Hallo zusammen,
ich stelle mir schon seit längerer Zeit die Frage: Wie genau sollte eine Rekonstruktion sein?
Ich bekomme immer mal wieder Anfragen für Rekonstruktionen von Taschen, Gürteln oder
Futteralen mit "außergewöhnlichen" oder "individuellen" Verzierungen.
Ich selbst vertrete die Meinung, dass eine Rekonstruktion dem Original möglichst zu 100%
entsprechen sollte. Das ist jedenfalls mein oberstes Ziel, wenn ich Objekte für andere Darsteller
anfertige.
Einige meiner Handwerkskollegen/Innen sind dabei eher, sagen wir mal "geschmeidig"
und ich lese immer wieder "in Anlehnung an" oder "das Muster entstammt einer Handschrift"
bis hin zu "ich hätte gerne ein mittelalterliches Hello-Kitty-Flammenmuster" (überspitzt formuliert).
Macht man sich dann mal die Mühe und schaut sich die Quellen an, die angegeben werden,
merkt man nicht selten, dass außer dem Material so ziemlich gar nichts dem Original entspricht.
In dem Punkt gehöre ich wohl eher zu den "Hardlinern".
Natürlich ist man als Handwerker stets
bemüht die Wünsche der Auftraggeber auch zu erfüllen.
Aber wenn es fürs Hobbie sein soll,
sollte es auch stimmen. In engen Grenzen weiche ich selbst davon ab, wenn es sich um Punkte
handelt, die nicht direkt für einen anderen Darsteller sichtbar sind (z. B. die Innenaufteilung einer
Schützentasche oder kleinere "persönliche" Muster auf der Rückseite eines Futterals. Aber das
ist nicht die Regel.
Darüber hinaus bin ich bestrebt, zusammen mit dem Auftraggeber eine
für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
Aber ich habe auch schon Aufträge
abgelehnt, weil kein gemeinsamer Nenner zu finden war.
Es wäre ja toll, wenn die Handwerker ihre Kunden darauf hinweisen würden, wie "real"
ihr Produkt ist. Leider erlebe ich es immer wieder auf Veranstaltungen, dass im Lederbereich
(was mein Steckenpferd ist) auch viele "Pseudo-Mittelalterliche" Produkte verkauft werden.
Viele Darsteller wissen das gar nicht, weil sie selbst nicht firm in der Materie sind. Sie verlassen
sich dabei auf die Handwerker.
Darüber hinaus erlebe ich bisweilen im Verein, wo es viele gute Handwerker gibt, dass der
"Überfluss" auch langsam aber stetig das Bild der Darstellung verfälscht.
Mal ein einfaches Beispiel:
Am Anfang hatten einige wenige Darsteller in unserem Verein eine Zinnkanne. Über die Jahre haben
sich immer mehr Leute Zinnkannen zugelegt, so dass dieser "Überfluss" das Bild nach außen bei den Besuchern
verfälscht. So ist es jedoch nicht nur im Verein, sondern generell in der Szene. Seien es
Schnabelschuhe, verzierte Schwertscheiden, ... Ich habe es mal als "Nussertum" oder "Posertum"
bezeichnet. Grundsätzlich ist ja nichts dagegen zu sagen, wenn das "Drumherum" zur Darstellung passt.
Aber ich erlebe z.B. auch immer wieder Leute, die Tagelöhner oder Knechte darstellen und
verzierte Bauernwehr-Scheiden haben oder Schuhe aus feinstem Leder, Reitstiefel (obwohl sie kein
Pferd haben) etc.
Wie ist das bei euch, wie genau setzt ihr Rekonstruktionen um? Und wie wird in eurer Gruppe/Verein
damit umgegangen?
Viele Grüße
Sutoris