nesteln war, gemäß verschiedener Bilder und Textstellen.
Und das ürbigens auch wieder gern rot gefärbt, an einer dauerhaft reproduzierbaren, funktionierenden Färbung arbeite ich derzeit noch.
Nächste Stufe wären dann eben Fingerschlaufengewebte (oder geflochtene (->London), nicht getüntelte Nesteln) Bänder, hier dominierten imho Seidennesteln, weil das dann schon Schmuckteile waren. Da gibts auch Tonnen von Originalen.
Dazwischen gabs dann eben Leinen für besonders sprapazierte Fälle, und wo ein leichter Schmuckfaktor erwünscht war; bei meinem Armzeug http://www.diu-minnezit.de/1475_spaetgo ... mzeug.html habe ich z.B. gewachste Leinennesteln genommen (siehe z.B. Hastings MS).
Und Wolle, die aber eher für Scheckenverschlüsse, Mäntel und co.; ich benutze Wolle recht gerne als Zwischenstufe für "schönere" Verschlüsse, wo Seide aber leicht aufribbeln würde.

Grundsätzlich lässt sich Leinen mit einer speziellen Rezeptur mittels Krapp oder Rotholz färben, man muss aber anders arbeiten als mit Wolle oder Seide, weil es eine pflanzliche Faser ist.
Hier: http://www.diu-minnezit.de/1350_cotehardie_paris.html habe ich ein krappgefärbtes Leinenfutter, das ist aber eher Pink. Ist wie gesagt noch nicht so der Weisheit letzter Schluss.

Abfärben tut aber keine mir bekannte belegbare Färbung, wenn richtig ausgespült.
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Re: Wams 1470er Jahre

Beitragvon Chnobli am Fr 02 Jul, 2010 11:50

Vielen Dank für deine Ausführungen.

Theoretisch lässt sich Leinen gut mit Purpur färben, da es wie Indigo ein Indolfarbstoff ist. (Dies ist jedoch eine abstruse Kombination.)
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